Spruch:
Der Revision des Beklagten wird nicht Folge gegeben. Der Revision der klagenden Partei wird hingegen Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
"Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei 70.822,05 S samt 10 % Zinsen seit 20.10.1988 binnen 14 Tagen zu bezahlen."
Der Beklagte ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit 32.124,68 S (darin 3.670,78 S Umsatzsteuer und 10.100 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte beantragte am 7.7.1988 bei der klagenden Partei die Ausstellung einer Kreditkarte. Mit der Unterfertigung des Antragsformulars erklärte er sich mit den auf der Rückseite des Formulars abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei einverstanden. Die Punkte 9 letzter Satz und 10 dieser Geschäftsbedingungen lauten:
"9. .......*****karten sind vom Karteninhaber bei Erhalt mit Kugelschreiber zu unterzeichnen und sind nicht übertragbar.
10. Der Karteninhaber haftet im Falle der mißbräuchlichen Verwendung der Karte durch Dritte. Nach Diebstahl oder Verlust jedoch der unterschriebenen Karte beträgt die Haftung höchstens 500 S und entfällt zur Gänze, wenn innerhalb von 48 Stunden ab tatsächlichem Zeitpunkt des Abhandenkommens dies dem (es folgt der Name der klagenden Partei) oder zumindest dem nächstgelegenen *****-Büro zur Kenntnis gebracht wird."
Der Beklagte erhielt die Kreditkarte der klagenden Partei am 20. oder 21.7.1988 mit der Post zugesandt. Er verwahrte sie, ohne sie zu unterfertigen, in seiner Handtasche. Am 6.8.1988 wurde ihm die Handtasche, in der sich außer der Kreditkarte der klagenden Partei noch die Kreditkarte eines anderen Kreditkartenunternehmens befand, aus seinem Kraftfahrzeug gestohlen. Der Beklagte, der die Kreditkarte der klagenden Partei bis dahin noch nicht verwendet hatte, verständigte die klagende Partei am 8.8.1988 telefonisch vom Diebstahl. Diese nahm die Karte daraufhin in ihre mit einem Computer geführten Sperrlisten auf, die sie üblicherweise in Abständen von zwei Wochen an ihre Vertragsunternehmen versendet. Vertragsunternehmen, die an das Computernetz der klagenden Partei angeschlossen sind, können die Sperre einer Karte sofort aus dem Computer entnehmen. Stellt die klagende Partei im Fall des Verlustes oder Diebstahls einer Kreditkarte einen "starken" Mißbrauch fest, werden Vertragsunternehmen von ihr individuell entweder telefonisch oder schriftlich sofort verständigt. Zu solchen Maßnahmen sah sich die klagende Partei im Fall des Beklagten aber nicht veranlaßt. Die gestohlene Kreditkarte der klagenden Partei wurde in der Zeit vom
10. bis 15.8.1988 insgesamt 29 mal mißbräuchlich verwendet und es wurden damit Waren zu einem Preis von insgesamt 70.822,05 S bezogen. Durch die mißbräuchliche Verwendung der Kreditkarte des anderen Kreditkartenunternehmens, die vom Beklagten unterschrieben worden war, entstand ebenfalls ein Schaden in beträchtlicher Höhe.
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Zahlung des der Höhe nach außer Streit stehenden Betrages von 70.822,05 S sA.
Der Beklagte wendete ein, daß er für den eingeklagten Betrag nicht hafte, weil er der klagenden Partei den Diebstahl der Kreditkarte entsprechend den Geschäftsbedingungen gemeldet habe. Ohne Bedeutung sei, daß er die Karte nicht unterschrieben habe, weil der Schaden andernfalls im gleichen Umfang eingetreten wäre, wie die mißbräuchliche Verwendung der anderen, von ihm unterschriebenen Kreditkarte zeige. Überdies sei die in den Geschäftbedingungen enthaltene Bestimmung, wonach die Haftung des Kreditkarteninhabers nur ausgeschlossen werde, wenn die Kreditkarte unterschrieben sei, ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB, allenfalls auch nichtig im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Schließlich habe die klagende Partei den ihr entstandenen Schaden dadurch selbst verschuldet, daß sie ihre Vertragspartner nicht sofort von der Sperre der Kreditkarte verständigt habe, obwohl ihr dies zumutbar gewesen sei.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von 35.411,03 S sA schuldig. Dem Beklagten komme die Haftungsbefreiung nach dem Punkt 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei nicht zugute, weil hiefür die Unterfertigung der Kreditkarte Voraussetzung gewesen wäre. Diese Bestimmung sei nicht ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB, weil damit auch im Interesse des Beklagten eine Verpflichtung zur Sorgfalt festgelegt worden sei, welche dieser leicht hätte einhalten können und deren Einhaltung überdies eine Kontrolle der Verwendung der Karte ermöglicht hätte. Die Bestimmung sei deshalb auch nicht sittenwidrig. Der Beklagte habe nicht bewiesen, daß der Schaden auch bei Unterfertigung der Kreditkarte eingetreten wäre. Die klagende Partei treffe aber ein Mitverschulden an dem eingeklagten Schaden, weil sie die Sperre der Kreditkarte ihren Vertragsunternehmen sofort durch Versenden der Sperrliste zur Kenntnis bringen hätte können und auch müssen. Unter Berücksichtigung des Fehlverhaltens beider Streitteile sei eine Teilung des Verschuldens zu gleichen Teilen gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht gab der von der klagenden Partei gegen dieses Urteil des Erstgerichtes erhobenen Berufung nicht Folge und änderte es infolge der Berufung des Beklagten dahin ab, daß es ihn unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von 17.705,51 S sA schuldig erkannte. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Der Kreditkarteninhaber werde von der klagenden Partei zwar zur Unterfertigung der Kreditkarte aufgefordert. Die nach deren Vorstellung erhebliche Bedeutung dieser Unterfertigung werde aber nicht erwähnt und könne auch aus dem Punkt 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von einem aufmerksamen Leser nur daraus erschlossen werden, daß dort von einer "unterschriebenen Karte" die Rede sei. Da diese Wendung aber nicht besonders hervorgehoben werde, sei zu berücksichtigen, daß juristisch nicht vorgebildete Personen sie nicht verstünden. Die klagende Partei hätte besonders darauf aufmerksam machen müssen, welche Folgen das Unterlassen der Unterfertigung der Kreditkarte für die Haftung bei Verlust oder Diebstahl habe. Der Beklagte habe mit einer Einschränkung seiner Haftungsbefreiung nicht rechnen müssen, zumal sie in den Geschäftsbedingungen anderer Kreditkartenunternehmungen nicht enthalten sei. Diese Einschränkung sei daher ungültig und die Haftungsbefreiung gelte ohne sie. Der Beklagte hätte aber auch ohne besonderen Hinweis die Wichtigkeit der Unterfertigung der Kreditkarte erkennen können und auch müssen. Es treffe ihn daher ein Mitverschulden am Eintritt des Schadens, das allerdings nur mit einem Viertel eingeschätzt werden dürfe, weil die Kontrollmöglichkeiten auch bei Unterfertigung der Kreditkarte nur beschränkt gewesen wären und die klagende Partei durch Zusendung der noch nicht unterfertigten Kreditkarte selbst ein größeres Risiko des Mißbrauchs eingegangen sei.
