Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Text
Begründung
Als Vater des am 28.September 1988 unehelich geborenen Kindes wurde mit dem Teilurteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 12. Jänner 1990 der in den Niederlanden lebende Antiquitätenhändler Jacques V***** festgestellt. Die nach Rechtskraft dieser Vaterschaftsfeststellung bewilligten Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG in der Höhe des Richtsatzes nach § 6 UVG wurden, nachdem das weitere Urteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 26.Juli 1990, GZ 6 C 1/90 b-46 in Rechtskraft erwachsen war, womit der Vater zur Leistung des monatlichen Unterhaltsbetrages von S 1.500,- ab dem 1.Feber 1989 verhalten wurde, am 1.Feber 1991 mit dem 31.Juli 1990(?) eingestellt.
Das Erstgericht bewilligte dem Kind vom 1.November 1990 bis 30. Oktober 1993 auf den vom Vater nach dem Urteil vom 26.Juli 1990 zu leistenden Unterhalt monatliche Unterhaltsvorschüsse von S 1.500,- auf Grund der Angaben im Antrag, daß die Führung einer Exekution aussichtslos erscheine, weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeträge deckenden Ertrag erwarten lasse, nicht bekannt sei (§ 4 Z 1 UVG).
Das Rekursgericht wies über den Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes, der sich auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 11.Oktober 1990 zu 6 Ob 648/90 und vom 15. November 1990 zu 8 Ob 627/90 berufen hatte, den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht schloß sich der als überwiegend angesehenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs an, daß nach dem Wortsinn des § 4 Z 1 UVG die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland zwar einen Beispielsfall einer aussichtslos scheinenden Führung einer Exekution aufzeige, die Zielsetzung der Materialien aber nicht verwirklicht wurde, daß damit die konkrete Prüfung entbehrlich sei, ob eine Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung wirklich vorliege. Es komme darauf an, ob nach den Staatsverträgen und der Behördenpraxis die Vollstreckung des Unterhaltstitels im konkreten Fall gewährleistet sei. Die Vollstreckung inländischer Unterhaltsentscheidungen sei im Königreich der Niederlande gesichert (Haager Unterhaltsvollstreckungsabkommen BGBl 1961/294 und bilateraler Vertrag BGBl 1966/37). Daß die Durchsetzbarkeit im konkreten Fall nicht gewährleistet sei, habe das durch den Sachwalter vertretene Kind nicht behauptet. Der ordentliche Revisionsrekurs sei wegen widersprüchlicher Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zulässig.
Der Revisionsrekurs des Kindes ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat seit der Zulassung seiner Anrufung durch die Neufassung des § 15 Abs 3 UVG mit Art III RRAG BGBl 1989/654 zu der Frage des Verständnisses des § 4 Z 1 UVG schon mehrfach und nicht einheitlich Stellung bezogen. Nach § 3 UVG sind Unterhaltsvorschüsse auf den gesetzlichen Anspruch eines minderjährigen Kindes, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und entweder österreichischer Staatsbürger oder staatenlos ist (§ 2 Abs 1 Satz 1 UVG), zu gewähren, wenn für diesen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (§ 3 Z 1 UVG) und eine wegen der laufenden Unterhaltsbeträge geführte Exekution nach § 6 Abs 3 LPfG oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar nicht Bezieher eines Arbeitseinkommens im Sinne des Lohnpfändungsgesetzes ist, einer Exekution nach § 372 EO auch nur einen in den letzten sechs Monaten vor Stellung des Antrags auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbetrag nicht voll gedeckt hat (§ 3 Z 2 UVG). Vorschüsse sind aber auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzung des Bestehens eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels gegeben ist, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos scheint, besonders weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeträge deckenden Ertrag erwarten läßt, nicht bekannt ist (§ 4 Z 1 UVG). Der letzte Nebensatz wurde durch die Nov BGBl 1980/278 eingefügt und sollte aussagen, daß die Exekutionsführung im Ausland dem Fall gleichzuhalten ist, daß die Führung einer Exekution sonst aussichtslos erscheint (RV 276 BlgNR 15.GP). So hatte die RV 5 BlgNR 14.GP unter Hinweis darauf, daß fremde Rechtsordnungen Exekutionsführungen nach § 6 Abs 3 LPfG oder § 372 EO oft nicht kennen und auch sonst solche Exekutionsmaßnahmen im Ausland sehr langwierig und erfahrungsgemäß häufig erfolglos sind, das Tatbestandsmerkmal der Exekutionsführung im Ausland als Anlaßfall für den Entfall der Voraussetzung nach § 3 Z 2 UVG vorgesehen. Der Justizausschuß hatte ua dieses Tatbestandsmerkmal ausgeschaltet, um die Gesetzesbestimmung nicht kasuistisch einzuengen und durch eine allgemeine Fassung flexibler zu gestalten (AB 199 BlgNR 14.GP; Ent - Hopf, UVG 36; Knoll, UVG in ÖA Nr.5/1987 Rz 22 zu § 4 UVG). Dennoch hatte die Rechtsprechung der Rekursgerichte auch nach der Einfügung durch die Nov BGBl 1980/278 keine einheitliche Beurteilung gefunden, ob die im § 3 Z 2 UVG geforderte vergebliche Exekutionsführung als Anspruchsvoraussetzung entfalle, wenn in Ermangelung eines Drittschuldners im Inland keine Exekution nach § 6 Abs 3 LPfG und wegen Unbekanntheit eines Vermögens im Inland, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeträge deckenden Ertrag erwarten läßt, die Führung einer Exekution nach § 372 EO zur Sicherung des Unterhalts aussichtslos scheint.
