OGH 3Ob55/16h

OGH3Ob55/16h27.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der D*****, geboren am ***** 1985, *****, vertreten durch ihren Sachwalter Dr. Harald Pohlhammer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Umbestellung des Sachwalters, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des neuen Sachwalters Dr. W*****, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 3. Februar 2016, GZ 15 R 196/15x‑137, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00055.16H.0427.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Revisionsrekurswerber zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

2. Der Oberste Gerichtshof hat die (auch) vom Rechtsmittelwerber erhobenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Pflicht eines Rechtsanwalts, eine Sachwalterschaft zu übernehmen, schon mehrfach verworfen (RIS‑Justiz

RS0123296). Die besonderen Vorschriften für die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Sachwalter verstoßen weder gegen Art 4 MRK noch gegen den Gleichheitsgrundsatz (RIS‑Justiz

RS0048950 [T3]; zuletzt 7 Ob 194/15b).

3. Nach dem klaren Wortlaut des § 274 Abs 2 ABGB müssen Rechtsanwälte Sachwalterschaften grundsätzlich übernehmen. Ablehnungsgründe sind in erster Instanz konkret geltend zu machen. Behauptungen über eine nicht näher konkretisierte Arbeitsbelastung reichen nicht. Nur eine konkrete individuelle und extreme berufliche Belastung führt zur Unzumutbarkeit (RIS‑Justiz RS0123440 [T6]). Lediglich verbalaggressives Verhalten der behinderten Person ‑ wie jene Vorfälle, die Gegenstand der Strafverfahren gegen die Betroffene waren ‑ bewirkt noch nicht die Unzumutbarkeit der Übernahme der Sachwalterschaft für einen Rechtsanwalt (1 Ob 32/13g mwN; RIS‑Justiz RS0123572).

Ob die im Einzelfall vorgetragenen Argumente des Rechtsanwalts, welche seiner Ansicht nach die Übernahme der konkreten Sachwalterschaft unzumutbar machen, im Einzelfall gerechtfertigt sind, wirft grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage nach § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS‑Justiz RS0123440 [T9]). Es bildet keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Rekursgericht die vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführten Ablehnungsgründe, wonach er täglich zehn bis zwölf Stunden arbeite, Familienvater sei und es sich bei der Betroffenen wegen der von ihr gegen den bisherigen Sachwalter häufig ausgesprochenen Drohungen um eine „höchst gefährliche Person“ handle, nicht als berücksichtigungswürdig ansah.

4. Dass auch ein Rechtsanwalt zum Sachwalter bestellt werden kann, der das Alter, bis zu dem seine Arbeitspflicht im Lichte der Altersversorgung nach § 50 RAO besteht, bereits hinter sich hat (5 Ob 70/12y), ändert nichts daran, dass die Auswahl von geeigneten Sachwaltern Sache der unabhängigen Gerichte ist, weshalb eine iSd § 86 Geo geführte Liste nur als Vorschlag anzusehen ist (RIS‑Justiz RS0129266, RS0123440 [T10]). Schon aus diesem Grund begegnet es keinen Bedenken, dass die Vorinstanzen nicht den nach dieser Liste an erster Stelle stehenden Rechtsanwalt zum Sachwalter bestellten, weil dieser noch heuer emeritieren wird.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte