Spruch:
Dem Revisionsrekurs der erstbetreibenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs der zweitbetreibenden Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin teilweise abgeändert, daß der zweitbetreibenden Partei auf Grund des vor dem Bezirksgericht Bruck an der Mur am 27.Oktober 1986 abgeschlossenen Vergleiches GZ 2 C 217/86-1 wider die verpflichtete Partei die zwangsweise Räumung der Liegenschaft EZ 1204 KG Bruck an der Mur mit dem darauf befindlichen Wohnhaus bestehend aus Keller, Parterre und ausgebautem Dachgeschoß bewilligt wird.
Die erstbetreibende Partei hat der verpflichteten Partei die mit S 1.510,08 (darin S 137,28 Umsatzsteuer) bestimmten Rekurskosten binnen vierzehn Tagen zu ersetzen und die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Die Kosten der zweitbetreibenden Partei für den Exekutionsantrag werden mit S 627,90 (darin S 39,36 Umsatzsteuer und S 195,- Barauslagen) und ihre Kosten für den Revisionsrekurs werden mit S 997,04 (darin S 90,64 Umsatzsteuer) als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens bestimmt.
Text
Begründung
Die Liegenschaft EZ 1204 KG Bruck an der Mur des Verpflichteten wurde im Zwangsversteigerungsverfahren AZ 39/85 des Erstgerichtes der zweitbetreibenden Bank zugeschlagen. Diese Ersteherin und der Verpflichtete haben am 27.Oktober 1986 vor dem Erstgericht den Vergleich iSd § 433 ZPO geschlossen, wonach sich der frühere Eigentümer verpflichtete, die versteigerte Liegenschaft mit dem darauf befindlichen Wohnhaus bis zum 31.März 1987 zu räumen und der Ersteherin zu übergeben.
Am 13.Oktober 1987 beantragten die betreibenden Parteien, ihnen auf Grund dieses Vergleiches die Exekution durch die zwangsweise Räumung zu bewilligen, weil der Verpflichtete noch nicht geräumt habe. Die zweitbetreibende Bank habe die durch Zuschlag erworbene Liegenschaft mit dem Haus Haydngasse 2 in Bruck an der Mur mit dem Kaufvertrag vom 22.September 1987 der erstbetreibenden Partei verkauft und übergeben. Dem Exekutionsantrag lag die unbeglaubigte Ablichtung der Vertragsurkunde bei, wonach im Grundbuch das Eigentum des Verpflichteten einverleibt, die zweitbetreibende Partei aber infolge des rechtskräftigen Zuschlages im Zwangsversteigerungsverfahren Eigentümerin der Liegenschaft sei und diese der erstbetreibenden Partei verkaufe, die Verbücherung des Kaufvertrages aber erst nach der Entrichtung des bis 2.Jänner 1988 einzuzahlenden Kaufpreises erfolge. Die Übergabe des Kaufgegenstandes erfolge mit Unterfertigung des Kaufvertrages, den die Vertragsteile am 22.September 1987 und 23.September 1987 beglaubigt unterschrieben haben.
Das Erstgericht bewilligte die zwangsweise Räumung. Das Rekursgericht wies über den Rekurs des Verpflichteten den Exekutionsantrag zur Gänze ab und sprach aus, daß der von dieser Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,- nicht aber S 300.000,- übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei. Eine Antragstellung nach § 156 Abs 2 EO sei nicht erfolgt. Die zweitbetreibende Ersteherin habe vielmehr einen Anspruch auf Räumung aus dem gerichtlichen Vergleich gehabt. Bei Veräußerung der Liegenschaft gehe der Räumungsanspruch auf den neuen Eigentümer über, der iSd § 9 EO den Rechtsübergang durch einen Grundbuchsauszug nachweisen könne. Der Kaufvertrag reiche für einen Nachweis nach § 9 EO nicht aus, doch könne der Erwerber sich vom Veräußerer Vollmacht geben lassen, schon vor der Einverleibung des Eigentums im Namen des Veräußerers den Räumungsanspruch durchzusetzen. Die Bevollmächtigung ergebe sich aus dem gemeinsamen Einschreiten beider betreibender Parteien, doch hätten sie nicht behauptet, daß dem Räumungsvergleich kein Bestandverhältnis zugrunde liege. Hätte zwischen den Vergleichsparteien kein Bestandverhältnis vorgelegen, so hätte die zweitbetreibende Ersteherin einen Übergabeantrag nach § 156 Abs 2 EO stellen müssen. Sei aber ein Bestandverhältnis dem Räumungsvergleich vorausgegangen, so sei die Frist des § 575 Abs 2 ZPO, die auch für Räumungsvergleiche gelte, abgelaufen und der Exekutionstitel außer Kraft getreten, weil nicht binnen sechs Monaten nach dem Eintritt der für die Räumung bestimmten Zeit wegen dieser Exekution beantragt wurde. Das Außerkrafttreten des Titels nach § 575 Abs 2 ZPO sei von Amts wegen und daher auch über den Rekurs des Verpflichteten wahrzunehmen.
