Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 514,35 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile begehrten in Klage und Widerklage die Scheidung ihrer am 6.Juli 1967 geschlossenen Ehe gemäß § 49 EheG. Jeder Ehegatte wirft dem anderen verschiedene lieblose Handlungen vor. Die klagende und widerbeklagte Partei (im folgenden: Klägerin) verweist besonders auch auf ein ehebrecherische Verhältnis ihres Ehemannes zu einer anderen Frau, während die beklagte und widerklagende Partei (im folgenden: Beklagter) dazu vorträgt, dieses ehebrecherisches Verhältnis sei der Ehefrau seit dem Jahre 1978 bekannt. Seit dem Jahr 1981 sei es überdies auf Grund einer zwischen den Streitteilen vereinbarten Versöhnung beendet. Seither aber verweigere die Ehefrau den ehelichen Verkehr.
Das Erstgericht erkannte auf Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG und sprach aus, daß beide Teile das Verschulden treffe. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Verschuldensausspruch dahin ab, daß das Verschulden des Beklagten überwiege.
Beide Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Bis zum Jahr 1972 lief die Ehe der Streitteile, der die beiden Kinder Christoph, geboren 6.Mai 1969, und Barbara, geboren 20. März 1971, entstammen, störungsfrei. Eine erste Mißstimmung hatte ihre Ursache darin, daß der Beklagte den geschlechtlichen Verkehr häufiger wünschte als die Klägerin. Sie wurde durch eine Aussprache bereinigt, worauf das Eheleben weiter harmonisch verlief. Im Jahre 1973 lernte aber der Beklagte eine Renate B kennen und begann mit ihr ein ehebrecherisches Verhältnis, das die Klägerin erst durch Zufall zu Weihnachten 1978 entdeckte. Der Beklagte lehnte den von der Klägerin gewünschten Abbruch dieser Beziehung ab. Die Klägerin bemühte sich in der Folge, nicht zuletzt wegen der Kinder, ein möglichst ungetrübtes Zusammenleben zu ermöglichen, und tolerierte es, daß der Beklagte sein Verhältnis zu Renate B aufrecht erhielt. Der Kläger behandelte in dieser Zeit seine Frau abgesehen von diesem Verhältnis gut und die Ehegatten hatten auch zufriedenstellende Sexualkontakte miteinander. Im Sommer 1981 fiel der Klägerin ein Brief des Beklagten an Renate B vom 2.Juni 1981 in die Hände, welcher besonders tiefe sexuelle Gefühle des Beklagten zu Renate B zum Ausdruck brachte und gewisse Sexualpraktiken zwischen dem Beklagten und Renate B bis ins Detail schilderte. Die Klägerin kam zur Überzeugung, daß der bisherige Zustand nicht mehr aufrecht erhalten werden könne und verlangte in mehreren Aussprachen, daß sich der Beklagte zwischen ihr oder seiner Freundin entscheiden müsse. Der Beklagte war bereit, sich mit der Klägerin auszusöhnen, und brach auch tatsächlich seine Beziehungen zu Renate B ab. In einem gemeinsam verbrachten Urlaub beschlossen die Streitteile, die Ehe unter Verzeihung des Geschehenen fortzusetzen. Unmittelbar nach dem Bruch des Beklagten mit Renate B begann sich aber das persönliche Verhältnis zwischen den Ehegatten zusehends zu verschlechtern. Dies hatte seinen Grund darin, daß der Beklagte die Klägerin zunehmend schlecht behandelte, an ihr herumnörgelte und sie kritisierte, wobei er ihr vor allem mangelnde sexuelle Aktivitäten vorwarf. Er erklärte ihr, sie sei im Bett ein einziger Versager und sei gefühlskalt wie eine Qualle. Die Klägerin reagierte auf dieses Verhalten damit, daß sie jedenfalls ab Feber 1982 einen geschlechtlichen Verkehr mit dem Kläger verweigerte, seine Vorhaltungen ignorierte und Versuche des Beklagten, durch Geschenke oder freundliche Briefe eine Verbesserung der Stimmung zu erwirken, zurückwies. Das persönliche Verhältnis verschlechterte sich so immer mehr, es kam aus nichtigen Anlässen zu Streitigkeiten. Die Klägerin erklärte im Herbst 1982, sie wolle vom Beklagten nichts mehr haben. Noch während des Scheidungsverfahrens gab es verschiedene Auftritte. Im Juni 1983 versetzte der Beklagte der Klägerin einmal bei einer solchen Szene eine Ohrfeige. Auf die Zerrüttung der Ehe der Streitteile hatten aber diese Streitigkeiten keinen Einfluß mehr.
