OGH 3Ob667/77

OGH3Ob667/7712.9.1978

SZ 51/124

Normen

ZPO §228
ZPO §228
ZPO §228
ZPO §228

 

Spruch:

Die Frage der Aufrechenbarkeit kann nicht in einem Feststellungsprozeß geklärt werden

OGH 12. September 1978, 3 Ob 667/77 (OLG Wien, 3 R 125/77; HG Wien 32 Cg 1305/76)

Text

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Leoben vom 21. Juli 1975, S 23/75-1, wurde über das Vermögen der M Maßmoden Gesellschaft m. b. H. der Konkurs eröffnet; gleichzeitig wurde der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die E Industriegesellschaft m. b. H. war Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin. Über ihr Vermögen eröffnete das Kreisgericht Wiener Neustadt mit Beschluß vom 7. Juli 1975, Sa 8/75, das Ausgleichsverfahren. Am 15. Dezember 1977 beschloß die Generalversammlung der Ausgleichsschuldnerin die Umwandlung der Gesellschaft durch Übertragung des Unternehmens auf den Hauptgesellschafter, nämlich die beklagte Firma S und Co. mit dem Sitz in Wien. Die Übertragung des Unternehmens und die Löschung der Firma E Industriegesellschaft m. b. H. wurde am 29. Dezember 1975 im Handelsregister des Kreisgerichtes Wiener Neustadt eingetragen. Die M Maßmoden Gesellschaft m. b. H. arbeitete vor der am 21. Juli 1975 erfolgten Sperre ihres Betriebes ausschließlich für die E Industriegesellschaft m. b. H. Sie verrichtete für sie seit 1. Jänner 1974 Lohnarbeit in der Weise, daß sie den ihr übersendeten Stoff samt Zubehör zuschnitt und daraus Mäntel und Jacken herstellte. Am 7. August 1975 legte die Gemeinschuldnerin über die Herstellung von 1528 Jacken und Mäntel Rechnung in der Höhe von 379

445.13 S. Mit Schreiben vom 30. September 1975 forderte der Kläger für weitere sechs Jacken den Betrag von 1528.36 S. Die Lieferung dieser Mäntel und Jacken erfolgte am 17. September 1975.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Feststellung, daß seine Forderung von 380 973.49 S mit einer ebenso hohen Forderung der Beklagten nicht aufgerechnet werden könne. Er brachte hiezu vor, daß er vom Ausgleichsverwalter der E Industriegesellschaft m. b. H. Dr. A am 7. August 1975 die Bezahlung der am selben Tag gelegten Rechnung verlangt habe. Er sei damals nicht bereit gewesen, die angefertigten Mäntel und Jacken der Ausgleichsschuldnerin herauszugeben. Schließlich habe er mit dem Ausgleichsverwalter vereinbart, daß die vorhandenen Mäntel und Jacken an die E Industriegesellschaft m. b. H. ausgefolgt werden. Nach der Vereinbarung sollte der Betrag von "379 445.13 S (380 973.49 S)" bei Dr. A erlegt und von diesem bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vom Kläger einzubringende Klage auf Feststellung, daß die Forderung der Gemeinschuldnerin mit einer ebenso hohen Forderung der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht aufgerechnet werden könne, verwahrt werden. Eine Leistungsklage sei nicht möglich gewesen, da die Beklagte eine vom Kläger anerkannte, den Betrag von 380 973.49 S übersteigende Gegenforderung der E Industriegesellschaft m. b. H. hätte einwenden können.

Die Beklagte wendete die Unzulässigkeit der Feststellungsklage ein, da der Kläger die Forderung mit Leistungsklage hätte geltend machen können. Die Forderung des Klägers sei nicht erst mit der Rechnungslegung, sondern bereits mit der nach dem Klagsvorbringen vor der Konkurseröffnung erfolgten Fertigstellung der Mäntel und Jacken entstanden. Die Fälligkeit der Forderung sei längstens im Zeitpunkt der Konkurseröffnung eingetreten.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab. Es war der Ansicht, daß die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung zulässig sei, weil die Forderung der Gemeinschuldnerin bereits vor der Konkurseröffnung entstanden sei. Der Masseverwalter sei gemäß § 21 Abs. 1 KO in ein schwebendes Geschäft eingetreten. Der andere Teil sei daher nicht erst mit der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden. Im übrigen sei die Feststellungsklage unzulässig, weil die Leistungsklage alles das geboten hätte, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt worden sei. Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage sei nach Prozeßrecht zu beurteilen, das als öffentliches Recht nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen abgeändert werden könne.

