Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am 11.11.1899 geborene Rudolf E*** hat in einem Testament vom 17.2.1982 seinen Sohn Dipl.Ing. Rudolf E*** zum Erben eingesetzt und Vermächtnisse bestimmt. In einem Nachtrag vom 11.2.1983 vermachte er Hildegard S*** unter anderem alle Fahrnisse in der Linzer Wohnung, sowie die in dieser Wohnung allenfalls vorhandenen Sparbücher. Er starb am 31.1.1986. Das Erstgericht hat am 10.4.1986 die vom Sohn, der die Gültigkeit der letztwilligen Anordnungen vom 17.2.1982 und 11.2.1983 wegen des Mangels der Besonnenheit des Erblassers bestreitet (§ 566 ABGB), auf Grund des Gesetzes zum ganzen Nachlaß abgegebene Erbserklärung angenommen und ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses eingeräumt.
Am 15.10.1986 wies das Erstgericht den Antrag des Sohnes, Hildegard S*** die Herausgabe von fünf in ihrer Verwahrung befindliche Sparbüchern (VKB-V*** Nr.70.035.696 und Nr.60.052.115; B*** FÜR A*** UND W*** Aktiengesellschaft Nr.49620-103-526 und Nr.49620-103-550; O*** B*** FÜR O*** UND S*** Nr.613-0539/17 aufzutragen und die Sperre zu verfügen, mit der Begründung ab, daß die Voraussetzungen des § 45 AußStrG fehlten.
Dem nur gegen die Abweisung des Antrags auf Sperre der Sparbücher gerichteten Rekurs des Sohnes gab das Rekursgericht am 21.8.1987 Folge und ordnete die abhandlungsgerichtliche Sperre der Sparbücher an.
Hildegard S*** erhob gegen die Verlassenschaft zu
AZ 9 Cg 404/86 beim Landesgericht Linz eine Klage, deren Begehren unter anderem auf Einwilligung in die Freilassung der fünf gesperrten Sparbücher zugunsten der Klägerin gerichtet ist. Sie behauptete, sie habe die Sparbücher in ihrem Besitz, könne aber wegen deren (noch im Verfahren 4 SW 32/87 des Bezirksgerichtes Linz zur Beigebung eines Sachwalters für den Erblasser angeordneter) Sperre darüber nicht verfügen. Das Vermächtnis dieser Sparbücher sei sofort fällig. Die Verlassenschaft hält dem Begehren die Rechtsunwirksamkeit der Vermächtnisanordnung entgegen. Die Verlassenschaft erhob gegen Hildegard S*** zu
AZ 9 Cg 413/86 des Landesgerichtes Linz Klage auf Herausgabe der fünf Sparbücher. Hildegard S*** trat dem Begehren mit den Einwänden entgegen, sie habe die ihr vermachten Sparbücher schon vor dem Tod des Erblassers in ihrem Besitz gehabt, die Sparbücher seien in der Gewahrsame ihres Rechtsanwaltes, sie habe die Bücher nicht inne und der Verlassenschaft stehe ein Herausgabeanspruch nicht zu. Am 14.1.1987 erließ das Finanzamt Linz gegen Hildegard S*** als Drittschuldnerin eine Pfändungsverfügung, wonach wegen einer Abgabenforderung von S 362.531,- der Anspruch der Verlassenschaft auf Herausgabe der in ihrer Gewahrsame befindlichen fünf Sparbücher gepfändet und ihr die Herausgabe an den Abgabenschuldner verboten wird.
Am 11.3.1987 beantragte der Sohn mit dem Hinweis, daß die Abweisung des auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Anordnung der gerichtlichen Hinterlegung und Sperre der Sparbücher gerichteten Antrages der Verlassenschaft im Herausgabeprozeß gegen Hildegard S*** in zweiter Instanz bestätigt wurde (Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 28.1.1987 zu 6 R 21,22/87) und bedeutende Abgabenverbindlichkeiten der Verlassenschaft zu erfüllen seien, Hildegard S*** oder ihrem früheren Vertreter Dr. Erich S*** oder ihrem nunmehrigen Rechtsanwalt Dr. Josef L*** aufzutragen, die fünf Sparbücher herauszugeben, hilfsweise aber die Sparbücher dem Gerichtskommissär oder dem Verlassenschaftsgericht herauszugeben.
Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Die eigenmächtige Ergreifung des Besitzes an den Sparbüchern durch Hildegard S***, deren Ansprüche als Vermächtnisnehmerin bestritten und erst im Rechtsstreit durchgesetzt werden müßten, sei durch das Gesetz nicht gedeckt und ein Herausgabeanspruch der Verlassenschaft wohl gegeben. Das Abhandlungsgericht jedoch dürfe dem Verwahrer von Nachlaßsachen nicht deren Herausgabe auftragen. Der Herausgabeanspruch sei vielmehr im Prozeß durchzusetzen. Dieser Rechtsstreit sei bereits anhängig.
Das Rekursgericht hob über Rekurs des Sohnes den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes auf. Es erteilte dem Erstgericht den Auftrag, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich zu entscheiden. Das Rekursgericht führte dazu aus, die Legatarin könne Eigentumsansprüche nicht behaupten, weil sie nur einen obligatorischen Anspruch auf Verschaffung vermachter Sachen gegen den Nachlaß (nach Einantwortung gegen den Erben) habe. Dem Abhandlungsgericht stehe die Befugnis zu, einem Dritten, der sich eigenmächtig in den Besitz von Nachlaßgegenständen gesetzt habe, deren Rückstellung aufzutragen, weil über Besitzfragen das Abhandlungsgericht zu entscheiden habe. Es stehe daher Streitanhängigkeit nicht entgegen, wenn im Prozeß der auf Eigentum gestützte Herausgabeanspruch verfolgt werde, hier aber nur die eigenmächtige Besitzergreifung durch die Dritte, die einen Vermächtnisanspruch behaupte, zu beurteilen sei. Diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz bekämpft Hildegard S*** mit ihrem Rekurs an den Obersten Gerichtshof, mit dem sie die Wiederherstellung des Zurückweisungsbeschlusses des Erstgerichtes, zumindest aber die Abänderung in die Antragsabweisung anstrebt und behauptet, daß ihr "Eigentum" an den Sparbüchern zustehe, weil ihr der Erblasser die Sparbücher noch vor seinem Ableben mit Bekanntgabe der Losungswörter übergeben und ihr Besitz verschafft habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Da das Erstgericht an die Rechtsansicht des Rekursgerichtes gebunden wäre, liegt schon in der Behebung des eine Sachentscheidung ablehnenden Beschlusses des Erstgerichtes ein Eingriff in die rechtlich geschützte Position der Rekurswerberin als Legatarin, die über die Sparbücher verfügt.
Das Rekursgericht hat ohne Rechtsirrtum erkannt, daß der anhängige Rechtsstreit um die Herausgabe der Sparbücher einer lediglich auf den Besitzstand abstellenden vorläufige Entscheidung des Abhandlungsgerichtes nicht entgegensteht, sodaß die Erlassung des Auftrages zur Zurückstellung von Nachlaßgegenständen, in deren Besitz sich ein Dritter oder Legatar eigenmächtig gesetzt hat, dem Verlassenschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen obliegt, wenn die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die bloße Behauptung der Legatarin, der Erblasser habe ihr die Sparbücher noch vor seinem Tod mit Bekanntgabe der Losungswörter übergeben - und sie ihr letztwillig vermacht - ,reicht, soweit es sich dabei nicht sogar um eine im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof unzulässige Neuerung handelt, für sich allein nicht aus, eine Beschlußfassung des Außerstreitrichters im Verlassenschaftsverfahren auszuschließen, weil durch eine solche Übergabe der Bücher Eigentum nicht erworben worden wäre (vgl. EFSlg 37.442; RZ 1968, 110 ua.). Wer eigenmächtig Nachlaßgegenstände in Besitz genommen hat, kann vom Abhandlungsgericht zur Herausgabe verhalten werden, falls dies zur Nachlaßsicherung geboten ist (GlU 6.304; GlUNF 7299; ZBl 1917/98). Ob vom Außerstreitrichter im vorliegenden Fall ein solcher Auftrag zu erlassen sein wird, kann vor Feststellung der erheblichen Tatsachen nicht beurteilt werden. Daß sich die Legatarin auf eine letztwillige Anordnung stützt, deren Gültigkeit bestritten ist, reicht allein zur Abwendung des Anspruchs der Verlassenschaft auf Wiederherstellung des Besitzes nicht aus.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)