Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen vierzehn Tagen die mit 2.966,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 494,40 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei kündigte der beklagten Partei die im Haus Wien 1., Kärntnerstraße 49/Walfischgasse 1, im Keller, Erdgeschoß, Zwischengeschoß und Obergeschoß gemieteten Räume unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 1 Z 3 MRG gerichtlich auf. Sie behauptet, die beklagte Partei habe die Substanz und die äußere Erscheinung des Hauses durch Entfernung einer Marmorverkleidung beschädigt. Die Behauptung, die Platten seien nicht mehr sicher gewesen, sei nur ein Vorwand; tatsächlich habe die beklagte Partei schon seit längerem die Absicht, unter Umgehung der klagenden Partei eine neue Fassade anzubringen. Die beklagte Partei habe durch die Entfernung der Marmorverkleidung auch gegen Bauvorschriften verstoßen und Eigentum der klagenden Partei beschädigt. Weiters liege in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Meldepflicht nach § 1097 ABGB vor. All dies stelle sowohl einen erheblich nachteiligen Gebrauch als auch ein unleidliches Verhalten dar.
Die beklagte Partei beantragte die Aufhebung der Kündigung und wendete ein, die Marmorverkleidung sei von ihr selbst und auf ihre eigenen Kosten vor etwa 20 Jahren angebracht worden, die Entfernung sei nach dem Herunterfallen einer Platte wegen Gefahr im Verzuge unvermeidbar gewesen. Die beklagte Partei habe inzwischen einen Architekten mit der Planung einer neuen Fassade beauftragt. Eine Verwirklichung solcher Pläne sei bisher am Einspruch der klagenden Partei und dem Problem gescheitert, daß die Stadtverwaltung die Wiederanbringung einer Marmorverkleidung in der ursprünglichen Form nicht mehr gestatte.
Das Erstgericht hob die Kündigung auf und wies das Klagebegehren auf Räumung des Bestandgegenstandes ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.
Die beiden Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Die strittigen Marmorplatten wurden von der beklagten Partei im Jahr 1968 auf ihre Kosten mit Zustimmung des damaligen Eigentümers des Hauses und mit Genehmigung der Baubehörde angebracht. Auch die laufenden Instandhaltungskosten für die Marmorverkleidung der Fassade trug die beklagte Partei. 1987 äußerte die beklagte Partei wegen aufgetretener Risse und Wölbungen an den Platten den Wunsch nach einer Sicherung der Marmorverkleidung und betraute eine Fachfirma mit der Planung. Ehe es zur Ausführung eines Planes kam, fiel im Dezember 1987 an einer Ecke eine Platte auf den Gehsteig. Ein gerufener Baumeister und Steinmetz äußerten die Ansicht, daß die Verankerungsdübel angerostet seien und die Platten heruntergenommen werden müßten. Die beklagte Partei ließ daraufhin die Platten abnehmen, die jeweils in tausend Stücke zerbrachen, und veranlaßte über Rat ihres Architekten einen provisorischen Verputz der Fassade. Als diese provisorische Fassade mehrfach Anstoß erregte, ließ die beklagte Partei ein Schild "Facade temporaire" anbringen. Über die künftige Fassadengestaltung gab es verschiedenen Diskussionen und Vorschläge. In der Magistratsabteilung 19 wurde der Standpunkt vertreten, man wünsche eine Revitalisierung der Fassade und keine neue Marmorfassade. Die Magistratsabteilung 37 forderte die beklagte Partei am 23.März 1988 auf, binnen vierzehn Tagen ein der Bauordnung für Wien entsprechendes Bauansuchen zu stellen, wobei darauf hingewiesen wurde, daß die Entfernung der Marmorfassade ohne Einholung der erforderlichen Baubewilligung vorgenommen worden sei. Über Antrag der beklagten Partei wurde ihr aber in der Folge eine Fristverlängerung gewährt. Mangels eines einheitlichen Standpunktes der Magistratsabteilungen 19 und 37 besteht derzeit zwischen diesen Magistratsstellen eine Art Stillhalteabkommen. An die klagende Partei wandte sich die beklagte Partei vor Einbringung der vorliegenden Aufkündigung nicht. Während der Entfernung der Platten forderte der Hausverwalter der klagenden Partei die Einstellung der Arbeiten, die beklagte Partei verwies jedoch auf ihren Vertreter oder den Architekten.
