OGH 3Ob560/87 (3Ob561/87)

OGH3Ob560/87 (3Ob561/87)23.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Bauer als Richter in den verbundenen Rechtssachen jeweils der klagenden Partei Adolf O***, Werkschutzmann, 4850 Timelkam, Stelzhamerstraße 34/12, vertreten durch Dr. Erich Aichinger und Dr. Harald Fahrner, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wider die beklagten Parteien 1. Helene K***, Pensionistin, und 2. Helmut K***, Pensionist, beide 4840 Vöcklabruck, Auerstraße 3 und vertreten durch Dr. Christian Rumplmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Räumung einer Wohnung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 22. April 1987, GZ R 1068,1069/86-15, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 13. Juni 1986, GZ 3 C 26/86-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 2.490,18 (darin S 226,38 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und seine geschiedene Ehefrau Christine O*** sind je Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 524 KG Vöcklabruck mit dem Einfamilienhaus in der Auerstraße 3 in Vöcklabruck. In diesem Haus wohnen die erstbeklagte Mutter und der zweitbeklagte Bruder der geschiedenen Frau des Klägers.

Mit den am 12. März 1986 eingebrachten Klagen begehrt der Hälfteeigentümer der Liegenschaft von der Erstbeklagten die Räumung der von ihr im Erdgeschoß bewohnten beiden Räume an der Westseite und vom Zweitbeklagten die Räumung des von ihm bewohnten Zimmers an der Südostseite des Erdgeschoßes des Hauses. Die Beklagten benützten diese Räume des Hauses ohne Rechtstitel.

Die Beklagten traten den Begehren entgegen. Der Kläger habe der Erstbeklagten versprochen, sie könne auf Lebenszeit im Haus wohnen. Der Zweitbeklagte habe vor 20 Jahren das Zimmer gemietet und zahle monatlich S 500,-- Mietzins.

Das Erstgericht hat die Prozesse zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und den Räumungsbegehren stattgegeben. Es ging von den folgenden Feststellungen aus:

Der Kläger und seine Frau errichteten auf einem Grundstück der Eltern der Frau, auf dem diese schon einen Keller geschaffen hatten, ein zweigeschoßiges Einfamilienhaus, dessen Erdgeschoßräume sie 1953 oder 1954 bezogen. Vorgesehen war, daß die Eltern der Tochter und dem Schwiegersohn das Grundstück gegen ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht in bestimmten Räumen übereignen. Schließlich verkaufte am 3. September 1956 die Erstbeklagte der Tochter und dem Schwiegersohn die Liegenschaft EZ 524 KG Vöcklabruck mit dem Grundstück 286/11, auf welchem die Käufer das Haus errichtet hatten. Von der Einräumung des Wohnungsrechtes wurde Abstand genommen. Der Kläger und seine Frau sind seit 1957 zu gleichen Teilen Eigentümer der Liegenschaft mit dem Haus. Nachdem sie ins Obergeschoß übersiedelt waren und im Erdgeschoß Räume frei wurden, sprach die Ehefrau mit dem Kläger, daß sie die Eltern, die nicht weit entfernt in einer Mietwohnung lebten, ins Haus nehmen sollten. Dies taten die Eheleute zunächst gegen Entgelt. Die Eltern der Frau zogen 1959 in das Haus, wohnten in zwei Räumen im Erdgeschoß und bezahlten ein halbes Jahr lang das mit S 150,-- monatlich vereinbarte Entgelt. Daß dann keine weiteren Zahlungen erfolgten, beanstandete der Kläger nicht, weil er mit seiner Frau nicht streiten wollte. Am 20. Juli 1964 verkaufte der Vater der Frau dieser und dem Kläger je zur Hälfte die Liegenschaft EZ 402 KG Vöcklabruck mit den Grundstücken 286/12 Garten und 626 Baufläche. Diese Grundstücke gehören jetzt zum Gutsbestand der EZ 424 KG Vöcklabruck. Der Kläger zahlte allein den Kaufpreis. Im Jahr 1967 zog der Zweitbeklagte in ein Zimmer im Erdgeschoß des Hauses. Der Kläger und seine Frau sagten ihm zu, daß er dort vorläufig wohnen könne. Es kam weder ein Mietvertrag noch die Einräumung eines Wohnungsrechtes zustande. Es wurde auch nicht vereinbart, wie lange der Zweitbeklagte im Haus wohnen dürfe. Das vom Zweitbeklagten benützte Zimmer hat einen eigenen Eingang und wird nur zum Übernachten benützt. Sonst lebt der am 7. März 1922 geborene Zweitbeklagte im Haushalt der am 8. Jänner 1904 geborenen Erstbeklagten, weil sein Zimmer weder über eine Wasserentnahmestelle noch eine Kochgelegenheit verfügt. Den seit 1970 an sie gerichteten Aufforderungen des Klägers, das Haus zu verlassen, kamen die Beklagten nicht nach.

