Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung
Die Beklagte mietete mit schriftlichem Mietvertrag vom 4. Jänner 1985 eine Wohnung in einem Haus der Klägerin. § 2 und § 8 des Mietvertrages bestimmten, daß das Mietverhältnis am 1. Jänner 1985 beginnt und am 30. Juni 1985 ohne vorherige Kündigung endet. Eine Kündigungsmöglichkeit während der Mietdauer war nicht vereinbart. In § 3 des Mietvertrages war monatliche Zinszahlung vereinbart.
Mit der am 3. Dezember 1985 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Räumung.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, das Mietverhältnis sei wegen der Unterlassung der Aufforderung zur Räumung und weiteren Entgegennahme des Mietzinses nach dem 30. Juni 1985 stillschweigend in ein unbefristetes umgewandelt worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es nahm als erwiesen an, daß die Klägerin nach dem 30. Juni 1985 Mietzinszahlungen der Beklagten angenommen und diese zur Räumung erstmals mündlich im September oder Oktober 1985 und am 9. Dezember 1985 durch Zustellung der vorliegenden Klage aufgefordert habe.
Rechtlich wertete das Erstgericht das Verhalten der Klägerin dahin, daß es gemäß § 1115 ABGB die stillschweigende Verlängerung des ursprünglich auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrages bewirkt habe.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Klage ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß bei einer Verlängerung des Mietverhältnisses nach § 1115 ABGB nicht ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit entstehe. Die Verlängerung erfolge vielmehr bei der vereinbarten monatlichen Zinsperiode jeweils immer nur um einen Monat und zu den Bedingungen des ursprünglichen Mietvertrages. Unabhängig von allfälligen Räumungsaufforderungen bis zur Klagszustellung sei daher das Mietverhältnis immer nur um einen Monat auf eine Dauer von insgesamt 11 Monaten verlängert worden. Ein solcher Vertrag falle zwar unter das MRG, erlösche aber gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG durch Zeitablauf. Die Klagefrist des § 569 ZPO sei gewahrt. Die Revision ist entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung nicht verspätet, weil die beklagte Partei innerhalb der Revisionsfrist den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit Beigebung eines Rechtsanwaltes stellte, sodaß die Revisionsfrist gemäß § 505 Abs 2 ZPO i.V.m. § 464 Abs 3 ZPO erst mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn begann. Auf den Zeitpunkt der Zustellung des Berufungsurteiles an den früheren gewählten Vertreter oder der Anzeige der (hier laut ON 25 erfolgten) Beendigung des bisherigen Vollmachtsverhältnisses kommt es dabei nicht an (SZ 48/93, RZ 1987/9).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zur Auslegung des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG soweit ersichtlich bisher nur die unveröffentlichte Entscheidung 6 Ob 541/85 ergangen ist.
Die Revision ist berechtigt.
Die Regelung der Fälle des § 29 Abs 1 Z 3 lit b bis d MRG
enthält jeweils folgende Formulierung:
"Der Mietvertrag wird aufgelöst durch Zeitablauf, jedoch nur
wenn ... in einem ..... Mietvertrag ... schriftlich vereinbart
worden ist, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne
Kündigung erlischt und die ursprüngliche oder verlängerte
Vertragsdauer ... Jahr(e) nicht übersteigt."
In der hier maßgeblichen lit c beträgt die Höchstdauer ein Jahr.
Da nach den Worten "... ohne Kündigung erlischt" kein Beistrich
steht, ergibt die grammatikalische Auslegung, daß sich das Erfordernis der Schriftlichkeit nicht nur auf das Erlöschen des Mietvertrages durch den Ablauf der bedungenen Zeit, sondern auch auf das Höchstmaß der ursprünglichen oder verlängerten Vertragsdauer bezieht. Der Satz ist allerdings sprachlich nicht geglückt, weil danach (schon) im Mietvertrag schriftlich vereinbart werden müßte, daß die (erst später) verlängerte Vertragsdauer einen bestimmten Zeitraum nicht übersteigt. Man kann aber die Verlängerungsvereinbarung als einen Teil des ersten Mietvertrages oder als weiteren Mietvertrag auffassen, wodurch die Bestimmung etwa folgenden Inhalt erhält: eine Auflösung des Mietvertrages durch bloßen Zeitablauf tritt ein, wenn erstens im Mietvertrag schriftlich vereinbart worden ist, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt, und wenn zweitens entweder ohne Verlängerung die im schriftlichen Mietvertrag bestimmte Vertragsdauer oder die jeweils wiederum in einer schriftlichen Vereinbarung verlängerte Gesamtdauer des Vertrages das gesetzliche Höchstmaß nicht übersteigt.
