Spruch:
Der Wohnungseigentümer, der durch eine Bauführung mit zu geringem Seitenabstand eine Wertminderung erlitt, hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Verpflichtung des Bauführers zum Ersatz eines darüber hinausgehenden künftigen Schadens
Die Nichteinhaltung des zwingend vorgeschriebenen Seitenabstandes des Hauses vom Nachbargrund (§§ 76, 79 WrBauO) berechtigt den in seinem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht verletzten Anrainer, die Einhaltung des Seitenabstandes zu verlangen
Hat der Wohnungseigentümer in erster Instanz die Ungültigkeit der Vereinbarung, daß Gewährleistungs- und Schadenersatzanspruch gegen die Verkäuferin der Eigentumswohnung ausgeschlossen sein sollen, behauptet und die Tatsachen vorgebracht, aus denen sich die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 Z. 4 WEG 1975 ergibt, so schadet es nicht, wenn die Ungültigkeit der Vereinbarung in erster Instanz nicht auf § 24 WEG 1975, sondern auf § 879 ABGB gestützt wurde
OGH 10. Oktober 1979, 3 Ob 588, 589/78 (OLG Wien 1 R 314/77; HG Wien 10 Cg 249/75)
Begründung:
Der Kläger begehrt 1. die Feststellung, daß ihm die Beklagte alle aus der Errichtung des Hauses top Nr. 4, welches mit seinen 398/1538 Anteilen an der Liegenschaft EZ 576 KG U im Wohnungseigentum untrennbar verbunden ist, im Bauwich zu dem angrenzenden Grundstück Nr. 398/3 inneliegend in der EZ 43 KG U erwachsenden Schäden und Nachteile, insbesondere aus einem allfälligen Zukauf eines Grundstückstreifens vom Nachbargrundstück 398/3 KG U zur Ergänzung des Seitenabstandes auf das gesetzlich geforderte Mindestmaß, aus einem allenfalls erforderlichen gänzlichen oder teilweisen Abbruch des Hauses top Nr. 4 ob der EZ 476 KG U und der Wertminderung dieses Hauses top Nr. 4 P‑Gasse 44, zu ersetzen, ferner 2. die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Kosten von 3.402 S für die zur Feststellung der Nichteinhaltung des in § 76 Abs. 3 der Bauordnung für Wien vorgeschriebenen Seitenabstandes veranlaßte Vermessung. Er brachte hiezu vor, daß er den zu 1. angeführten Liegenschaftsanteil, mit dem Wohnungseigentum an dem damals im Bau befindlichen Reihenhaus top Nr. 4 in Wien 19, P-Gasse 44, verbunden werden sollte, von der Beklagten im Jahre 1972 gekauft habe und daß er dieses Reihenhaus seit 1974 bewohne. Das von der Beklagten mit der Errichtung des Reihenhauses beauftragte Bauunternehmen H und St. Ges. m. b. H. habe die östliche Seitenmauer des Reihenhauses wieder abreißen und neu abführen müssen, weil es, wie der Kläger erst später erfahren habe, den Seitenabstand vom 3 m zum östlichen Nachbargrundstück nicht eingehalten habe. Im Frühjahr 1975 habe sich der Verdacht ergeben, daß das Reihenhaus des Klägers nach wie vor in den Bauwich hineinrage. Dieser Verdacht sei durch das vom Kläger eingeholte Gutachten eines Ingenieurkonsulenten für Vermessung bestätigt worden; der Seitenabstand des Reihenhauses zum östlichen Nachbargrundstück betrage auf der ganzen Länge der Seitenmauer weniger als 3 m. Da der Anrainer jederzeit die Einhaltung des Seitenabstandes verlangen könne, drohe die Gefahr des Abbruches der Mauer, was eine Substanzverringerung und Wertminderung des Hauses zur Folge hätte. Die Liegenschaft erleide schon durch die Gefahr des Abbruches eine erhebliche Wertminderung. Der Mangel könne, da der Abstand des Reihenhauses zum Nachbarhaus knapp 6 m betrage, allenfalls durch den Zukauf eines Grundstreifens der Nachbarliegenschaft behoben werden, doch habe die Beklagte einen solchen Zukauf abgelehnt. Die Beklagte habe den Kaufvertrag nicht in der bedungenen Weise erfüllt und sei daher schadenersatzpflichtig. Hilfsweise werde der Klagsanspruch auch auf die Gewährleistungsvorschriften gestützt.
