Spruch:
Dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die gefährdete Partei hat ihre Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die gefährdete Partei brachte beim Erstgericht einen Antrag auf Zustellung einer - auf Anfechtung eines Schenkungsvertrags vom 4. Februar 2011 über mehrere im Sprengel des Erstgerichts gelegene Liegenschaften bezogenen - Anfechtungsmitteilung gemäß § 9 AnfO ein; das Gericht bewilligte diesen Antrag unter Punkt 1.) seines Beschlusses vom 18. Jänner 2012.
Zusammen mit diesem Antrag auf Zustellung der Anfechtungserklärung nach § 9 AnfO beantragte die gefährdete Partei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahin, dass zur Sicherung des Anfechtungsanspruchs hinsichtlich des genannten Schenkungsvertrags der Antragsgegnerin verboten werde, die ihr schenkungsweise zugewendeten Liegenschaften zu belasten oder zu veräußern, und dass das Belastungs- und Veräußerungsverbot grundbücherlich angemerkt werde.
Das Erstgericht sprach (vor Einbeziehung der Antragsgegnerin in das Verfahren) unter Punkt 2.) seines Beschlusses vom 18. Jänner 2012 seine Unzuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung aus. Zwar bestehe die Zuständigkeit zur Entgegennahme und Zustellung einer Anfechtungsmitteilung nach § 9 AnfO; diese Bestimmung führe jedoch nicht zu einer Zuständigkeit auch zur Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung. Gemäß § 387 Abs 2 EO richte sich die Zuständigkeit für die begehrte Sicherungsmaßnahme nach § 382 Abs 1 Z 6 EO vielmehr zwingend nach dem allgemeinen Gerichtsstand der Gegnerin der gefährdeten Partei. Unter Punkt 3.) wies das Erstgericht den Sicherungsantrag zurück.
Das Rekursgericht bestätigte unter Neuformulierung des Spruches die Unzuständigkeitsentscheidung (Punkt 2.), behob die Zurückweisung des Sicherungsantrags (Punkt 3.) und änderte den erstgerichtlichen Beschluss teilweise im Sinne einer Ergänzung dahin ab, dass der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung gemäß § 44 JN an das nach dem Wohnsitz der Gegnerin der gefährdeten Partei örtlich zuständige Bezirksgericht überwiesen wurde.
Gemäß § 387 Abs 1 EO sei für die Bewilligung einstweiliger Verfügungen das Gericht zuständig, vor dem der Prozess in der Hauptsache anhängig sei. Vor Einleitung eines Rechtsstreits sei gemäß § 387 Abs 2 EO das Bezirksgericht zuständig, bei dem der Gegner der gefährdeten Partei zur Zeit der ersten Antragstellung seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen habe. Nur bei Fehlen eines solchen wäre das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Sache gelegen sei. Im vorliegenden Fall habe die gefährdete Partei den Rechtsstreit über den von ihr behaupteten Anfechtungsanspruch noch nicht eingeleitet. Mangels eines Hauptprozesses iSd § 387 Abs 1 EO komme die Zuständigkeitsbestimmung des § 387 Abs 2 EO zum Tragen. Sei im Verfahren über die Erlassung einstweiliger Verfügungen ein anderes als das angerufene Gericht örtlich zuständig, so sei die Rechtssache an das örtlich zuständige Gericht zu überweisen (§ 44 JN).
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob durch einen Antrag nach § 9 AnfO die Zuständigkeit gemäß § 387 Abs 1 EO begründet werde.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag auf Abänderung im Sinne der Bejahung der Zuständigkeit des Erstgerichts (samt Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung).
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Das Revisionsrekursvorbringen der gefährdeten Partei lässt sich dahin zusammenfassen, dass die Zuständigkeit für die Zustellung der Anfechtungsmitteilung auch die Zuständigkeit für die Entscheidung über die begehrte einstweilige Verfügung begründe, weil der Schriftsatz gemäß § 9 Abs 2 AnfO verfahrenstechnisch als „Prozess in der Hauptsache“ zu qualifizieren sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Sache, auf die sich die einstweilige Verfügung beziehe, im Sprengel des Erstgerichts gelegen sei.
Rechtliche Beurteilung
Dazu wurde erwogen:
1. Da die Gegnerin der gefährdeten Partei in Österreich einen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 387 Abs 2 EO), ist im vorliegenden Fall für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts entscheidend, ob die Voraussetzungen des § 387 Abs 1 EO zutreffen, dass beim Erstgericht entweder ein „Prozeß in der Hauptsache“ oder ein „Exekutionsverfahren, in Ansehung deren eine Verfügung getroffen werden soll,“ anhängig ist. Die erste der beiden Alternativen wird von der Rechtsprechung dahin eingeschränkt, dass die begehrte einstweilige Verfügung der Sicherung des konkreten im Prozess geltend gemachten Anspruchs dienen muss (RIS-Justiz RS0004861 [T1]; Heller/Berger/Stix III4 2817).
2. Der Wortlaut des § 387 Abs 1 EO ist in Bezug auf die Anforderungen „Prozeß in der Hauptsache“ und „Exekutionsverfahren“ sehr klar; die Gleichstellung eines Antrags auf Zustellung einer Anfechtungsmitteilung (§ 9 AnfO) mit einer Klage oder einem Exekutionsantrag würde eine Analogie und dieser vorgelagert eine planwidrige Gesetzeslücke voraussetzen.
3. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 6 Ob 263/01x (= JBl 2003, 123) eingehend mit den Unterschieden zwischen einer Anfechtungsklage (§ 8 Abs 2 EO) und einer Anfechtungsmitteilung (Anfechtungsankündigung) nach § 9 AnfO befasst. Letztere dient nur der Sicherung der Anfechtungsklage, kann aber ihre Wirkungen nicht vorwegnehmen. Aus diesem Grund wird von der Rechtsprechung beispielsweise die Zulässigkeit der grundbücherlichen Anmerkung der bloßen Anfechtungsmitteilung abgelehnt (7 Ob 501/95 = JBl 1995, 671 [krit König]; 7 Ob 260/01p = ÖBA 2002/1061, 734). Der Zweck der Anfechtungsmitteilung liegt darin, dem Anfechtenden die Klagefrist zu sichern, ohne dass weitere Voraussetzungen (wie die nach der EO vorgesehenen Voraussetzungen der Anspruchs- und Gefährdungsbescheinigung) vorliegen müssten. Als Sicherungsmittel ist sie aber der Einleitung eines Prozesses mit allen seinen Wirkungen (zB Streitanhängigkeit, Möglichkeit der Streitanmerkung etc) nicht gleichzuhalten. Vor allem verpflichtet die Anfechtungsmitteilung nicht zur Klage. Eine in der fehlenden Gleichstellung liegende Gesetzeslücke bedürfte aber gerade einer wertungsmäßigen Gleichstellung von Anfechtungsmitteilung und Anfechtungsklage, die aus den genannten Gründen nicht erkennbar ist.
4. Dass der Gerichtssand der gelegenen Sache § 387 Abs 2 EO) nur dann zur Verfügung steht, wenn der Gegner der gefährdeten Partei keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, geht aus dem Gesetzestext klar hervor.
5. Zutreffend haben daher die Vorinstanzen aus dem Antrag auf Zustellung der Anfechtungsmitteilung keine Zuständigkeitsbegründung für die Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung auf der Grundlage von § 387 Abs 1 ZPO abgeleitet. Daher ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.
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