OGH 3Ob550/81

OGH3Ob550/814.11.1981

SZ 54/155

Normen

ABGB §877
ABGB §891
ABGB §1435
ABGB §877
ABGB §891
ABGB §1435

 

Spruch:

Mehrere aus einem aufgehobenen Rechtsgeschäft bereicherte Schuldner haften im Rahmen der Rückabwicklung nicht solidarisch

OGH 4. November 1981, 3 Ob 550/81 (LG Innsbruck 3 R 173/81; BG Hopfgarten C 130/77 )

Text

Mit Vertrag vom 20. November 1975 vermieteten der Beklagte und seine Ehegattin Theresia H die ihnen je zur Hälfte gehörende Hütte in H an den Kläger. Die Mietdauer war für die Zeit vom 1. Jänner 1976 bis 1. Jänner 1979 vereinbart. Der Mietzins betrug jährlich 2000 DM. Es war vereinbart, daß "von den Mietern" für Eigenleistungen an oder in der Hütte keine Ablöse gefordert werden könne.

Der Kläger bezahlte für die Zeit vom 1. Jänner 1976 bis 30. Juni 1976 7100 S (= 1000 DM) Mietzins und leistete - im wesentlichen noch im Jahr 1975 Investitionen von zusammen 34 301.66 S. Mit einem vom Rechtsfreund des Klägers verfaßten Schreiben an den Beklagten vom 15. März 1977 erklärte der Kläger die sofortige Vertragsauflösung mit der Begründung, die Marktgemeinde H habe einen Abbruchbescheid hinsichtlich der vermieteten Hütte erlassen und untersage insbesondere deren Vermietung; außerdem werde dem Kläger seit 20. April 1976 durch einen Grundnachbarn der Zugang zur Hütte verwehrt; seit 20. April 1976 schulde der Kläger aus diesem Grund auch keinen Mietzins mehr.

Der Kläger begehrte vom Beklagten den Ersatz der Kosten der von ihm geleisteten Investitionen und des von ihm für die Zeit vom 20. April bis 30. Juni 1976 schon entrichteten anteiligen Mietzinses in der von ihm bezifferten Höhe von zusammen 37 940.42 S samt 9.5% Zinsen seit 1. April 1977. Er stütze die Klage auf die nicht mehr mögliche und zumutbare Nutzung und behauptete, daß der Beklagte für den Klagsbetrag zur ungeteilten Hand mit seiner Ehegattin deshalb hafte, weil er für diese alle Verhandlungen geführt habe. Der im Vertrag vorgesehene Verzicht auf eine Ablöse von Aufwendungen habe nur für den Fall gegolten, als der Kläger die Hütte zumindest für die vereinbarten drei Jahre benützen hätte können. Da der Beklagte in Kenntnis der Unerlaubtheit der Vermietung ohne entsprechende Aufklärung des Klägers den Mietvertrag abgeschlossen habe, treffe ihn ein Verschulden, sodaß der gesamte Klagsbetrag auch aus dem Titel des Schadenersatzes vom Beklagten geschuldet werde.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er wendete ein, daß er nur Hälfteeigentümer sei und daher der Mietvertrag nur durch eine gegenüber ihm und seiner Ehefrau ausgesprochenen Kündigung aufgelöst werden hätte können. Die Klausel über einen Ablöseverzicht sei unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses wirksam. Der Kläger habe die Hütte bisher nicht übergeben. Die von ihm genannten Gründe für eine vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses seien nicht gegeben. Aufrechnungsweise machte der Beklagte den inzwischen geschuldeten Mietzins seit 1. Juli 1976 und eine Ersatzforderung für verschiedene vom Kläger beschädigte Gegenstände geltend. Beide Vorinstanzen gingen über den eingangs erwähnten Sachverhalt hinaus im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Die Verhandlungen über die Vermietung der Hütte führte der Beklagte im teilweisen Beisein, aber ohne Beteiligung seiner Ehefrau, die jedoch alle Schritte des Beklagten billigte. Über die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft wurde der Kläger vom Beklagten nicht ausdrücklich aufgeklärt, im schriftlichen Mietvertrag wurden jedoch der Beklagte und seine Ehefrau "als Eigentümer und Vermieter" angeführt. Die vermietete Hütte hatte der Beklagte ohne Baugenehmigung errichtet. Er hatte lediglich die Zusage des Bürgermeisters, daß die Errichtung einer für landwirtschaftliche Zwecke gewidmeten Hütte sicherlich genehmigt werden würde. Am 9. Dezember 1975 stellte der Beklagte an den Bürgermeister der Marktgemeinde H ein Ansuchen um Genehmigung der "Erneuerung" seiner Hütte. Der Bürgermeister stellte bei einem Augenschein fest, daß die ohne Baugenehmigung errichtete Hütte zu knapp an der Grundgrenze stehe, kein Wasser enthalte, daß keine Möglichkeit der Abwasserentsorgung vorhanden sei und ein für Dritte rechtlich gesicherter Zugang fehle. Er erließ daher am 22. Dezember 1975 einen Abbruchbescheid, in dem er auch ein sofortiges Verbot der Vermietung der Hütte an Fremde aussprach. Der gegen diesen Bescheid vom Beklagten erhobenen Berufung gab der Gemeindevorstand mit rechtskräftigem Berufungsbescheid vom 12. September 1976 keine Folge und ordnete den Abbruch der Hütte bis längstens 31. Oktober 1979 an. Mit Schreiben vom 13. Jänner 1976 ersuchte der Beklagte den Kläger mit Rücksicht auf den Abbruchbescheid, die Hütte nicht zu benützen, was der Kläger aber mit seinem Antwortschreiben vom 22. Jänner 1976 ablehnte. Der im Mietvertrag enthaltene Verzicht auf eine Ablöse von Investitionen des Klägers wurde wegen der geringen Höhe des Mietzinses und der vereinbarten Bestandzeit vereinbart. Im Zuge des Hüttenausbaus warf der Kläger ein Streifmesser des Beklagten im Wert von 156 S ins Feuer, sonstige Beschädigungen sind nicht erwiesen.