Für dieses Ergebnis treten im Schrifttum mehrere Autoren ein, so Würth-Zingher, MRG1, § 29 Anm 19 (nicht mehr freilich, allerdings ohne gegenteilige Ausführungen, in der 2. Auflage); Würth, Diskussionsbericht, ImmZ 1982, 132 P 19; Palten, ImmZ 1983/10; Böhm-Schuster in Korinek-Krejci, HdBMRG 485 und Call-Tschütscher, MRG 303 f.
Der sechste Senat hat allerdings in der schon erwähnten Entscheidung 6 Ob 541/85 (= Entscheidung dritter Instanz zu 41 R 714/84 des Landesgerichtes für ZRS Wien, diese veröffentlicht in MietSlg. 36.241/58 und RdW 1987, 258) ausgesprochen, daß der Auflösungsgrund des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG gewahrt bleibe, wenn ein ursprünglich für die bestimmte Dauer von sechs Monaten schriftlich abgeschlossener Mietvertrag auch nur stillschweigend wieder auf bestimmte Zeit verlängert wird, sofern die Jahresfrist gewahrt bleibt. Für eine solche stillschweigende Verlängerung bleibe nämlich der Vertrag unter Fortbestand aller seiner Elemente, also auch seiner Schriftform und des unbedingten Endtermins, der nämliche. Eine andere Auslegung würde eine Verfälschung des Wesens der stillschweigenden Erneuerung des Mietvertrages bedeuten. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung nicht an. Wenn auch die Verlängerung der Vertragsdauer der Schriftform bedarf, so rechtfertigt der an sich richtige Gedanke, daß bei einer stillschweigenden Verlängerung der alte Vertrag mit allen seinen Elementen der nämliche bleibt, nicht den Schluß, daß die Verlängerungsvereinbarung nicht schriftlich erfolgen müsse. Es muß also geprüft werden, ob allenfalls die Fassung des Gesetzes (ein fehlender Beistrich in § 29 MRG) nur ein Redaktionsversehen darstellt oder was sonst noch für oder gegen die obige Wortinterpretation spricht.
Der strittige Gesetzestext geht teilweise auf die frühere Bestimmung des § 23 Abs 1 MG zurück, die i.d.F. des MRÄG lautete:
"Die Bestimmungen des § 19 finden auf Mietverträge ... keine Anwendung, sofern diese Mietverträge nach der schriftlich getroffenen Vereinbarung durch Ablauf der Zeit ohne Kündigung erlöschen und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer fünf Jahre nicht übersteigt."
Diese Formulierung mochte dafür sprechen, daß der letzte Halbsatz zusätzlich zur geforderten schriftlichen Vereinbarung nur das rein tatsächliche weitere Tatbestandsmerkmal enthielt, daß die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer fünf Jahre nicht übersteigt. Durch den geänderten Satzaufbau (ohne Beistrich ist die erwähnte Wortgruppe jetzt Teil des mit "daß" beginnenden Nebensatzes, während früher kein solcher Nebensatz 2. Ordnung, sondern zwei gleichwertige Satzteile des mit "sofern" beginnenden Nebensatzes 1. Ordnung gegeben waren) wurde der Sinn der Bestimmung sprachlich klarer. Den Materialien (425 der BlgNR 15. GP 42) ist allerdings nicht zu entnehmen, daß die Voraussetzungen für Zeitmietverträge i.S.d. § 23 Abs 1 MG verschärft werden sollten, sodaß (erst) jetzt auch die Verlängerung der Schriftform bedürfe; aber auch für das Gegenteil gibt es keine zwingenden Anhaltspunkte. Immerhin wird an der angegebenen Stelle - wenn auch in erster Linie zum Fall des § 29 Abs 1 Z 3 lit a (im Entwurf § 27 Abs 1 Z 3 lit a) - hervorgehoben, wie wichtig es sei, daß der Mieter auf Grund einer schriftlichen Vereinbarung genau beurteilen könne, wann er mit der Auflösung des Mietvertrages ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes rechnen müsse, um sich hierauf einstellen zu können. Die strittige Regelung hat also einen vernünftigen Sinn, wenn sie so verstanden wird, daß auch die Vertragsverlängerung wieder schriftlich erfolgen muß. Weiters kann nicht übersehen werden, daß nach dem MRG die strittigen Fälle Ausnahmeregelungen sind, welche im Zweifel zugunsten eines bestehenden Kündigungsschutzes streng auszulegen sind.