Gegen diesen abändernden Beschluß des Rekursgerichtes haben beide betreibende Parteien den Revisionsrekurs erhoben. Sie beantragen die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nach § 78 EO sowie § 528 Abs 2 und § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung zukommt und zu denen vom Obersten Gerichtshof noch nicht Stellung genommen wurde.
Nur der Revisionsrekurs der zweitbetreibenden Partei ist berechtigt.
Obwohl § 575 Abs 2 ZPO idF ZVN 1983 nur bestimmt, daß eine gerichtliche Kündigung, ein Übergabeauftrag oder ein Übernahmeauftrag, wider welche nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben wurden, sowie die über solche Einwendungen ergangenen rechtskräftigen Urteile außer Kraft treten, wenn nicht binnen sechs Monaten nach Eintritt der Vollstreckbarkeit die Räumungsexekution beantragt wird, hat die Rechtsprechung die verkürzte Titelverjährung auch bei Urteilen über Räumungsklagen und bei Räumungsvergleichen angenommen, soferne nur dem Verfahren oder dem gerichtlichen Vergleich ein Bestandvertrag zugrunde lag. Die Befristung der Exekutionsfähigkeit der Exekutionstitel nach § 575 Abs 2 ZPO setzt also voraus, daß dem vollstreckbaren Räumungsanspruch ein Bestandverhältnis zugrunde liegt. Räumungsvergleiche, die sich auf das auf einen anderen als aus einem Bestandvertrag oder dessen Auflösung abgeleiteten Übergabeanspruch stützen, fallen nicht unter die Bestimmung des § 575 Abs 2 ZPO (Fasching IV 694; MietSlg 25.578; MietSlg 33.690; MietSlg 34.792 ua; auch nach der ZVN 1983: MietSlg 37.793). Die Einhaltung der Frist des § 575 Abs 2 ZPO hat das Exekutionsgericht von Amts wegen zu prüfen (Heller-Berger-Stix 2489; MietSlg 33.690 ua). Für Räumungsvergleiche, die nicht in einem Bestandverfahren nach den §§ 560 ff ZPO zustande gekommen sind, gilt § 575 Abs 2 ZPO aber nur, wenn der Räumungsverpflichtung ein Bestandverhältnis an einem der im § 560 Abs 1 ZPO bezeichneten Gegenstände zugrunde lag (Heller-Berger-Stix 2490). Ob dies der Fall ist, muß nach dem Inhalt des Exekutionstitels und des diesem zugrunde liegenden Verfahrens beurteilt werden, wenn im Regelfall die Räumungsexekution in aktenmäßiger Fortsetzung des Verfahrens zu behandeln ist, in dem der Exekutionstitel entstanden ist (§ 394 Abs 2 Geo). Da es sich bei der verkürzten Titelverjährung um eine nur für Exekutionstitel im Bestandverfahren nach den §§ 560 ff ZPO geltende Ausnahme (Fasching ZPR Rz 2152) handelt, hat nicht die betreibende Partei zu behaupten und darzutun, daß der Räumungsverpflichtung kein Bestandverhältnis zugrunde lag. Die Frist des § 575 Abs 2 ZPO ist nur dann zu beachten und der Räumungsexekutionsantrag infolge Außerkrafttretens des Titels wegen Unterlassung der Exekutionsführung vor Ablauf der sechs Monate ab Vollstreckungsmöglichkeit abzuweisen, wenn sich aus dem Titel oder nach der Aktenlage ergibt, daß § 575 Abs 2 ZPO überhaupt anwendbar ist. Sonst kann das Recht, den gerichtlichen Vergleich zu vollstrecken, erst innerhalb der langen Verjährungszeit von 30 Jahren verjähren (vgl Schubert in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 1478). Bei einem ohne vorangegangenes Verfahren im Sinne des § 433 ZPO vom Bezirksgericht protokollierten "prätorischen Vergleich" ist das Fehlen der Vollstreckbarkeit infolge Verstreichung der Frist des § 575 Abs 2 ZPO bei der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Räumungsexekution daher nur wahrzunehmen, wenn sich aus dem Vergleich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß zwischen den Vergleichsparteien ein Bestandverhältnis vorlag und der Räumungsanspruch aus einem solchen Bestandverhältnis oder seiner Auflösung abgeleitet wird. Solche Anhaltspunkte liegen hier nicht vor.