Nach Beseitigung des Rechtsmittelausschlusses des § 15 Abs 3 UVG idF vor dem RRAG wurde die Rechtsfrage an den Obersten Gerichtshof herangetragen. Hatte dieser zunächst am 11.Juli 1990 zu 2 Ob 582/90 den § 4 Z 1 UVG dahin ausgelegt, daß die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland mit einer derartigen Erschwerung der Rechtsdurchsetzung durch das auf den Unterhalt angewiesene Kind verbunden sei, daß bei jeder nur im Ausland möglichen Durchsetzbarkeit der Fall einer aussichtslos "scheinenden" Exekutionsführung anzunehmen sei, so fand die Entscheidung vom 11.Oktober 1990 zu 6 Ob 648/90 gegenteilig keine Anhaltspunkte für eine aussichtslos scheinende Exekutionsführung, wenn diese gegen den Vater in der Schweiz erforderlich war. Es komme eine allfällige Absicht des Gesetzgebers im Wortlaut der (novellierten) Vorschrift nicht zum Ausdruck, der Fall der Notwendigkeit der Exekutionsführung im Ausland sei der aussichtslos scheinenden Exekutionsführung nicht gleichgestellt. Die Jugendämter könnten im Rahmen bestehender Rechtshilfeverträge Amtshilfe verwandter Einrichtungen im Ausland in Anspruch nehmen. Die Vollstreckbarkeit in der Schweiz sei gesichert, wenn der Aufenthalt des Unterhaltsschuldners in diesem Staat ebenso bekannt sei wie seine seit Jahren unveränderte Beschäftigung. Konkrete Hindernisse müsse der Unterhaltssachwalter behaupten.
Dieser Rechtsmeinung schlossen sich weitere Senate (8 Ob 627/90 vom 15.November 1990 und 7 Ob 646,647/90 vom 6.Dezember 1990) im wesentlichen an. Sie meinten ebenfalls, eine Exekutionsführung im Ausland scheine nicht jedenfalls aussichtslos, sondern nur dann, wenn dies nach Prüfung im Einzelfall anzunehmen sei. In der Bundesrepublik Deutschland sei die rasche und unbürokratische Vollstreckung inländischer Unterhaltstitel anzunehmen. Die Führung einer Exekution gegen den in Frankreich lebenden Unterhaltsschuldner wurde dagegen als aussichtslos scheinend angesehen, wenn Titel ein Vergleich oder eine Unterhaltsvereinbarung ist, weil nach dem Vollstreckungsabkommen nur Entscheidungen vollstreckt würden (OGH 7 Ob 654/90 vom 11. Oktober 1990).
Im nun zu beurteilenden Fall bedarf es keiner abschließenden Beantwortung der Frage, ob die Notwendigkeit der Führung einer Exekution nach § 6 Abs 3 LPfG oder § 372 EO im Ausland(?) also offenbar ähnlicher Vollstreckungsmaßnahmen nach den Verfahrensgesetzen des fremden Staates, allein hinreicht, die Führung einer solchen Exekution aussichtslos scheinen zu lassen. Es braucht auch nicht darauf eingegangen werden, daß in der Regel minderjährige Kinder, die der Unterhaltsvorschüsse bedürftig sind, nicht die Mittel aufbringen können, um Vertrauensanwälte im Ausland mit Honorarvorschüssen beauftragen zu lassen. Sie sind in der Regel, und zwar auch bei Vertretung durch den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger darauf angewiesen, sich bei Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprüche des im New Yorker Unterhaltsschutzabkommen BGBl 1969/316 bezeichneten Weges zu bedienen (dazu BGBl 1969/317; vgl auch für andere Staaten das Auslandsunterhaltsgesetz BGB 1990/160), der allein erfahrungsgemäß monatelange Verzögerungen bedingt:
Danach werden die Unterhaltsansprüche einer Person, die sich im Inland aufhält, gegen einen Gegner, der sich im Ausland aufhält, durch schriftlich beim Bezirksgericht anzubringende Anträge geltend gemacht, die nach Prüfung dem Bundesministerium für Justiz vorzulegen und von diesem an die dafür im Ausland bestimmte Stelle weiterzuleiten sind (Art 4 New Yorker Unterhaltsschutzabkommen). Die Empfangsstelle hat alles zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruches zu unternehmen; dazu gehört insbesondere eine vergleichsweise Regelung des Anspruches und, falls erforderlich, die Vollstreckung einer Entscheidung oder eines anderen gerichtlichen Titels auf Leistung von Unterhalt (Art 6 des Übereinkommens). Damit ist jedenfalls eine erhebliche Verzögerung beim Versuch zu erwarten, im Ausland eine Exekution auf das Arbeitseinkommen iSd § 6 Abs 3 LPfG oder eine - in Österreich erst mit Art I BG über die Erweiterung der Exekution zur Sicherstellung BGBl 1976/251
eingeführte - Sicherungsexekution iSd § 372 EO zu führen, und eine Gefährdung der mit den Zwecken der Unterhaltsbevorschussung angestrebten Sicherung gesetzlicher Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder verbunden.