Der mögliche Einwand, gerade bei einer stillschweigenden Verlängerung ergebe sich das Ausmaß der Verlängerung ohnedies aus der schriftlich vereinbarten Zinsperiode (oder nach einer anderen Auffassung aus der ursprünglichen Vertragsdauer) in Verbindung mit der Regelung des Gesetzes (§ 1115 ABGB), ist ohne Gewicht, weil - abgesehen von der strittigen Auslegung des § 1115 ABGB über den Verlängerungszeitraum - auch über die Frage, ob überhaupt eine stillschweigende Verlängerung stattfand, Unklarheit bestehen kann. Die Nachteile, die dem Mieter daraus entstehen können, daß Vermieter in Hinkunft, etwa wenn der Mieter für eine neue schriftliche Vereinbarung nicht sofort erreichbar ist, unverzüglich auf Räumung klagen, oder daß bei einer wiederholten Vertragsverlängerung unter Umständen immer wieder neue Kosten entstehen können, sind hinzunehmen. Mag man beim vorliegenden Fall des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG in der Lösung des erkennenden Senates noch eine übertriebene Fürsorge erblicken, weil es ohnedies um insgesamt nur kurze Zeiträume gehen kann, so spielt der Schutz des Mieters in den Fällen der lit b und d, wo die Verlängerung auch mehrere Jahre dauern kann, doch eine erhebliche Rolle. Die oben erwähnte Auslegung ist daher wirklichkeitsnahe und sachgerecht.
In den Fällen des § 29 Abs 1 Z 3 lit b bis d MRG muß also nicht nur die Vereinbarung über das Erlöschen des Mietvertrages durch den Ablauf der bedungenen Zeit, sondern auch die Vereinbarung über die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer in schriftlicher Form getroffen werden.
Damit erweist sich die Sache aber als noch nicht spruchreif. Es kann nämlich derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, ob es je zu einer stillschweigenden Verlängerung des ursprünglichen Mietvertrages gekommen ist.
Gemäß § 1114 ABGB kommt es nur zur stillschweigenden Erneuerung, wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabei bewenden läßt. § 569 ZPO bestimmt zusätzlich, daß solche Bestandverträge nur dann als stillschweigend erneuert anzusehen sind, wenn der Bestandgeber nicht binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit die Klage auf Zurückstellung erhebt.
Die Rechtsvermutung des § 1114 ABGB wird nach herrschender Ansicht nicht nur durch die in § 569 ZPO vorgesehene rechtzeitige Klagseinbringung widerlegt, sondern durch jeden Vorgang, durch den ein Vertragspartner seinen Willen, die stillschweigende Erneuerung des Vertrages zu verhindern, durch unverzügliche, nach außen erkennbare Erklärungen oder Handlungen so deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß bei objektiver Würdigung kein Zweifel an seiner ernstlichen Ablehnung einer solchen Vertragserneuerung aufkommen kann (Würth in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1114; MietSlg. 29.175, 31.209).
Es ist also das Verhalten der Streitteile unmittelbar nach Beendigung der ursprünglichen Bestandzeit zu erforschen. Nach der Klagserzählung habe die Klägerin die Beklagte unmittelbar nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer schriftlich aufgefordert, die Wohnung zu räumen. Diese Behauptung wurde vom Erstgericht nicht als erwiesen angenommen, diese Feststellung wurde aber in der Berufung gerügt, und das Berufungsgericht hat die Beweisrüge wegen seiner vom Revisionsgericht abgelehnten Rechtsansicht nicht erledigt. Neben diesem Umstand kann von Bedeutung sein, ob und wann die Beklagte in der kritischen Zeit verreist war (das Erstgericht stellte die Zeit nur sehr ungenau fest), weil in dieser Zeit keine "unverzüglichen" Schritte zielführend sein konnten. Auch die Art der Mietzinszahlung nach Ablauf der ursprünglichen Bestanddauer kann eine Rolle spielen (auch hier sind die Feststellungen des Erstgerichtes unpräzis). Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das i.S.d. § 496 Abs 3 ZPO nicht nur zur Behandlung der Beweisrüge, sondern auch zur Beseitigung der angedeuteten Feststellungsmängel berufen ist. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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