Die Beklagte wendete ein, daß der Kläger den ihm bekannten und während der Bauführung geltend gemachten Mangel durch die Ablehnung der von der Beklagten angebotenen einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages genehmigt habe. Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, daß der Kläger allfällige Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche nur gegen das Bauunternehmen und die Professionisten geltend machen könne. Die Beklagte sei daher für die vorliegende Klage passiv nicht legitimiert. Im übrigen liege eine die Toleranzgrenze überschreitende Verletzung des Bauwiches nicht vor.
Der Kläger erwiderte, daß die im Kaufvertrag getroffene Vereinbarung betreffend den Übergang der Gewährleistungs- und Schadenersatzpflicht sittenwidrig sei, zumal er mit diesem geheimen Mangel nicht habe rechnen können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte fest: Der Punkt XII (Abs. 1) des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrages vom 31. Oktober 1972 hat folgenden Wortlaut:
"Gewährleistung:
Die Verkäuferin haftet nicht für die Richtigkeit der Parifizierung, wohl aber dafür, daß der Vertragsgegenstand lastenfrei ist, ausgenommen etwaige öffentliche Lasten. Das bauführende Bauunternehmen und die Professionisten wurden verpflichtet, mindestens zwei Jahre Gewähr zu leisten, daß in dieser Zeit keine Mängel auftreten. Die Verkäuferin wird dem Käufer bei Übergabe eine Liste aller am Bau beschäftigten Firmen übergeben und dem Käufer die Gewährleistungsansprüche abtreten, womit der Käufer mit Übernahme seiner Wohnung in das Gewährleistungsverhältnis mit den jeweiligen Professionisten direkt eintritt. Der Käufer kann daher seine Ansprüche im Bedarfsfalle nur direkt beim jeweiligen Professionisten oder der Baufirma geltend machen. Gegenüber der Verkäuferin besteht damit kein Gewährleistungsanspruch des Käufers und kein Schadenersatzanspruch."
Als sich bei der Ausführung des Bauvorhabens durch das Bauunternehmen H und St. herausstellte, daß beim Reihenhaus des Klägers der Seitenabstand zum Nachbargrundstück nicht eingehalten worden war, reklamierte der Kläger bei der Beklagten. Der damalige Vertreter der Beklagten Dr. Sch. bot dem Kläger daraufhin die einvernehmliche Auflösung des Vertrages an. Der Kläger hatte an das Bauunternehmen, über dessen Vermögen später der Konkurs eröffnet wurde, bereits 300.000 S gezahlt. Er entschloß sich daher zum Abschluß des Wohnungseigentumsvertrages vom "27. Februar 1973", Beilage F. Der Kläger verlangte bei der Aussprache mit Dr. Sch "wegen des nach Abschluß des Kaufvertrages hervorgekommenen Bauwiches" keine Kaufpreisminderung, erklärte aber auch nicht, auf die Geltendmachung eines solchen Anspruches zu verzichten.
Das Erstgericht bejahte das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung, weil der Anrainer die Einhaltung des Seitenabstandes bisher nicht verlangt habe und daher das Ausmaß der Vermögensminderung noch nicht feststehe. Aus dem Beharren des Klägers auf der Vertragserfüllung anläßlich des Abschlusses des Wohnungseigentumsvertrages könne nicht auf einem konkludenten Verzicht des Klägers auf den Ersatz des durch die mangelhafte Erfüllung verursachten Vermögensausfalles geschlossen werden. Nach der Rechtsprechung sei - unter bestimmten Voraussetzungen - der Ausschluß der Haftung, nicht aber der vertraglich vereinbarte Übergang der Gewährleistungs- bzw. Schadenersatzpflicht auf einen Dritten sittenwidrig. Mit der Übergabe des Hauses an den Kläger sei die Gewährleistungs- und Schadenersatzpflicht vereinbarungsgemäß auf das Bauunternehmen übergegangen. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit davon das Leistungsbegehren betroffen ist, aus Anlaß der vom Kläger erhobenen Berufung als nichtig auf und wies die Klage insoweit zurück. Im übrigen bestätigte das Berufungsgericht die erstgerichtliche Entscheidung mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige.