Zu Recht hat daher das Erstgericht der zweitbetreibenden Partei die Exekution durch zwangsweise Räumung der Liegenschaft auf Grund des Vergleiches bewilligt, obwohl die Exekutionsführung schon am 1. April 1987 möglich war, der Exekutionsantrag aber erst am 13. Oktober 1987 überreicht wurde.
Die erstbetreibende Partei hingegen kann aus dem gerichtlichen Vergleich vom 27.Oktober 1986 keinen Vollstreckungsanspruch ableiten. Das Rekursgericht hat ihren Exekutionsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auch wenn die Liegenschaft von der Ersteherin an die erstbetreibende Partei verkauft und übergeben wurde, geht das Eigentum erst mit der bücherlichen Einverleibung über. Bis dahin fehlt es an einem im § 9 EO geforderten Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, daß der im Exekutionstitel anerkannte Räumungsanspruch von der zweitbetreibenden Vergleichspartei auf den erstbetreibenden Käufer der Liegenschaft übergegangen ist. Nur unter dieser Voraussetzung könnte zugunsten der anderen als der im Exekutionstitel als berechtigt bezeichneten Person die Exekution stattfinden. Der Anspruch auf Räumung aus dem Titel des Eigentums geht auf den Erwerber über, der den Eigentumserwerb durch einen Grundbuchsauszug nachweisen kann (Heller-Berger-Stix 234; SZ 23/195 ua). Fehlt es an dem Nachweis, kann der Erwerber der Liegenschaft aus einem zugunsten des Veräußerers entstandenen Räumungstitel auch dann nicht im eigenen Namen die Exekution betreiben, wenn ihm vom Veräußerer Besitz und Verwaltung der Liegenschaft überlassen wurden. Die erstbetreibende Partei ist auch nicht als Machthaber der zweitbetreibenden Partei, der bis zum konstitutiven Eigentumserwerb des Käufers durch die bücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechtes aus dem Exekutionstitel berechtigt bleibt, eingeschritten, wie das Rekursgericht meinte, sondern beide Antragsteller haben um die Bewilligung der Exekution angesucht, zu Recht aber nur die zweitbetreibende Partei, denn ein Anspruchsübergang ist nicht in der nach § 9 EO erforderlichen Form bewiesen.
Die Kostenentscheidung zugunsten der zweitbetreibenden Partei beruht auf § 74 EO und auf den §§ 41 und 50 ZPO iVm § 78 EO. Neben den Pauschalgebühren nach Tarifpost 4 sind im Exekutionsverfahren keine weiteren Gerichtsgebühren zu entrichten, und zwar auch dann nicht, wenn ein Rechtsmittel erhoben wird (Anm 4 zu Tarifpost 4 GGG). Der Verpflichtete hat gegen die erstbetreibende Partei Anspruch auf Ersatz seiner Rekurskosten nur auf der Bemessungsgrundlage nach § 10 Z 2 lit c RATG.
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