Das Erstgericht war der Rechtsmeinung, der Kläger habe aus Rücksicht auf die Interessen seiner Ehefrau deren Eltern gestattet, eine Zeit lang im Haus zu wohnen, doch sei weder ausdrücklich noch stillschweigend ein Wohnungsrecht eingeräumt oder ein Mietvertrag geschlossen worden. Auch mit dem Zweitbeklagten bestehe kein Bestandverhältnis. Der Hälfteeigentümer könne daher von den Beklagten, die die Liegenschaft ohne Rechtstitel benützten, die Räumung verlangen.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Beklagten das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, in jedem der beiden Rechtsstreite S 15.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht meinte auf der Grundlage der unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellungen in seiner rechtlichen Beurteilung, die Beklagten hätten dem auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehren des Hälfteeigentümers entgegengehalten, daß ihnen ein vertraglich eingeräumtes Recht zur Benützung der Räume zustehe. Nach dem festgestellten Sachverhalt hätten sie zumindest auf Grund einer Bittleihe das Recht zum Wohnen im Haus, selbst wenn man den Widerspruch in den erstgerichtlichen Feststellungen unbeachtet lasse. Wenn gegen Entgelt Räume zur Benützung überlassen wurden und einige Zeit auch ein monatliches Entgelt geleistet wurde, so liege doch ein Bestandvertrag vor. Zumindest hätten die Miteigentümer der Erstbeklagten und ihrem Mann gestattet, bis auf Widerruf im Haus Wohnung zu nehmen. Gleiches gelte für den Zweitbeklagten. Beide Beklagten könnten dem Räumungsbegehren des Klägers das durch Bittleihe begründete Vertragsverhältnis entgegenhalten. Als Hälfteeigentümer könne der Kläger allein den jederzeit zulässigen Widerruf des Prekariums nicht erklären; er bedürfe der Mitwirkung der Miteigentümerin, habe aber nicht vorgebracht, daß der Bittleihvertrag wirksam durch die Mehrheit der Anteilseigentümer beendet wurde. Daher fehle dem Kläger die Aktivlegitimation, weil der nicht über mehr als die Hälfte der Anteile verfügende Miteigentümer nur gegen den titellosen Benützer der gemeinschaftlichen Sache vorgehen könne. Die Revision sei nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage des amtswegigen Aufgreifens des Mangels der Aktivlegitimation fehle und auch zur Frage, mit welcher Mehrheit ein Prekarium widerrufen werden könne, keine ständige und einheitliche Rechtsprechung vorhanden sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich der Kläger mit seiner Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung und Wiederherstellung der erstrichterlichen Entscheidung.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach dem § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sind gegeben, weil die Entscheidung von der Lösung der Rechtsfrage abhängt, ob die Beklagten das Räumungsbegehren des Hälfteeigentümers auch abwehren können, wenn ihr Einwand, sie hätten ein Wohnungsrecht oder ein Bestandrecht an dem zu räumenden Objekt, nicht durchdringt, aber ein schlüssig zustande gekommener Bittleihvertrag in Betracht kommt und ein wirksamer Widerruf durch den Kläger nicht dargetan ist. Dieser Frage kommt erhebliche Bedeutung im Sinne der erwähnten Prozeßvorschrift zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt, weil das Urteil des Berufungsgerichtes nicht auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung beruht.