Das Erstgericht würdigte diesen Sachverhalt rechtlich dahin, daß beiden Teilen ein Verschulden anzulasten sei, ohne daß das Verschulden eines Teiles überwiege. Die Ehe der Streitteile sei vor allem an den zu verschiedenen sexuellen Wünschen der beiden Partner gescheitert. Solange der Beklagte zusätzlich zur Klägerin eine weitere, seinen Wünschen besonders entgegenkommende Sexualpartnerin gehabt habe, sei die Ehe harmonisch verlaufen. Erst als er seine Beziehungen zur Freundin abgebrochen habe, sei die Krise entstanden. In dieser hätten beide Teile versagt. Der sexuell nicht mehr voll befriedigte Beklagte habe der Klägerin nur Vorwürfe gemacht und sie schlecht behandelt, die Klägerin habe die Bereitschaft des Beklagten, mit der Freundin zu brechen, nicht entsprechend gewürdigt und auf die Vorhaltungen des Beklagten nicht mit Verständnis, sondern schon nach kurzer Zeit mit einer ungerechtfertigten Verweigerung des ehelichen Verkehrs reagiert und damit eine Art Strafsanktion gegen den Beklagten gesetzt, von der sie wissen mußte, daß sie gerade einen solchen Mann hart treffen müsse. Das Berufungsgericht schloß sich dieser Wertung nicht voll an. Zwar habe die Klägerin nach der versuchten Versöhnung im Jahr 1981 nicht optimal reagiert. Aber auch in dieser Phase liege das Hauptverschulden an der Zerrüttung der Ehe beim Beklagten. Statt der Ehefrau nach einem verziehenen jahrelangen ehebrecherischen Verhältnis entgegenzukommen, habe der Beklagte die Klägerin gerade dadurch tief gekränkt, daß er ihr sexuelle Minderwertigkeit vorgeworfen habe. Daß daher die Klägerin im Feber 1982 den geschlechtlichen Verkehr verweigerte, bilde keine schwere Eheverfehlung der Klägerin. Wohl aber habe die Klägerin den geschlechtlichen Umgang mit dem Beklagten auch noch in einem Zeitpunkt abgelehnt, als sich dieser durch Geschenke und freundliche Briefe sehr um die Klägerin bemüht habe.
Wenn die Ehe der Streitteile im Feber 1982 auch schon sehr zerrüttet gewesen sei, so habe doch auch dieses Verhalten der Klägerin zur weiteren und endgültigen Zerstörung der ehelichen Gemeinschaft beigetragen. Bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe, des Gesamtverhaltens beider Teile und der Verletzung besonders wichtiger Grundwerte der Ehe durch den Beklagten, ergebe sich aber ein überwiegendes Verschulden des Beklagten.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das überwiegende Verschulden der Klägerin festgestellt werde, hilfsweise, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Klägerin beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Es ist zwar richtig, daß der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten nur in Betracht kommt, wenn der Unterschied der beiden Verschuldensteile sehr erheblich ist (siehe die in der Revision diesbezüglich zutreffend zitierten Entscheidungen EFSlg 43.691 und 43.692 u.v.a.). Weiters trifft es zu, daß dem Ehegatten, der einen Ehebruch begangen hat, nicht deshalb allein schon das überwiegende Verschulden angelastet werden muß, etwa dann nicht, wenn diese Verfehlung nur eine Folge der geschlechtlichen Vernachlässigung durch den anderen Teil gewesen ist (EvBl 1969/157) oder wenn der Ehebruch zu einem Zeitpunkt begangen wurde, als die Ehe wegen des Verhaltens des anderen Teils schon zerrüttet war (EFSlg 43.687). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Zwar wünschte offenbar der Beklagte häufigere sexuelle Kontakte als die Klägerin, aber eine geschlechtliche Vernachlässigung des Beklagten durch die Klägerin ist nicht erwiesen. Und die Ehe war auch sonst nicht zerrüttet. Der Beklagte hat daher durch sein durch mehrere Jahre hindurch fortgesetztes ehebrecherisches Verhältnis zu einer anderen Frau sehr wohl eine ganz entscheidende und besonders schwere Eheverfehlung gesetzt, die entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung eindeutig den Hauptbeitrag zur Zerrüttung der Ehe leistete. Wie sich nämlich später zeigte, hat der Beklagte nicht einfach nur ab und zu einen geschlechtlichen Fehltritt begangen, sondern sich durch seine Zuwendung zu Renate B innerlich so sehr von der Klägerin entfernt, daß er den von beiden Teilen dann allerdings versuchten Neubeginn von vornherein nicht mehr bewältigte. Sondern statt geduldig auf die für seine Ehefrau besonders schwierige Situation einzugehen, hat er die Klägerin gerade durch den Hinweis auf ihre fehlenden sexuellen Reize und Qualitäten neuerlich aufs schwerste und tiefste verletzt. Der Beklagte mußte ja wissen, welchen Brief an seine Freundin die Klägerin gefunden hatte. Er konnte daher nicht erwarten, daß sich die Klägerin ohne jedes Problem allen seinen sexuellen Wünschen und Sonderwünschen sofort fügen werde. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht auch für die Zeit nach Sommer 1981 angenommen, daß auch hier noch das Hauptverschulden beim Beklagten liegt. Erst als die Ehe der Streitteile durch das jahrelange ehebrecherische Verhältnis des Beklagten zu einer anderen Frau, das durch die Entdeckung und nur scheinbare Tolerierung durch die Frau nicht einfach vernachlässigt werden kann, schon aufs höchste gefährdet war, und nachdem der Beklagte seit Sommer 1981 die Klägerin offenbar aus Enttäuschung über seine Trennung von der Freundin in sehr herabsetzender und kränkender Art behandelt hatte, setzte erstmals auch ein echtes Fehlverhalten der Klägerin ein, als sie nämlich auch sodann folgende Versuche des Mannes ablehnte, durch Geschenke und freundliche Annäherungen doch noch den Versuch einer Rettung der ehelichen Gemeinschaft zu unternehmen. Diese Eheverfehlung der Klägerin wiegt aber insgesamt betrachtet doch ungleich weniger als die die vieljährige Verhaltensweise des Beklagten.
Das Urteil des Berufungsgerichtes ist daher frei von Rechtsirrtum und war zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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