Die von der klagenden Partei gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist entgegen der vom Beklagten in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht gemäß dem Ausspruch des Berufungsgerichtes schon deshalb zulässig, weil die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei gerichtsbekanntermaßen einer Vielzahl von Vertragsverhältnissen zugrundeliegen und die Lösung der Frage, in welchem Umfang darin die Haftung des Kreditkarteninhabers festgelegt wird, in ihrer Bedeutung daher über den Einzelfall hinausgeht; diese Revision ist auch berechtigt. Die Revision des Beklagten ist hingegen nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SZ 52/89 = EvBl
1979/227 = JBl 1980, 427 bereits ausführlich begründet, daß
einerseits der Inhaber der Kreditkarte für die Schulden, die durch die unbefugte Benützung der Karte entstehen, ohne besondere Vereinbarung nur bei Verschulden haften würde und daß andererseits die Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Haftung nicht sittenwidrig ist. Ist aber die Vereinbarung einer unbeschränkten Haftung nicht sittenwidrig, so kann es auch nicht sittenwidrig sein, daß eine Befreiung von der Haftung für bestimmte Fälle nicht vereinbart wird. Der vom Beklagten erhobene Einwand, daß die Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei, wonach die Haftung des Kreditkarteninhabers nur für unterschriebene Kreditkarten ausgeschlossen wird, sittenwidrig sei, ist daher nicht berechtigt und wird in der Revision im übrigen auch nicht mehr aufrecht erhalten.
Der Oberste Gerichtshof vermag sich aber auch der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht anzuschließen, die Einschränkung der Haftungsbefreiung auf unterschriebene Kreditkarten sei als Bestimmung ungewöhnlichen Inhalts gemäß § 864a ABGB nicht Vertragsbestandteil geworden. Zum einen entspricht es allgemein üblichen Gepflogenheiten, daß Karten, die zur Ausübung bestimmter Rechte legitimieren, wie Kreditkarten, Scheckkarten oder Mitgliedskarten bei Kraftfahrzeugvereinen, zu unterschreiben sind, und es ist hiefür regelmäßig auf den Karten ein deutlich sichtbarer Teil vorgesehen; daß dies auch hier der Fall war, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Ablichtung der dem Beklagten ausgestellten Kreditkarte. Der Beklagte wurde überdies in den Geschäftsbedingungen und, wie sich aus der von ihm im Berufungsverfahren vorgelegten Urkunde ergibt, auch in dem die Übersendung der Karte begleitenden Schreiben auf die Pflicht, die Karte zu unterschreiben, ausdrücklich hingewiesen. Es ist für jedermann leicht erkennbar, daß die Unterfertigung der Karte dazu dienen soll, deren mißbräuchliche Verwendung hintanzuhalten. Unter diesen Umständen mußte der Beklagte aber mit Nachteilen rechnen, wenn er die Unterfertigung der Kreditkarte unterläßt. Dabei liegt auch die Annahme nahe und ist jedenfalls keinesfalls ungewöhnlich, daß zu diesen Nachteilen eine Erweiterung der Haftung für Schulden gehören kann, die durch die mißbräuchliche Verwendung der Kreditkarte begründet wurden. Daran ändert nichts, daß auch die Unterschrift auf der Kreditkarte nur beschränkte Kontrollmöglichkeiten bietet, weshalb der Hinweis auf die der schon zitierten Entscheidung SZ 52/98 hiezu zu entnehmenden, im übrigen in anderem Zusammenhang stehenden Ausführungen nicht zielführend ist.
Der Beklagte kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe nicht damit rechnen müssen, daß der Ausschluß seiner Haftung für die durch die mißbräuchliche Verwendung der Kreditkarte begründeten Schulden an die Unterfertigung der Karte geknüpft wird. Dabei ist ohne Bedeutung, daß sich dies aus den von ihm vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen anderer Kreditunternehmen nicht ausdrücklich ergibt. Damit hat er noch nicht dargetan, daß es branchenüblich ist, den Haftungsausschluß auch für nicht unterschriebene Kreditkarten zu vereinbaren. Der Wortlaut dieser - im übrigen mit jenem der klagenden Partei im wesentlichen übereinstimmenden - Geschäftsbedingungen schließt nämlich nicht aus, daß auch diese Unternehmen die Haftungsbefreiung nur für unterschriebene Kreditkarten gewähren; ob dies dem durch Auslegung ermittelten Vertragsinhalt entspricht, ist hier nicht zu prüfen.