In rechtlicher Hinsicht waren die Vorinstanzen der Auffassung, daß die Entfernung der schadhaften und gefährlichen Marmorplatten keinen nachteiligen Gebrauch und auch kein unleidliches oder ungehöriges Verhalten darstelle. Eine Eigentumsverletzung liege nicht vor, weil die Platten von der beklagten Partei auf ihre eigenen Kosten angebracht worden seien. Es fehle an einer wiederholten längerwährenden Verletzung von Vertragspflichten. Die Substanz des Hauses sei durch die Entfernung der Fassadenverkleidung nicht beeinträchtigt. Die Unterlassung einer vorherigen Verständigung der klagenden Partei und der Einholung einer baubehördlichen Genehmigung zur Entfernung der Marmorverkleidung stelle wegen der vorhandenen Gefahrenlage kein unleidliches Verhalten dar, zumal die beklagte Partei sofort Bemühungen um Wiederherstellung einer ordnungsgemäßen Fassade eingeleitet habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches im Sinn des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liegt nur vor, wenn durch eine wiederholte länger währende vertragswidrige Benützung des Mietgegenstandes oder durch eine längere Unterlassung notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstandes erfolgte oder auch nur droht (MietSlg 34.412 ua). Im vorliegenden Fall liegt nur ein einmaliges Verhalten vor, nämlich die einmalige Entfernung einer vom Mieter selbst seinerzeit angebrachten Fassadenverkleidung. Es kann nach den getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, daß die beklagte Partei durch einen längeren Zeitraum nichts zur Behebung des momentanen Zustandes unternommen hätte. Es fehlt aber auch an Anhaltspunkten für eine drohende Substanzgefährdung. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch kann allerdings auch dann gegeben sein, wenn durch das Verhalten des Mieters sonstige wichtige Interessen des Vermieters verletzt werden (MietSlg 31.353 mwN). Hier könnte nur an das Interesse der klagenden Partei gedacht werden, nicht in den Ruf eines Hauseigentümers zu geraten, der seine Häuser in zentraler Wiener Lage verkommen läßt und dadurch einen Beitrag zur Beeinträchtigung des Stadtbildes leistet, was bei der wachsenden Sensibilisierung der Öffentlichkeit in diesem Bereich von nicht unerheblicher Bedeutung sein könnte. Solange aber die zuständige Behörde sich nicht schlüssig ist, ob es für das Stadtbild günstiger ist, den seit etwa 20 Jahren bestehenden Zustand durch Wiederanbringung einer Marmorverkleidung wiederherzustellen oder auf den zuvor gegebenen, aus denkmalschützerischen Erwägungen wertvollen früheren Zustand hinzuwirken, droht der klagenden Partei kein Vorwurf in der aufgezeigten Richtung.
Der Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG liegt nur vor, wenn der Mieter durch ein rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenleben verleidet. Auch hier ist es in der Regel wesentlich, daß das friedliche Zusammenleben der Mitbewohner durch längere Zeit und durch häufige Wiederholungen gestört wurde (MietSlg 33.317, 37.406). Ein damaliger Vorfall kann den Kündigungsgrund nur dann herstellen, wenn er so schwerwiegend ist, daß er eine Abhilfe durch Kündigung erfordert (Würth in Rummel, ABGB, Rz 17 zu § 30 MRG mwN).
Die klagende Partei wirft der beklagten Partei in diesem Zusammenhang vor, sie habe eine Anzeige gemäß § 1097 ABGB unterlassen, die Marmorverkleidung ohne baubehördliche Genehmigung entfernt und ohne Beiziehung der klagenden Partei über die Fassade eigenmächtig wie ein Eigentümer verfügt.
Nach den getroffenen Feststellungen wurde jedoch die strittige Marmoverkleidung seinerzeit vom Mieter und auf seine Kosten angebracht und 20 Jahre lang auch ausschließlich vom Mieter instandgehalten. Die Parteien haben dadurch zumindest schlüssig vereinbart, daß die Ausbesserung der Fassade der beklagten Partei obliege. Damit bestand aber keine Anzeigepflicht im Sinne des § 1097 ABGB. Der Vorwurf der fehlenden Genehmigung der Baubehörde ist im vorliegenden Fall nicht so schwerwiegend, weil eine gewisse Gefahr im Verzug gegeben war und daher nicht abgewartet werden mußte, bis sich die zuständigen Magistratsabteilungen geeinigt hätten, ob die Marmorplatten erhalten bleiben müssen oder nicht. Eine gewisse Eigenmacht der beklagten Partei mag zu beanstanden sein, denn auch bei Gefahr im Verzug wäre die Benachrichtigung der klagenden Partei möglich gewesen, und diese hätte dann allenfalls andere Sicherungsmaßnahmen als die Entfernung der Marmorverkleidung bewerkstelligen können. Andererseits wurde aber die klagende Partei nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, denn sie kann jetzt bei der beklagten Partei und den zuständigen Stellen der Stadtverwaltung sowohl auf die Wiederanbringung einer Marmorverkleidung als auch auf die Wiederherstellung des historischen älteren Zustandes hinwirken. Es ist nicht erkennbar, daß sich die beklagte Partei dadurch ein Benützungsrecht angemaßt hätte, das ihr nicht zusteht (Gegenstand der in der Revision zitierten Entscheidung 1 Ob 674/85, dort erfolgte die mißbräuchliche Benützung überdies trotz schon ergangener Gerichtsentscheidungen in provokanter und uneinsichtiger Weise). Alles in allem ist daher die einmalige Vorgangsweise der beklagten Partei im Zusammenhang mit der Entfernung der Marmorplatten nicht als ein so schwerwiegender Eingriff in die Interessen der klagenden Partei zu werten, daß dieser die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der beklagten Partei nicht mehr zugemutet werden könnte.
Eine strafbare Handlung gegen das Eigentum im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall MRG liegt nur vor, wenn der Mieter einen Straftatbestand nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv erfüllt (Würth aaO Rz 20 zu § 30 MRG). Der Tatbestand der Sachbeschädigung nach § 125 StGB setzt den Vorsatz voraus, eine fremde Sache zu beschädigen. Zumindest diese subjektive Voraussetzung ist aus den getroffenen Feststellungen nicht ableitbar. Die beklagte Partei konnte sich mindestens als Eigentümer der von ihr selbst und auf ihre Kosten angebrachten Platten fühlen und überdies der Ansicht sein, sie müsse auch im Interesse der klagenden Partei rasch handeln, um ein weiteres Herunterstürzen von Platten und damit eine Gefährdung von Passanten zu verhindern. Es fehlt daher am Nachweis eines Beschädigungsvorsatzes.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)