Wenn nicht die Absicht des Gesetzgebers, eine erfolglos gebliebene Auslandsexekution iSd § 3 Z 2 UVG nicht als Voraussetzung für eine Bevorschussung titulierter Unterhaltsansprüche - für den Fall des § 4 Z 2 UVG ist bei Fehlen eines Titels die Richtsatzbevorschussung vorgesehen (§ 6 Abs 2 UVG) - zu fordern, (RV 276 BlgNR 15.GP) ohnedies schon dadurch zum Ausdruck kommt, daß eine Exekution nach § 6 Abs 3 LPfG oder § 372 EO (Verweisung auf § 3 Z 2 UVG) immer nur im Inland, nicht aber im Ausland geführt werden kann, wo stets die Verfahrensvorschriften des fremden Rechtes anzuwenden sind, wenn im Inland kein Drittschuldner und kein Vermögen bekannt ist, so ist die Führung einer Exekution auf ein Arbeitseinkommen oder gleichgestellte Bezüge ebenso aussichtslos wie eine Exekution zur Sicherstellung des Unterhalts, wenn im fremden Staat, in welchem diese Exekutionsschritte zu setzen wären, vergleichbare Vollstreckungsmaßnahmen unbekannt oder von anderen Voraussetzungen abhängig sind.
Daß es im Falle notwendiger Exekutionsführung im Ausland naheliegt, daß die Exekutionsführung aussichtslos scheint, wurde auch schon in der Entscheidung zu 6 Ob 648/90 zugegeben.
Der erkennende Senat meint nun, daß die Aussichtslosigkeit zumindest naheliegt, wenn erst im Ausland - soweit überhaupt möglich - Exekution durch Pfändung des Arbeitseinkommens oder zur Sicherstellung geführt werden muß. Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen wurde in das Verfahren außer Streitsachen verwiesen, weil auch die Entscheidung über die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder in diesem der Amtswegigkeit und dem Schutz der Minderjährigen auch dann unterworfenen Verfahren erfolgt, wenn das Gericht nur auf Antrag einschreitet (vgl. Ent - Hopf, UVG 48). Es ist daher auch bei der Entscheidung über einen Vorschußantrag amtswegig alles zu berücksichtigen, was dem Wohl des Kindes dient. Müßte erst erfolglos im Ausland Exekution geführt werden, so ist, selbst wenn man nicht der Ansicht zu 2 Ob 582/90 beitritt und die Voraussetzung nach § 3 Z 2 UVG immer dann entfällt, wenn im Inland die sonst verlangten Exekutionsmittel nicht anwendbar sind, jedenfalls nur dann eine vorhergehende Exekutionsführung zu verlangen, wenn sie in absehbarer Zeit ein positives Ergebnis erwarten läßt, wie dies im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland oder zur Schweiz bei ständiger Bechäftigung des Unterhaltsschuldners der Fall gewesen sein mag (6 Ob 648/90; 8 Ob 627/90; 7 Ob 646,647/90).
Hier fehlen jedoch Anhaltspunkte dafür, daß eine Exekution iSd § 6 Abs 3 LPfG oder des § 372 EO im Königreich der Niederlande Erfolgsaussichten bietet. Aus dem Unterhaltstitel ergibt sich, daß der Schuldner neben seiner Rente wegen Arbeitsunfähigkeit in geringer Höhe nur wenig Nebeneinkünfte aus einem Handelsgewerbe bezieht, für Frau und zwei eheliche Kinder sorgen sollte und Schulden hat. Es scheint daher in dem nun zu beurteilenden Fall, abgesehen von den zu erwartenden Verzögerungen, eine Exekutionsführung auf die Rente oder auf sonstiges iSd § 372 EO den Unterhalt deckendes Vermögen aussichtslos, so daß nach § 4 Z 1 UVG die Vorschüsse zustehen, ohne daß das Kind zuvor vergeblich Exekution im Ausland geführt haben müßte.
Es wird sodann zu versuchen sein, die gewährten Vorschüsse durch Geltendmachung der Unterhaltsansprüche hereinzubringen. Das Kind hat auch bereits einen Antrag nach dem Auslandsunterhaltsgesetz gestellt, doch unterblieb bisher die Prüfung und Weiterleitung durch das Erstgericht.
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