Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin war Mieterin mehrerer Räume in einem der Beklagten gehörenden Haus. In dem schriftlich geschlossenen Mietvertrag wurde als Tatsache, die den Vermieter zur Kündigung des Mietvertrages gemäß dem damals noch geltenden § 19 Abs 6 zweiter Satz MG idF des MRÄG berechtigt, der Verkauf des Hauses bezeichnet. Die Beklagte kündigte den Mietvertrag am 25.September 1984 aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 13 MRG zum 31.10.1985 gerichtlich auf. Die Klägerin erhob gegen die Aufkündigung Einwendungen und brachte darin vor, daß die Beklagte das Haus noch nicht verkauft habe. Die Beklagte legte in der mündlichen Streitverhandlung eine mit 5.6.1985 datierte Urkunde über den Verkauf des Hauses vor. Die Urkunde wurde nach dem Inhalt des Protokolls verlesen. Der Prozeßbevollmächtigte, der die Klägerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vertrat, gab zur Echtheit der Urkunde keine Erklärung ab und bestritt ihre Richtigkeit. Er brachte für die Klägerin vor, daß es sich um ein Scheingeschäft handle. In der Tagsatzung vom 9.10.1985, an der auch die Klägerin teilnahm, schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Klägerin verpflichtete, den Mietgegenstand bis 31.7.1986 Zug um Zug gegen Bezahlung einer Investitionsablöse von 100.000 S zu räumen. Ferner wurde vereinbart, daß die Beklagte nur 60.000 S zu bezahlen hat, wenn die Klägerin den Mietgegenstand nach dem 31.7.1986 noch benützt.
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit dieses Vergleiches. Durch die Vorlage des Kaufvertrages sei in ihr der Eindruck erweckt worden, daß der im Mietvertrag als Kündigungsgrund vereinbarte Umstand vorliege. Sie habe sich deshalb zum Abschluß des Vergleiches "gezwungen gesehen". Nunmehr habe sie festgestellt, daß die Beklagte das Haus nach wie vor zu veräußern versuche. Es sei daher offensichtlich, daß dem im Kündigungsstreit vorgelegten Kaufvertrag ein Scheingeschäft zugrunde gelegen sei. Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines Scheingeschäftes. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
Die Beklagte schloß am 5.6.1985 einen Vertrag über den Verkauf ihres Hauses. Der Vertrag war aufschiebend dadurch bedingt, daß die Klägerin bis 30.11.1985 aus dem Haus ausgezogen ist. Nach dem Abschluß des angefochtenen Vergleiches, zu dem die Klägerin vor allem deshalb bereit war, weil die Urkunde über den Verkauf des Hauses vorgelegt worden war, traten die Käufer vom Vertrag zurück, weil nicht mehr gewährleistet war, daß ihnen das Haus bis 30.11.1985 (geräumt) übergeben wird.
Aus den Ausführungen des Erstgerichtes zur Beweiswürdigung ergibt sich ferner, daß es nicht als erwiesen annahm, der Kaufvertrag sei zum Schein abgeschlossen worden, um die Klägerin zu täuschen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Vergleich gültig sei. Der Verkauf sei kein Scheingeschäft gewesen, und die Klägerin habe wissen müssen, daß er unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen worden sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und daß die Revision zulässig sei. Eine Täuschung der Klägerin sei nicht erwiesen. Der beim Abschluß des Vergleiches anwesende Vertreter der Klägerin habe den Inhalt des Kaufvertrages gekannt, weshalb ein gemeinsamer Irrtum der Parteien oder auch nur ein Irrtum der Klägerin, der den Vergleich anfechtbar machen könnte, nicht anzunehmen sei. Der Vergleich sei aber auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam. Der Verkauf des Mietgegenstandes bilde keine typische und daher auch ohne ausdrückliche Vereinbarung maßgebende Geschäftsgrundlage eines Räumungsvergleiches. Überdies könne sich die Klägerin auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf keinen Fall berufen, weil sie mit der Möglichkeit einer Änderung der Sachlage habe rechnen müssen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist unzulässig.
Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß hier die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht anzuwenden sind. Ein solcher wurde in der Rechtsprechung teilweise davon abhängig gemacht, daß die geschäftstypischen Voraussetzungen, die jedermann mit dem Geschäft verbindet, fortgefallen sind (JBl 1976, 145; JBl 1979, 652 ua). In anderen Entscheidungen wurde darauf aufgestellt, ob Umstände betroffen waren, von deren Bestehen, Fortbestehen oder Eintritt die Parteien beim Abschluß eines Vertrages mit Selbstverständlichkeit ausgingen und die sie nur deshalb nicht zur Bedingung des Geschäftes machten, weil niemand an die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung dachte (MietSlg.31.103 ua). Als Wegfall der Geschäftsgrundlage wurde außerdem nur der Wegfall einer von beiden Parteien gemeinsam - ausdrücklich oder konkludent - dem Vertragsabschluß unterstellten Voraussetzung gewertet (SZ 35/47 ua). Ereignisse in der eigenen Sphäre und voraussehbare Veränderungen der Sachlage wurden dabei oft ausgenommen (JBl 1978, 153 ua).
Nach keinem dieser Gesichtspunkte liegt hier ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, der die Klägerin zur Anfechtung des Vergleiches berechtigen könnte. Auch wenn im Mietvertrag ein entsprechender Kündigungsgrund vereinbart worden war, gehört es nicht zu den typischen Voraussetzungen eines Räumungsvergleiches, daß das Haus, in dem sich das Bestandobjekt befindet, schon verkauft ist. Ein Vergleich liegt ja nur dann vor, wenn ein Recht, hier also das Kündigungsgrecht, noch strittig war (§ 1380 ABGB). Er kann überdies gerade zu dem Zweck abgeschlossen werden, um den Verkauf des Hauses zu ermöglichen. Die Streitteile konnten hier beim Vergleichsabschluß es auch nicht als selbstverständlich angesehen haben, daß die im Kaufvertrag vereinbarte Bedingung der raschen Räumung eintreten werde. Dem steht vielmehr entgegen, daß die im Vergleich für die Räumung gesetzte Frist lange nach jenem Tag endete, bis zu dem das Haus den Käufern hätte übergeben werden müssen, sodaß bei Abschluß des Vergleiches der Eintritt der "Bedingung" ganz unwahrscheinlich war.
Die Revision der Klägerin erfordert es daher nicht, zu solchen Fragen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage Stellung zu nehmen, für die eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt oder bei denen sie uneinheitlich ist. Auch sonst ist ein Grund für die Annahme, daß die Entscheidung über die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage iS des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO abhänge, nicht zu erkennen, zumal in der Kritik der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt, für eine einschränkende Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eingetreten wird (vgl. Rummel in JBl 1981, 1; derselbe in Rummel, ABGB, RZ 6 zu § 901). Die Revision ist daher trotz des Ausspruchs des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, unzulässig und deshalb zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Der Beklagten stehen Kosten für diesen Schriftsatz nicht zu, weil sie die Unzulässigkeit der Revision nicht erkannt hat.
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