Die Berufung des Klägers blieb in der Hauptsache ohne Erfolg. Das Berufungsgericht führte aus, daß das Feststellungsinteresse als Tatbestandselement des Feststellungsanspruches anzusehen sei, bei dessen Fehlen die Feststellungsklage mit Sachentscheidung abzuweisen sei. Das Feststellungsinteresse sei der Dispositionsbefugnis der Parteien entzogen und daher ohne Bindung an die Prozeßerklärungen der Parteien in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Umso weniger könne daher die Zulässigkeit einer Feststellungsklage durch eine vor Klagseinbringung getroffene Parteienvereinbarung begrundet werden. Grundsätzlich sei das Feststellungsinteresse nur gegeben, wenn die Feststellungsklage im konkreten Fall ein geeignetes Mittel sei, die durch Ungewißheit der Rechtslage hervorgerufene Gefährdung des Klägers wirksam zu beseitigen. Dieser Grundsatz gelte auch für das Verhältnis zwischen Feststellungs- und Leistungsklage. Bei möglicher Leistungsklage sei ein Feststellungsbegehren nur zulässig, wenn weitere Rechtswirkungen zwischen den Parteien, die über den schon möglichen Leistungsanspruch hinausreichten, bereits konkretisiert seien und damit schon Gegenstand der Entscheidung sein könnten. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der mangelnden Aufrechenbarkeit der Gegenforderung der Beklagten nicht schlüssig vorgebracht. Ein solches Feststellungsinteresse sei aus dem außer Streit gestellten Sachverhalt auch nicht zu erkennen. Im Falle der behaupteten Unzulässigkeit der Aufrechnung sei nicht einzusehen, warum der Kläger seine Forderung nicht mit Leistungsklage geltendmachen können sollte. Sei aber die Aufrechnung zulässig, dann könne die Feststellungsklage mangels Zutreffens der Klagsbehauptungen keinen Erfolg haben. Auch dieser Umstand würde einer Leistungsklage nicht entgegenstehen, da im Leistungsurteil festgestellt werde, in welchem Maße die Forderungen einander gegenüberstehen. Überdies sei die beantragte Feststellung nicht ausreichend konkretisiert, da dem Klagebegehren nicht zu entnehmen sei, mit welchen Gegenforderungen der Beklagten gegenüber dem Kläger die Aufrechnung unzulässig sein solle.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den Revisionsausführungen ist das Ziel der Klage die Feststellung, daß ein Recht der Beklagten zur Aufrechnung ihrer Gegenforderung gegen die Forderung der Gemeinschuldnerin nicht bestehe. Der Kläger meint, daß daher Gegenstand des Verfahrens die Feststellung des Bestrebens oder Fehlens eines Rechtes im Sinne des § 228 ZPO sei. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Unzulässigkeit der Aufrechnung ergebe sich eindeutig aus dem Klagsvorbringen, so daß ein näherer Hinweis darauf nicht notwendig gewesen sei. Bei Einbringung einer Leistungsklage hätte von der Beklagten die Aufrechnungseinrede erhoben werden können und es wäre die Frage der Aufrechenbarkeit als Vorfrage zu lösen gewesen. Die Feststellungsklage sei geeignet, Rechtssicherheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsprozeß abzuschneiden.

Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß das Vorliegen des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (SZ 26/116; JBl. 1965/316), wobei dieses Interesse im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz gegeben sein muß (JBl. 1965, 316; SZ 40/3; JBl. 1975, 607 u. v. a.). Die vom Kläger behauptete Vereinbarung, die strittige Frage der Aufrechenbarkeit in einem Feststellungsprozeß klären zu lassen, vermag daher, wie die Berufungsinstanz richtig erkannt hat, ein Feststellungsinteresse und die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nicht zu begrunden. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist, worin den Vorinstanzen ebenfalls beizupflichten ist, insbesondere dann nicht gegeben, wenn durch den möglichen Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch voll ausgeschöpft wird, das Rechtsschutzziel ökonomischer, also durch die Leistungsklage erreicht werden kann. Die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Zulässigkeit der Feststellungsklage (JBl. 1968/206; JBl. 1969/399). Strittig war nur, ob der Forderung eine Gegenforderung entgegengehalten und damit ein Leistungsbegehren zu Fall gebracht werden kann. Eine Leistungsklage war also jedenfalls möglich. Die Revisionsausführungen lassen nun nicht erkennen, inwieweit das Rechtsschutzziel, die Klärung der Aufrechenbarkeit der Gegenforderung der Beklagten durch Feststellungsklage ökonomischer zu erreichen sein sollte. Für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage genügt es nicht daß das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtes auch in einem Feststellungsprozeß geklärt werden kann. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß das Rechtsschutzziel der vorliegenden Feststellungsklage über das einer bereits möglichen Leistungsklage nicht hinausreicht. Die Revisionsbehauptung, daß der vom Kläger geforderte Betrag bereits bei Dr. A erlegt worden sei, verstößt gegen das Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich. Es erübrigt sich daher die Erörterung der Frage, welche Bedeutung ein solcher Erlag für den Erfolg einer Leistungsklage hätte. Zusammenfassend ist zu sagen, daß das Feststellungsbegehren aus den zutreffenden Gründen des Berufungsgerichtes zu Recht abgewiesen wurde, so daß sich die Revision als unberechtigt erweist.

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