Zum Leistungsbegehren führte das Berufungsgericht aus, daß die Erstellung der Vermessungsurkunde der Sammlung des Prozeßstoffes und damit der Vorbereitung des angestrengten Schadenersatzprozesses diene. Die dafür aufgelaufenen Auslagen seien vorprozessuale Kosten, die nur als Teil der Prozeßkosten geltend gemacht werden könnten. Das Leistungsbegehren gehöre daher nicht auf den Rechtsweg.
Der durch die behauptete Nichteinhaltung des im § 76 Abs. 3 der Bauordnung für Wien zwingend vorgeschriebene Seitenabstand von mindestens 3 m in seinem subjektiv öffentlichen Nachbarrecht verletzte Anrainer habe die ihm zustehenden Rechte dem Kläger gegenüber bisher nicht geltend gemacht. Es könne daher derzeit noch nicht gesagt werden, ob dem Kläger durch das angeblich rechtswidrige Verhalten der Beklagten jemals ein Schaden entstehen werde. Es sei möglich, daß der Anrainer den eher geringfügigen Eingriff in seine Rechtssphäre dulde und die Beseitigung des an sich verbotenen Zustandes nicht begehre. Diesfalls wäre der Zukauf eines Grundstreifens, dessen Durchführbarkeit nicht einmal feststehe, nicht erforderlich. Mangels eines solchen Zukaufes sei eine Verbindlichkeit noch nicht entstanden und daher ein Schaden nicht eingetreten. Dasselbe gelte für den Schaden, der dem Kläger durch die Entfernung der Mauer entstünde. Auch im Falle einer ohne solche Baumaßnahme eintretenden Wertminderung des Hauses würde der Kläger erst beim tatsächlichen Verkauf seines Liegenschaftsanteiles eine Vermögenseinbuße erleiden. Diese Art von Wertminderung habe nichts mit dem bei Beschädigung eines Kraftfahrzeuges zu ersetzenden "merkantilen Minderwertes" zu tun. Einem solchen Schadenersatzanspruch liege nämlich der Gedanke zugrunde, daß das Fahrzeug schon im Zeitpunkt der Beschädigung an Wert verliere, weil erfahrungsgemäß beschädigte Fahrzeuge, auch wenn sie repariert werden, viel schwerer einen Käufer finden und nur einen geringeren Preis erzielen als unbeschädigte. Es komme daher nicht darauf an, ob und zu welchem Preis der Geschädigte das Fahrzeug verkaufe. Würde der Wert der Liegenschaft durch die Abweichung von den Bauvorschriften schon jetzt gemindert, wäre die Wertminderung nach objektiven Gesichtspunkten ziffernmäßig festzusetzen und daher diesbezüglich eine Leistungsklage schon jetzt möglich. Im Begehren des Klägers auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der aus der Errichtung des Reihenhauses im Bauwich zum angrenzenden Grundstück erwachsenden, also künftigen Schäden und Nachteile komme zum Ausdruck, daß dem Kläger bisher ein Schaden nicht erwachsen sei. Das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis müsse in der Gegenwart bestehen. Solange sich der rechtserzeugende Sachverhalt nicht vollständig konkretisiert habe, sei eine Feststellungsklage unzulässig. Eine Schadenersatzpflicht sei nur denkbar, wenn eine Beschädigung erfolgt und ein Schaden konkret entstanden sei. Ein Mangel der dem Kläger verkauften Sache habe nicht zwangsläufig einen Schaden zur Folge. Ein Schaden sei derzeit nicht einmal dem Gründe nach gegeben. Die Feststellung der Ersatzpflicht sei nur möglich, wenn ein Schaden entstanden sei und die Entstehung künftiger weiterer Schäden nicht ausgeschlossen sei. Die begehrte Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden stelle sich in Wahrheit nur als Feststellung einzelner Tatbestandselemente einer Schadenersatzpflicht, nämlich des rechtswidrigen Verhaltens und Verschuldens, nicht aber des Schadens dar. Da ein subjektives Recht des Klägers auf Schadenersatz noch gar nicht entstanden sei, könne es auch nicht festgestellt werden. Der Kläger berufe sich zwar hilfsweise auf