OGH 3Ob504/51

OGH3Ob504/5126.9.1951

SZ 24/247

Normen

ABGB §1072
ABGB §1073
ABGB §1077
Grundbuchsgesetz §9
ZPO §405
ZPO §477
ABGB §1072
ABGB §1073
ABGB §1077
Grundbuchsgesetz §9
ZPO §405
ZPO §477

 

Spruch:

Auch ein ohne Zusammenhang mit einem Kaufvertrag vereinbartes Vorkaufsrecht kann verbüchert werden.

Entscheidung vom 26. September 1951, 3 Ob 504/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Der Kläger begehrt in der Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen:

1. einzuwilligen, daß sein Eigentumsrecht ob der ihr gehörigen Hälfte der Liegenschaft EZ. 234 Grundbuch F. einverleibt werde, 2. einzuwilligen, daß ob der ihr gehörigen Hälfte der EZ. 294 Grundbuch

F. das Vorkaufsrecht zu seinen Gunsten einverleibt werde, 3. dem Kläger das Aufgriffsrecht bezüglich dieser Liegenschaftshälfte für den Todesfall einzuräumen. Im Zuge des Verfahrens wurde Punkt 3 dahin abgeändert, daß er zu lauten hatte: "dem Kläger das durch den Tod der Beklagten aufschiebend bedingte und vom Eintritt dieser Bedingung an auf ein Jahr befristete Recht einzuräumen, durch einseitige Erklärung seinerseits einen für die Verlassenschaft bzw. die Beklagte bindenden Kaufvertrag abzuschließen, mit welchem die Beklagte bzw. ihre Verlassenschaft die Liegenschaft EZ. 294 Grundbuch F., bestehend aus dem Grundstück 50/70 neu, nach Durchführung der Realteilung an den Kläger zu dem von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen zu bestimmenden Kaufpreis verkauft, und in die grundbücherliche Anmerkung bzw. Einverleibung dieses Rechtes ob dieser Liegenschaft einzuwilligen".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im wesentlichen statt und wies nur das Begehren auf grundbücherliche Eintragung des "Aufgriffsrechtes" ab.

Das Berufungsgericht bestätigte Punkt 1 und 3 des gerichtlichen Urteiles mit der. Maßgabe, daß Punkt 3 als Feststellungsurteil und nicht als Leistungsurteil formuliert wurde, gab aber der Berufung der Beklagten im Punkt 2 insofern statt, als es das Begehren auf Einverleibung des Vorkaufsrechtes abwies und auch diesen Punkt als Feststellungsbegehren formulierte. Die Untergerichte gingen dabei von folgendem Sachverhalt aus: Mit Vertrag vom 26. April 1946 gab die Beklagte dem Kläger, ihrem Stiefsohn, ihre Haushälfte samt Garten auf zwei Jahre in Bestand. Der Kläger und seine Gattin verpflichteten sich, einen Neubau aufzuführen, welchen die Beklagte übernehmen sollte, wofür sie Zug um Zug dem Kläger und seiner Gattin das Eigentumsrecht an der Bestandsache übertragen sollte. Damit sollte der Kläger das Haus F. Hauptstraße 34, das bereits zur Hälfte in seinem Eigentum stand, zur Gänze erhalten. Am 8. September 1947 strengte die Beklagte gegen ihren vermißten Sohn Friedrich S., der durch den heutigen Kläger als Kurator vertreten war, eine Klage auf Naturalteilung der Liegenschaft EZ. 294 Grundbuch F. an. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen außergerichtlichen Vergleich beendet. In diesem verpflichtete sich die heutige Beklagte, die ihr gehörige Hälfte des Hauses F. 1945, jetzt 134, an den Kläger zu übertragen, sobald dieser als Kurator für Friedrich S. in die Teilung der Liegenschaft EZ. 294 einwillige. Dabei räumte die Beklagte dem Kläger ein Vorkaufsrecht und das Recht ein, nach dem Tode der heutigen Beklagten die Liegenschaft zum Schätzwert von der Verlassenschaft zu erwerben, welches Recht kurz als "Aufgriffsrecht" bezeichnet wurde. Das Vorkaufsrecht wurde zum Schätzwerte vereinbart. Beide Rechte sollten grundbücherlich eingetragen werden. Diese Vereinbarung wurde mündlich abgeschlossen, nachher aber schriftlich festgehalten. In der formalen Vertragsurkunde sollte das "Aufgriffsrecht" in eine juristisch einwandfreie Form gebracht werden.