Das Erstgericht gelangte auf Grund dieser Feststellungen zur Klagsabweisung, weil es der Ansicht war, der Kläger hätte den Beklagten und seine Ehegattin als notwendige Streitgenossin gemeinsam klagen müssen.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klagsforderung mit 37 086.74 S und die Gegenforderung mit 156 S als zu Recht bestehend erkannte und der Klage mit dem Differenzbetrag von 36 930.74 S samt 4% Zinsen seit 1. April 1977 stattgab, während das Mehrbegehren abgewiesen wurde.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß keine notwendige Streitgenossenschaft vorliege, wenn sich auch aus der Natur des Geschäftes ergebe, daß der Beklagte und seine Ehefrau dem Kläger für die Erfüllung des Mietvertrages und den Schadenersatzanspruch des Klägers solidarisch hafteten. Der Kläger habe die Vertragsauflösung gemäß § 1117 ABGB mit Recht ausgesprochen, weil er keinen Zugang zur vermieteten Hütte mehr gehabt habe. Auf irgendwelche ursprünglich nicht vorgesehene und viel umständlichere Zugangsmöglichkeiten müsse sich der Kläger nicht verweisen lassen. Der Beklagte müsse daher gemäß § 1435 ABGB den über die Zeit vom 20. April 1976 hinaus entrichteten Mietzins erstatten, da der Kläger seit 20. April 1976 gemäß § 1096 ABGB von der Entrichtung eines Mietzinses befreit sei, was für 71 Tage den Betrag von 2785.08 S ergebe. Da es auf der Hand liege, daß der Kläger den Bestandvertrag nicht geschlossen und die Investitionen nicht getätigt hätte, wenn ihm das Fehlen eines Zuganges bekannt gewesen wäre, müsse der Beklagte, den am Scheitern des Bestandvertrages auch ein Verschulden treffe, sowohl nach den Regeln über den Mietvertrag wie auch nach Schadenersatzrecht den Wert der Investitionen des Klägers in Höhe von 34 301.66 S ersetzen. Die Berechtigung der Gegenforderung von 156 S ergebe sich aus den getroffenen Feststellungen über das Verhalten des Klägers.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Berufungsgerichtes dahin ab, daß er die Klagsforderung mit 18 543.37 S und die eingewendete Gegenforderung mit 156 S als zu Recht bestehend erkannte und demgemäß den Beklagten zur Zahlung von 18 387.37 S samt Anhang verurteilte, das auf Zahlung eines weiteren Betrages von 19 583.05 S samt Anhang gerichtete Mehrbegehren aber abwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zur vorzeitigen Auflösung des Mietvertrages kam es, weil die Baubehörde die Erteilung der nachträglichen Baugenehmigung für die fragliche Hütte versagte und mit dem in Rechtskraft erwachsenden Abbruchbescheid ein sofortiges Verbot der Vermietung aussprach, mag auch für den Abbruch selbst eine Frist bis zum 31. Oktober 1979 gewährt worden sein (vgl. SZ 41/83). Dadurch trat eine dauernde rechtliche Unmöglichkeit der vom Bestandgeber geschuldeten Leistung ein (vgl. JBl. 1975, 206 oder EvBl. 1977/265), die gemäß §§ 1122, 1447 ABGB zur Auflösung des Bestandvertrages führte (JBl. 1975, 485 u. a.). Weil es in diesem Fall keiner Kündigung oder Auflösungserklärung bedarf, muß auch nicht erörtert werden, ob die von der Ehegattin des Beklagten diesem während der Verhandlungen über den Abschluß des Mietvertrages konkludent eingeräumte Vertretungsmacht auch die Entgegennahme eines Kündigungsschreibens oder einer Auflösungserklärung (Schreiben vom 15. März 1977) nur durch den Beklagten eingeschlossen hätte oder nicht.