Gewährleistung, mache aber keine Ansprüche geltend, die aus diesem Rechtstitel abzuleiten wären. Bei dem behaupteten Anspruch handle es sich zweifellos um einen Schadenersatzanspruch. Solange ein Schaden nicht entstanden sei und Ungewißheit bestehe, ob überhaupt ein schädigendes Ereignis vorliege und ob es einen Geschädigten oder Schädiger gebe, könne die dreijährige Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnen. Die mögliche Gefahr eines späteren Schadenseintrittes reiche hiefür nicht aus. Der Eintritt eines Schadens müsse mit Sicherheit vorhersehbar sein. Die Absicht des Klägers, mit dem Eigentümer der Nachbarliegenschaft wegen des Zukaufes eines Grundstreifens in Verhandlungen zu treten, entspringe keinem rechtlichen, sondern einem wirtschaftlichen Interesse.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Infolge Revision des Klägers bestätigte der OGH das angefochtene Urteil, soweit damit die Abweisung des Begehrens auf Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei für die durch die Nichteinhaltung des Bauwiches verursachte Wertminderung bestätigt wurde, als Teilurteil; im übrigen wurden die Urteile der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung aufgehoben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zum Rekurs:
Der Rekurs ist zulässig (§ 519 Z. 2 ZPO), aber nicht berechtigt.
Für die Beurteilung, ob die Kosten eines vor oder während des Prozesses eingeholten Privatgutachtens sogenannte vorprozessuale Kosten und daher als Prozeßkosten zu behandeln sind oder ob sie einen selbständigen Schadenersatzanspruch darstellen, ist entscheidend, ob sie zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in diesem Prozeß dienen oder nicht (ZVR 1960, 314 u.a.). Nach den Prozeßbehauptungen des Klägers war die Erstellung der Vermessungsurkunde, deren Ersatz aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt wird, "unbedingte Voraussetzung zur Klärung der lokalen Situation", wobei die Beklagte vor diesem Gutachten die Ordnungsmäßigkeit des Baues behauptet habe. Der vom Kläger beigezogene Sachverständige stellte das behauptete schädigende Ereignis, nämlich die Nichteinhaltung des gesetzlichen Seitenabstandes des Hauses zum Nachbargrund, nicht aber den angeblichen Schaden fest. Bei den Kosten dieser Vermessungsurkunde handelt es sich auch nicht um die Kosten der Schadensbehebung. Vielmehr diente die Erstellung der Vermessungsurkunde, wie die Berufungsinstanz richtig erkannt hat, der Sammlung des Prozeßstoffes zur Vorbereitung des angestrengten Rechtsstreites mit dem Begehren auf Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten. Dem Einwand des Klägers, daß für die Unterstellung vorprozessualer Kosten unter § 41 ZPO die Anhängigkeit eines Rechtsstreites bezüglich der Hauptforderung erforderlich sei, ist entgegenzuhalten, daß es sich bei diesem Rechtsstreit nicht um einen solchen über ein Leistungsbegehren handeln muß. Im übrigen ist es nicht richtig, daß eine Leistungsklage mangels eines ziffernmäßig noch nicht zu benennenden Schadens nicht möglich wäre. Wenn das Wohnungseigentum des Klägers durch die Nichteinhaltung des Seitenabstandes nach §§ 76, 79 der Bauordnung für Wien tatsächlich eine Wertminderung erfahren hat, dann ist diese bereits eingetreten und, wie dem Berufungsgericht beizupflichten ist, nach objektiven Gesichtspunkten ziffernmäßig bestimmbar. Es fehlt daher auch aus diesem Gründe nicht an einem mit Leistungsklage verfolgbaren Hauptanspruch. Die Kosten der Vermessungsurkunde sind deshalb vorprozessuale Kosten, die - ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit vorausgesetzt - nur als Prozeßkosten geltend gemacht werden können.