Ein Hälfteeigentümer kann zwar gleich dem Minderheitseigentümer unberechtigte Eingriffe in das Eigentumsrecht auch allein abwehren, ohne der Mitwirkung seiner Teilhaber zu bedürfen, wenn er damit im Interesse der Gemeinschaft gegen eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums vorgeht (SZ 48/62; EvBl 1981/83; MietSlg 37.039). Der Hälfteeigentümer besitzt daher einen Räumungsanspruch gegen den, der das Haus oder einzelne Räume benützt, sich aber nur auf einen mit dem anderen Hälfteeigentümer abgeschlossenen Mietvertrag stützt, der mangels einer ausdrücklichen oder stillschweigend erklärten Zustimmung des anderen Miteigentümers wegen Fehlens der auch für die ordentliche Verwaltung der gemeinsamen Sache geforderten Mehrheit der Teilhaber diesen nicht bindet (vgl. SZ 45/49). Hat aber der zweite Miteigentümer einem mit einem Hälfteeigentümer begründeten Wohnverhältnis schlüssig zugestimmt, kann er die übernommenen Verpflichtungen nicht einseitig und ohne Zustimmung seines Teilhabers an der gemeinschaftlichen Sache lösen. Vielmehr haben bei Stimmengleichheit der Miteigentümer bis zu einer Entscheidung des Außerstreitrichters Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung zu unterbleiben, wenn sich dafür keine Mehrheit findet (Koziol-Welser, Grundriß7 41; Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 11 zu § 833; MietSlg 37.039).

Die vom Hälfteeigentümer, der eine Zustimmung seiner geschiedenen Ehefrau zu der Klagsführung auf Räumung der von ihrer 83-jährigen Mutter und ihrem 65-jährigen Bruder bewohnten Zimmer im Haus nicht einmal behauptet hat, erhobene Klage hätte daher nur Erfolg haben können, wenn den auf Räumung in Anspruch genommenen Beklagten nicht der Nachweis gelungen wäre, daß sie nicht titellos, sondern auf Grund eines Vertrages im Haus wohnen. Letzteres haben sie behauptet. Das Erstgericht hat auch festgestellt, daß beide Hälfteeigentümer sowohl der Erstbeklagten als auch dem Zweitbeklagten zumindest bis auf Widerruf das Wohnen im Haus und daher bittleihweise gestatteten. Damit aber ist ein Vertragsverhältnis vorhanden, denn auch die Bittleihe (Prekarium) ist ein Leihvertrag, bei dem der Verleiher die Sache allerdings nach Willkür zurückfordern kann (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 974;

Stanzl in Klang2 IV/1, 683; Koziol-Welser7 I 316; SZ 54/43;

MietSlg 31.127). Das aus dem Bittleihvertrag gewährte Benützungsrecht an der Sache endet nicht schon dadurch, daß einer der mehreren Verleiher einer gemeinsamen Sache vom Widerrufsrecht Gebrauch macht. Zum Widerruf ist vielmehr wegen des Vertragscharakters auch der Bittleihe zumindest die Mehrheit erforderlich (SZ 54/43; ob nur sämtliche Miteigentümer das Prekarium gemeinsam widerrufen können, ist hier nicht zu erörtern), weil die Regeln über die Eigentumsgemeinschaft gelten (vgl. MietSlg 37.039). Es handelt sich also in Wahrheit nicht darum, daß dem Kläger als bloß zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft die Legitimation zur Klagsführung fehlt, sondern er ist grundsätzlich wie auch ein Minderheitseigentümer berechtigt, mit Räumungsklage gegen titellose Benützer vorzugehen (Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 829; Klang in Klang2 II 602; SZ 54/43). Wie das zur umfassenden rechtlichen Beurteilung verpflichtete und daher nicht an den Vortrag der Beklagten gebundene Berufungsgericht dann aber zutreffend erkannte, muß der Kläger daran scheitern, daß die auf Räumung in Anspruch genommenen Beklagten nach dem festgestellten Sachverhalt nicht ohne Rechtstitel im Haus wohnen, sondern sich (zumindest) auf den bisher nicht wirksam aufgelösten Bittleihvertrag stützen können. Daß sie ihr Benützungsrecht als Wohnrecht bzw. Mietrecht bezeichnet haben, ändert daran nichts. Die Klage ist nicht etwa auf Feststellung gerichtet, daß der Erstbeklagten kein Wohnungsrecht und dem Zweitbeklagten kein Mietrecht zustehe, sondern auf Räumung mangels jeden Titels. Dieser Anspruch besteht nicht, wenn nach dem festgestellten Sachverhalt ein vertragliches Recht zur Benützung bei Schluß der Verhandlung in erster Instanz aufrecht ist. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt nach § 4, § 10 Z 2 lit c und § 12 Abs 1 Satz 2RATG S 12.000,--.

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