Das Erstgericht wies das Begehren um Einverleibung oder Anmerkung des "Aufgriffsrechtes" ab, weil es sich um einen rein obligatorischen Anspruch handle, dem die Grundbuchsfähigkeit mangle. Das Berufungsgericht erkannte dahin, daß das Vorkaufsrecht bereits im Vergleiche eingeräumt worden sei, daher ein Leistungsbegehren verfehlt sei. Da es aber dem Kläger um die Feststellung des Rechtsverhältnisses ginge, sei die Feststellung des Rechtsverhältnisses auszusprechen gewesen. Eine Verbücherung des Vorkaufsrechtes wurde deshalb abgelehnt, weil es sich um kein echtes Vorkaufsrecht handle, sondern nur um ein vorkaufsrechtsähnliches Verhältnis, da es nicht Nebenverabredung eines Kaufvertrages gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten keine, hingegen der des Klägers Folge und stellte Punkt 2 des erstgerichtlichen Urteiles wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine im § 477 ZPO. nicht ausdrücklich aufgezählte Nichtigkeit ist nach Meinung der Revisionswerberin deshalb unterlaufen, weil das Berufungsgericht das Leistungsbegehren in ein Feststellungsurteil abgewandelt hat. Das Feststellungsurteil sei nicht ein Weniger, sondern etwas anderes als das Leistungsbegehren. Wäre es dem Kläger nur um einen Exekutionstitel gegangen, hätte er auf Zustimmung zum Vergleiche - die gar nicht vorliege - klagen müssen. Wenn das Berufungsgericht erkenne, daß die Beklagte das Recht einräume, so sei diese Feststellung gleichzeitig ein Mehr gegenüber der allenfalls prozessual zulässigen Feststellung, daß die Beklagte zugestimmt habe.

Die Untergerichte haben festgestellt, daß die Beklagte dem Vergleiche, also auch dem im Vergleiche zugesicherten Rechte des Klägers, die Liegenschaftshälfte aus der Verlassenschaft zum Schätzwerte zu kaufen, was als "Aufgriffsrecht" bezeichnet wurde, ausdrücklich zugestimmt habe. Dies ist eine tatsächliche Feststellung, die im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann. Die Ausführungen der Revision, die sich mit dieser tatsächlichen Feststellung beschäftigen, sind daher nicht zu beachten. Hat aber die Beklagte dieses Recht dem Kläger im Vergleiche bereits eingeräumt, kann sie hiezu nicht neuerlich durch Leistungsurteil verhalten werden. Wie sich aus dem Inhalt der Klage ergibt, wurde die Form des Leistungsbegehrens auch für das "Aufgriffsrecht" gewählt, weil die grundbücherliche Eintragung dieses Rechtes durchgesetzt werden sollte, dem Kläger es aber hinsichtlich dieses Rechtes in erster Linie darum ging, es urteilsmäßig festgelegt zu wissen. Daß der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung dieses Rechtes hat, braucht nicht weiter erörtert zu werden. Dieses Recht steht im innigen Zusammenhang mit dem gesamten Vergleichsinhalt, ist ein integrierender Bestandteil der beiderseitigen Verpflichtungen und Rechte. Da der Abschluß des Vergleiches von der Beklagten überhaupt bekämpft wurde, hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung, welche beiderseitigen Rechte und Verpflichtungen in diesem Vergleiche begrundet werden. Das Berufungsgericht konnte daher den Inhalt des sogenannten Aufgriffsrechtes, wie er sich aus den tatsächlichen Feststellungen ergibt, im Spruche feststellen. Darin liegt nicht etwas anderes, sondern ein Weniger als das ursprüngliche Leistungsbegehren. In einem solchen Zuspruch kann daher schon deshalb keine Nichtigkeit gelegen sein, weil damit die Vorschrift des § 405 ZPO. in keiner Weise verletzt wurde. Den tatsächlichen Feststellungen entsprechend, war allerdings die Gegenwartsform der Feststellung verfehlt, weil das Recht ja nicht im Urteil, sondern bereits im Vergleich eingeräumt wurde. Da aber mit der Feststellung bloß der rechtliche Inhalt des Vergleiches wiedergegeben werden sollte, liegt in dieser Fassung kein wesentlicher Mangel. Die Änderung des Punktes 2 in ein Feststellungsurteil und ein abweisendes Erkenntnis wird im Zusammenhang mit der Revision des Klägers behandelt werden.