Das Berufungsgericht hat somit die Zulässigkeit des Rechtsweges hinsichtlich dieser Kosten mit Recht verneint, so daß dem Rekurs der Erfolg zu versagen war.
Zur Revision:
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist nach dessen Wortlaut "Schaden und Nachteile ..... zu ersetzen .....") eindeutig die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz wegen Nichteinhaltung des in den §§ 76, 79 der Bauordnung für Wien vorgeschriebenen Seitenabstandes. Dies erhellt auch aus der beispielsweisen Anführung jener Schäden und Nachteile, die dem Kläger daraus erwachsen können. Der Kläger hat nämlich vor allem den Ersatz des Verbesserungsaufwandes im Auge, der ihm durch den Zukauf eines Teiles des Nachbargrundstückes oder durch den teilweisen Abbruch seines Hauses zwecks Beseitigung des Mangels erwachsen würde. Die Kosten einer durch mangelhafte Bauführung bedingten notwendigen Verbesserung, die der Erwerber oder Besteller selbst vornehmen läßt, sind ein adäquat verursachter und ersatzfähiger Mängelfolgeschaden; auch die Wertminderung des Hauses bildet, sofern Verbesserungen unterblieben sind, einen solchen Schaden (vgl. JBl. 1972, 205 u.a.). In der Revision ist auch nur mehr von Schadenersatz und nicht von Gewährleistung die Rede, auf die der Kläger seine Ansprüche in erster Instanz nur "vorsichtshalber" stützte.
Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß ein "Schaden" derzeit nicht einmal dem Gründe nach gegeben sei. Schaden ist nach § 1293 ABGB jeder Nachteil, der jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt wird. Es muß sich bereits um einen konkreten Schaden handeln. Die bloß theoretische Möglichkeit eines künftigen Schadeneintrittes reicht hiezu nicht aus (vgl. SZ 35/83 u.a.). Für das Entstehen eines konkreten Schadens genügt im allgemeinen, wenn dem Geschädigten Verbindlichkeiten erwachsen. Das Entstehen einer Schuld bildet eine Verringerung des Vermögens und ist sohin als Nachteil am Vermögen zu betrachten. Der Schaden entsteht nicht erst durch die Zahlung, sondern schon mit der Entstehung der Verbindlichkeit (SZ 10/320; SZ 35/83; SZ 37/168; JBl. 1966, 629 u.a.). Nun ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß im alle der behaupteten Nichteinhaltung des in den §§ 76, 79 der Bauordnung für Wien zwingend vorgeschriebenen Seitenabstandes des Hauses vom Nachbargrund ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht erletzt ist, das den davon betroffenen Anrainer berechtigt, die Einhaltung des Seitenabstandes zu verlangen (VwGH Slg. 4653/A, 7101/A). Die erwähnten Vorschriften dienen nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch den Interessen der Nachbarschaft. Die Verpflichtung zur Beseitigung des bauordnungswidrigen Zustandes trifft die Beklagte; sie entsteht bereits mit der Verletzung des subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes und nicht erst mit der Geltendmachung des Anspruches auf Einhaltung des Seitenabstandes durch den in seinen Rechten verletzten Nachbar. Im Sinne der obigen Ausführungen zum Schadensbegriff des ABGB liegt schon im Bestand dieser Verbindlichkeit ein ersatzfähiger Schaden des Klägers, der den Wert der Liegenschaft beeinträchtigt. Wenngleich nicht auszuschließen ist, daß der Anrainer den behaupteten Eingriff in seine Nachbarrechte, falls er von diesem Kenntnis erlangt, toleriert, so kann doch nicht gesagt werden, daß bloß die theoretische Möglichkeit eines künftigen Schadenseintrittes bestehe. Hat die durch die angebliche Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte entstandene Verbindlichkeit zur Beseitigung des bauordnungswidrigen Zustandes eine Wertminderung des Wohnungseigentums des Klägers zur Folge, dann ist diese entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes bereits eingetreten und kann daher mit Leistungsklage geltend gemacht werden.
Die Lehre vertritt den Standpunkt, daß die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden an und für sich unzulässig ist (Fasching III, Anm. 21 zu § 228 ZPO). Die Rechtsprechung ist von dieser strengen Auffassung, einem praktischen Bedürfnis folgend, abgerückt und hat solche Klagen zugelassen, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß zumindest bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung ein Schaden bereits eingetreten ist und die Möglichkeit künftiger weiterer Schäden aus dem bereits eingetretenen Schadensereignis nicht ausgeschlossen werden kann. Damit wird der Notwendigkeit vorgebeugt, in einem weiteren Verfahren die Verschuldensfrage neuerlich aufrollen zu müssen; überdies kann der Eintritt der Verjährung vermieden werden (s. die bei Michlmayr-Stohanzl, MGA ZPO13 zu § 228 ZPO unter E 17 angeführten Entscheidungen). Ist ein Schaden durch Wertminderung des Wohnungseigentums des Klägers bereits eingetreten, dann kann dem Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz eines darüber hinausgehenden künftigen Schadens nicht abgesprochen werden. Im Falle der Durchsetzung des subjektiv-öffentlichen Rechtes auf Einhaltung des in der Bauordnung für Wien vorgeschriebenen Mindestseitenabstandes durch zumindest teilweise Abtragung und Neuaufführung des Wohnungseigentumshauses würden dem Kläger, wie dem Berufungsgericht beizupflichten ist, zweifellos immense Vermögensnachteile entstehen. Die mit der teilweisen Abtragung und Neuerrichtung des Hauses verbundenen Kosten würden eine allfällige Wertminderung nicht unbeträchtlich übersteigen. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist daher grundsätzlich zu bejahen, wenn eine Wertminderung eingetreten ist, was mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen derzeit nicht beurteilt werden kann. Die Untergerichte haben weder den Seitenabstand noch die für ein von der Beklagten zu vertretendes Verschulden der Baufirma H und St. und dessen Grad maßgebenden tatsächlichen Umstände festgestellt. Es bedarf vor allem der Feststellung des Ausmaßes der Unterschreitung des gesetzlichen Mindestseitenabstandes, um beurteilen zu können, ob einem Verlangen des Nachbars auf Herstellung des dem Gesetz entsprechenden' Seitenabstandes allenfalls das Schikaneverbot entgegenstünde und dadurch ein Schadenersatzanspruch des Klägers ausgeschlossen wäre.
Feststellungen in der aufgezeigten Richtung sind allerdings nur dann erforderlich, wenn sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die im Punkt XII des Kaufvertrages getroffene Vereinbarung berufen kann, daß der Verkäuferin gegenüber kein Gewährleistungsanspruch und kein Schadenersatzanspruch des Käufers besteht. Nach § 24 Abs. 1 Z. 4 des WEG 1975 sind Vereinbarungen oder Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder zu beschränken, wie insbesondere Vereinbarungen über Beschränkungen der nach den §§ 918 bis 921, 932 und 934 des ABGB zustehenden Rechte unwirksam. Eine unzulässige Vereinbarung im Sinne dieser Bestimmung ist unter anderem das Abdingen der Gewährleistungspflicht des Wohnungseigentumsorganisators für Leistungen von Professionisten mit dem Argument, es handle sich um Leistungen Dritter, für die der Wohnungseigentumsorganisator nicht einzustehen brauche, sowie eine Vereinbarung, derzufolge sich der Wohnungseigentumsorganisator ausbedingt, daß er den Anspruch auf Verbesserung oder Nachtrag des Fehlenden, der gegen ihn besteht, dadurch erfüllt, daß er seinerseits seine Ansprüche gegen die Handwerker an den Wohnungseigentümer abtritt (Faistenberger, Komm. z. WEG 1975, 725 f.; MietSlg. 29 519/21). Dieselben Erwägungen gelten auch für die Schadenersatzpflicht im Zusammenhang mit Gewährleistungsmängeln.