Zu prüfen bleibt jedoch, ob der Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung des aufgelösten Bestandvertrages zur Vergütung aller Investitionen des Klägers auf die dem Beklagten und seiner Ehefrau je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft und zur Zurückstellung des gesamten im voraus bezahlten Mietzinses verpflichtet ist, weil er hiefür zusammen mit seiner Ehefrau solidarisch haftet, oder ob er nur im Verhältnis seiner Miteigentumsquote für 50% dieser Ersatzforderungen in Anspruch genommen werden kann.

Eine Solidarhaftung kann ohne besondere Vereinbarung und ohne gesetzliche Anordnung nur dann angenommen werden, wenn eine solche Haftung in der Parteiabsicht oder nach der Verkehrssitte begrundet ist (SZ 48/36 u. a.). Eine Verkehrssitte in diesem Sinne wurde etwa zugrunde gelegt, wenn mehrere Personen einen einheitlichen Auftrag erteilen (Entscheidungen Nr. 13 bis 15 zu § 891 ABGB in MGA[31]). Sonst führt gemäß §§ 889, 890 ABGB nur die Unteilbarkeit einer gemeinschaftlichen Forderung zur Solidarhaftung. Dem Berufungsgericht ist dahin beizupflichten, daß zwei Miteigentümer in diesem Sinn für die Dauer des von ihnen gemeinsam als Mitvermietern geschlossenen Mietvertrages solidarisch für die Erfüllung ihrer Bestandgeberpflichten einzustehen haben und daher bei Verletzung dieser Pflichten auch solidarisch schadenersatzpflichtig werden (im Fall der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SZ 19/100 ging es um die Haftung für eine nicht sichere Stiege). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann dies aber nicht auf den Fall der Rückabwicklung nach Auflösung eines Bestandvertrages ausgedehnt werden. Der Anspruch auf Ersatz dessen, was ein Vertragspartner aus einem aufgehobenen Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat, steht gemäß §§ 877, 1435 ABGB grundsätzlich immer nur dem Leistenden ("Geber") gegen den Empfänger zu (Wilburg in Klang[2] VI, 487, 488; Koziol - Welser[5] I, 334). Sind daher mehrere Schuldner zur gesamten Hand aus einem aufgehobenen Rechtsgeschäft bereichert worden, so haften sie für die Herausgabe der Bereicherung nicht als Solidarschuldner, sondern jeder haftet nur bis zur Höhe der ihm zugeflossenen Bereicherung (SZ 26/265; vgl. auch EvBl. 1961/222 bezüglich der Haftung von mehreren Vermietern für den Aufwand, den der Mieter gemäß § 1097 ABGB am Bestandgegenstand machte; ebenso 7 Ob 124/72). Nach Bereicherungsrecht kann daher der Kläger vom Beklagten nur die Hälfte der vorausbezahlten Miete und der getätigten Investitionen ersetzt verlangen.

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