Nach dem somit vollständig gültigen Inhalt des Punktes 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei haftet der Beklagte für den Schaden, der der klagenden Partei durch die mißbräuchliche Verwendung seiner Kreditkarte entstand, weil eine für die Befreiung für diese Haftung vereinbarten Voraussetzungen, nämlich die Unterfertigung der Kreditkarte, nicht erfüllt war. Der Beklagte meint in der Revision zu Unrecht, daß die klagende Partei ihr Begehren auf diesen Rechtsgrund nicht gestützt habe; dies ist vielmehr in der Tagsatzung vom 12.1.1990 ausdrücklich geschehen.
Der Beklagte bezieht sich auch zu Unrecht auf die Lehre und Rechtsprechung zum rechtmäßigen Alternativverhalten und den damit bei Unterlassungen im Zusammenhang stehenden Fragen der Kausalität (vgl Koziol, Haftpflichtrecht I 163 f; Reischauer in Rummel, ABGB1 Rz 8 zu § 1311; Harrer in Schwimann, ABGB Rz 44 ff zu § 1301 je mwN). Diese für das deliktische Schadenersatzrecht entwickelten Grundsätze kommen hier nicht zum Tragen. Der Beklagte hat sich nämlich durch einen Vertrag zum Ersatz eines näher bestimmten Schadens verpflichtet. Diese Schadensersatzpflicht ist aber unabhängig von einem Verschulden (SZ 52/89 = EvBl 1979/227 = JBl 1980, 27) und auch unabhängig davon, ob der Schaden durch ihn (mit-)verursacht wurde (vgl zum vergleichbaren Fall der Bankomatkarte Koziol in Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 8/16). Im übrigen trifft sein Argument, die mangelnde Kausalität seines Verhaltens bzw die Verursachung des Schadens auch bei rechtmäßigem Verhalten ergebe sich daraus, daß die von dem anderen Kreditkartenunternehmen ausgestellte Kreditkarte trotz der Unterfertigung mißbräuchlich verwendet worden sei, nicht zu. Dies schließt noch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit aus, daß die von der klagenden Partei ausgestellte Kreditkarte nach Unterfertigung in keinem Fall oder nur in einzelnen der Fälle, in denen dies tatsächlich geschah, mißbräuchlich verwendet worden wäre, zumal offenkundig ist, daß eine solche Verwendung wesentlich erleichtert wird, wenn der Berechtigte die Karte nicht unterschrieben hat. Dem Beklagten wäre daher der ihn treffende Entlastungsbeweis (vgl SZ 54/108; SZ 56/181; RdW 1987/96 ua) nicht gelungen.
Nicht zutreffend sind schließlich der Einwand des Beklagten und die Annahme der Vorinstanzen, daß die klagende Partei ein Verschulden an dem eingeklagten Schaden treffe, weil sie ihre Vertragspartner nicht rechtzeitig von der Sperre der Kreditkarte verständigt habe. Der Beklagte hat nicht behauptet, daß er die klagende Partei aus Anlaß der Benachrichtigung vom Diebstahl der Kreditkarte darauf hingewiesen hat, daß er sie nicht unterschrieb. Nur in diesem Fall könnte der klagenden Partei aber eine schuldhafte Verletzung der Schadenminderungspflicht vorgeworfen werden und es wäre zu prüfen, welche Schritte sie zur Minderung des Schadens hätte unternehmen müssen. Andernfalls konnte sie aber davon ausgehen, daß die Karte vom Beklagten unterschrieben wurde und dieser daher nach den Geschäftsbedingungen für den durch die mißbräuchliche Verwendung der Karte verursachten Schaden nicht zu haften hat. Sie konnte unter diesen Umständen nicht erkennen, daß dem Beklagten ein Schaden entstehen und sie zur Minderung dieses Schadens verpflichtet sein könnte, weshalb ihr ein Mitverschulden nicht anzulasten ist.
Der Beklagte ist daher verpflichtet, der klagenden Partei den gesamten eingeklagten, der Höhe nach außer Streit stehenden Schaden zu ersetzen.
Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf § 41 ZPO, für die Rechtsmittelverfahren außerdem auf § 50 ZPO.
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