Wer sich auf eine der im § 24 Abs. 1 Z. 1 bis 5 WEG 1975 aufgezählten "verdächtigen" Vertragstypen stützt, den trifft die Beweislast, daß der Vereinbarung im Anlaßfall keine Beschränkungseignung zukommt (Faistenberger a.a.O., 703; Meinhart, WEG 1975, 198; MietSlg. 29 519/21). Die Beweispflicht trifft also diesbezüglich die Beklagte.
Nach § 29 Abs. 2 WEG 1975 erfaßt das neue vertragliche Schutzrecht der §§ 23 ff. dieses Gesetzes grundsätzlich auch schon bestehende Vereinbarungen und Abreden (MietSlg. 29 521/12; MietSlg. 28 501/15 u.a.).
Der Einwand der Beklagten, daß sich der Kläger wegen des Neuerungsverbotes nicht auf die angebliche Unwirksamkeit der erwähnten Vereinbarung nach § 24 Abs. 1 Z. 4 WEG 1975 berufen könne, ist nicht stichhältig. Der Revisionsgegnerin ist zwar zuzugeben, daß die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit einer Vereinbarung grundsätzlich nicht von Amts wegen zu beachten ist, namentlich wenn eine zugunsten eines bestimmten Personenkreises getroffene Schutznorm verletzt worden sein sollte. In diesem Fall kann nach nunmehr einhelliger Auffassung lediglich der durch diese Norm Geschützte die Ungültigkeit eines Vertrages wegen Verletzung einer Schutznorm geltend machen (MietSlg. 25 076 und die dort angeführte Literatur). Zur Geltendmachung der vom Gesetz ausdrücklich und bestimmt verfügten Unwirksamkeit einer Vereinbarung genügt nach der Rechtsprechung allerdings regelmäßig schon die aus welchem Gründe immer erfolgte Bekämpfung eines aus dieser Vereinbarung abgeleiteten Anspruches (MietSlg. 25 076 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Kläger hat bereits im Verfahren erster Instanz die Ungültigkeit der Vereinbarung, wonach Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche gegen die Verkäuferin der Eigentumswohnung ausgeschlossen sein sollen behauptet und geltend gemacht. Er hat im wesentlichen auch die Tatsachen vorgebracht, aus denen sich die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 Z. 4 WEG 1975 ergibt. Das Neuerungsverbot steht einer Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei bzw. der Geltendmachung eines neuen Gesichtspunktes bei der rechtlichen Beurteilung im Rechtsmittelverfahren nicht entgegen, sofern die hiefür erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden (SZ 37/151; JBl. 1966, 471; MietSlg. 22 070 u.a.). Es schadet daher dem Kläger nicht, daß er die Ungültigkeit der Vereinbarung in erster Instanz nicht auf die erwähnte Bestimmung des WEG 1975, sondern auf den § 879 ABGB gestützt hat.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß das angefochtene Urteil wegen der aufgezeigten Feststellungsmängel in dem aus dem Spruche ersichtlichen Umfange aufzuheben ist. Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, ist auch mit der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles im angegebenen Umfang vorzugehen und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Wertminderung könnte, wie bereits dargelegt wurde, mit Leistungsklage geltend gemacht werden. Insoweit fehlt es daher an dem nach § 228 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, weshalb das angefochtene Urteil in diesem Umfange als Teilurteil zu bestätigen war.
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