OGH 3Ob515/87

OGH3Ob515/871.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** W*** A*** AG,

Maria Enzersdorf, Südstadtzentrum 4, vertreten durch Dr. Dietbert Helbig-Neupauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1) Hans-Jörg K***, Angestellter, und 2) Adelheid K***, Hausfrau, beide Baden, Helenenstraße 75/5/10, wegen 27.386,87 S sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 23. Februar 1987, GZ R 54/87-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 16. Jänner 1987, GZ 3 C 363/87-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der gegen den Erstbeklagten erlassene Zahlungsbefehl wurde nach einem ersten Zustellversuch am 19. Dezember 1986 und einem zweiten Zustellversuch am 22. Dezember 1986 beim zuständigen Postamt hinterlegt. Die Abholfrist begann am 22. Dezember 1986, Am 8. Jänner 1987 erhob der Erstbeklagte Einspruch.

Das Erstgericht wies diesen Einspruch als verspätet zurück. Das Gericht zweiter Instanz hob diesen Beschluß ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auch gegen den Erstbeklagten auf. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs zugelassen werde.

Das Gericht zweiter Instanz nahm als erwiesen an, daß der Erstbeklagte am 22. Dezember 1986 zu einem Urlaub in die Steiermark abgereist und erst am 31. Dezember 1986 in seine Wohnung in Baden zurückgekehrt sei. Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG gelte daher nicht der Hinterlegungstag als Tag der Zustellung. Daß am 19. Dezember 1986, also an einem Tag, von dem der Erstbeklagte nicht einmal behauptet, daß er ortsabwesend gewesen sei, ein erster Zustellversuch stattgefunden habe, habe nicht bewirkt, daß die Zustellung schon mit dem Tag wirksam geworden sei.

Rechtliche Beurteilung

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Gericht zweiter Instanz mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum strittigen Rechtsproblem.

Da dies zutrifft, ist der Revisionsrekurs der klagenden Partei zulässig; es kommt ihm aber keine Berechtigung zu.

Durch § 21 Abs. 2 ZustG werden für die Zustellung zu eigenen Handen zusätzliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Zustellung durch Hinterlegung beim Postamt festgelegt. Auch für den angeordneten zweiten Zustellversuch gilt daher das Erfordernis, daß der Zustellungsempfänger zu diesem Zeitpunkt dem Ersuchen, an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, nachkommen hätte können (Stohanzl, Zivilprozeßgesetze4 Anm. zu § 21 ZustG). Da der Erstbeklagte aber am Tag des zweiten Zustellversuches ortsabwesend war, bewirkte die dann erfolgte postamtliche Hinterlegung noch nicht die Zustellung im Sinne des § 17 Abs. 3 ZustG. Die Zustellung wurde vielmehr gemäß dieser Bestimmung erst an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag (d.i. der 1. Jänner 1987, nicht wie in der Entscheidung zweiter Instanz der 31. Dezember 1986) wirksam.

Der im Revisionsrekurs vertretene Standpunkt, ein Empfänger sei nicht mehr gutgläubig, wenn er vom ersten Zustellversuch Kenntnis erlangt habe, und müsse beim zweiten Zustellversuch anwesend sein, widrigens die Hinterlegung auf jeden Fall sofort wirksam werde, kann nicht beigepflichtet werden. Eine so strenge Auffassung wurde zwar nach altem Recht vereinzelt von Gerichten zweiter Instanz vertreten (siehe die bei Walter-Mayer, Das österr. Zustellrecht, Anm. 18 zu § 21 ZustG zitierte Judikatur). Der Gesetzgeber hat in Kenntnis dieser Rechtsprechung aber keine Pflicht des Empfängers normiert, Vorsorge dafür zu treffen, daß dieser beim zweiten Zustellversuch anwesend sei. Einerseits wurde das Wort "auffordern" (§ 106 Abs. 2 ZPO aF) durch das mildere Wort "ersuchen" (§ 21 Abs. 2 ZustG) ersetzt, und andererseits wurde das früher nicht gegebene Wirksamwerden der Hinterlegung mit dem Tag nach der Rückkehr des Adressaten geschaffen (§ 17 Abs. 3 ZustG). Der Oberste Gerichtshof folgt deshalb der schon vom VwGH und nun auch von Walter-Mayer aaO (mit Zitat der VwGH-E) vertretenen Auffassung, daß auch bei einer Ortsabwesenheit des Empfängers bloß beim zweiten Zustellversuch eine Hinterlegung unzulässig und unwirksam ist, ohne daß es auf die Gründe dieser Ortsabwesenheit ankäme.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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