Unter dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt die Revision der Beklagten aus, daß das sogenannte "Aufgriffsrecht" erst in eine juristische Gestalt gebracht werden sollte, weshalb ein Vertrag hinsichtlich dieses Rechtes noch nicht vorgelegen sein konnte. Die Leistung sei noch nicht bestimmt gewesen. Auch damit bekämpft die Revision wieder unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Untergerichte. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes, die vom Berufungsgerichte übernommen wurden, war der Vergleich bereits endgültig zustandegekommen und das Recht, das von den Parteienvertretern wenig glücklich als "Aufgriffsrecht" bezeichnet wurde, inhaltlich mit aller Bestimmtheit vereinbart worden. Dem steht keineswegs entgegen, daß der Vertragsinhalt erst später in ein juristisch einwandfreies Gewand gekleidet werden sollte, da ja auch ausdrücklich festgestellt wurde, daß nicht der Inhalt des Rechtes geändert werden, sondern für dieses Recht nur eine einwandfreie Formulierung gefunden werden sollte.

Weiters führt die Revision aus, es liege nicht nur ein Vergleich vor, der sich nur auf ein strittiges oder zweifelhaftes Recht beziehen könne, sondern auch ein Vertrag, weil ja ein Recht erst eingeräumt worden sei, das noch gar nicht existent war. Auch diese Rechtsmeinung der Revision ist verfehlt. Der Vergleich ist ein zweiseitiger entgeltlicher Vertrag, in dem die Parteien an Stelle eines strittigen oder zweifelhaften Rechtes ein feststehendes setzen. Nun wurde die Vereinbarung in der Anwaltskanzlei zwecks Beendigung eines bei Gericht anhängigen Rechtsstreites geschlossen. In diesem war nicht nur die Art der Naturalteilung strittig, sondern, wie sich aus dem Inhalt des Verhandlungsaktes ergibt, auch die Gültigkeit des Vertrages vom 26. April 1946 überhaupt, da der heutige Kläger behauptete, den Vergleich wegen Irreführung anfechten zu können. Dieser Vergleich wurde daher nur zu dem Zwecke geschlossen, ein strittiges Rechtsverhältnis zwischen den Parteien endgültig zu bereinigen. Daß anläßlich einer solchen Vereinbarung auch Rechte eingeräumt werden können, die vorher nicht bestanden, bedarf keiner weiteren Erörterung. Es handelt sich auch dann um einen Vergleich, wenn damit ein bereits bestehender Vertrag abgeändert wird. Da ein Vergleich nicht wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes angefochten werden kann, bedurfte es der Feststellung des Wertes der beiderseitigen Leistungen nicht.

Hingegen ist die Revision des Klägers berechtigt. Das Berufungsgericht geht von der Rechtsmeinung aus, es liege kein Vorkaufsrecht im Sinne des § 1072 ABGB. vor, weil der Kläger der Beklagten die Liegenschaftshälfte, bezüglich deren das Vorkaufsrecht vereinbart worden ist, nicht veräußert hat. Dieses Vorkaufsrecht sei daher nicht Nebenverabredung eines Kaufvertrages gewesen, weshalb nur ein vorkaufsähnliches Verhältnis vorliege, das aber nicht verbücherungsfähig sei. Diese Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes kann nicht geteilt werden. Nach dem Wortlaute des Gesetzes ist ein Vorkaufsrecht ein Nebenvertrag des Kaufvertrages, durch welchen sich der Käufer schuldrechtlich verpflichtet, die gekaufte Sache zunächst dem Verkäufer zur Einlösung anzubieten, wenn er sie wieder zu verkaufen beabsichtigt. Den Bedürfnissen des Lebens entsprechend, hat aber Lehre und Rechtsprechung zugelassen, daß das Vorkaufsrecht auch bei einem Hauptvertrage anderer Art oder auch selbständig durch Vertrag begrundet werden kann. Die schuldrechtliche Verpflichtung ist in solchen Fällen die gleiche, der Verpflichtete hat die betreffende Sache dem Berechtigten zwecks Einlösung anzubieten, wenn er sie zu verkaufen beabsichtigt. Auch in diesen Fällen handelt es sich nicht um eine vorkaufsrechtsähnliche Vereinbarung, sondern um ein echtes Vorkaufsrecht nach § 1072 ABGB. Daran würde auch nichts der Umstand ändern, daß, wie es § 1077 ABGB. mangels anderer Vereinbarung vorsieht, der Einlösungspreis von einem gerichtlich beeideten Schätzmann festgesetzt werden soll. Liegt aber ein echtes Vorkaufsrecht vor, besteht gemäß § 9 GBG. kein Hindernis, dieses Recht zu verbüchern. Das Leistungsbegehren wurde daher zu Unrecht abgewiesen, weshalb das erstgerichtliche Urteil in diesem Punkte wieder herzustellen war. Die Revision der Beklagten in diesem Punkte wird auf diese Entscheidung verwiesen.

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