Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Aufkündigung des Erstgerichtes vom 6. März 1998, 5 C 189/98 m-1, aufgehoben wird und das Klagebegehren, die Beklagten seien schuldig, der klagenden Partei das im Haus ***** Wien, M*****straße 4a gelegene Geschäftslokal Nr 2 geräumt von nicht in Bestand gegebenen Gegenständen zu übergeben, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 21.411,60 (darin enthalten S 3.434,27 Umsatzsteuer und S 806 Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin kündigte die von den Beklagten gemieteten Geschäftsräumlichkeiten für den letzten Tag des Monats April 1998 aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG auf. Die gerichtliche Aufkündigung vom 10. 3. 1998 wurde dem Erstbeklagten am 16. 3. 1998 und dem Zweitbeklagten am 18. 3. 1998 zugestellt.
Die Beklagten machten in den Einwendungen gegen diese Aufkündigung geltend, sie seien als eingeantwortete Erben nach der am 4. 7. 1996 verstorbenen Vormieterin in einen Pachtvertrag betreffend den im Bestandobjekt betriebenen Fusspflege- und Massagesalon eingetreten. Der Pächter habe diesen Vertrag krankheitshalber zum 31. 8. 1997 aufgekündigt. Seither sei das Geschäftslokal geschlossen. Eine Weiterverpachtung des Unternehmens sei bisher unterblieben, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Aufkündigung des Pachtvertrages durch den früheren Pächter bereits zu 5 C 176/97y des Erstgerichtes einen Kündigungsprozess eingeleitet habe und die Beklagten den Ausgang dieses Verfahrens, in dem ihr Eintrittsrecht bestritten wurde, abwarten wollten, um dann die Neuverpachtung ihres Unternehmens in die Wege zu leiten oder allenfalls selbst in Hinkunft diesen Fusspflege- bzw Massagesalon zu führen.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 22. 6. 1998 brachten die Beklagten weiters vor, das Urteil in diesem Vorprozess sei noch nicht rechtskräftig. Da sie selbst noch nicht über die gewerberechtlichen Voraussetzungen verfügten, hätten sie mit heutigem Tag das Unternehmen auf fünf Jahre zum Betrieb eines Fusspflege- und Massagesalons verpachtet; der Pächter sei bemüht, die gewerberechtlichen Voraussetzungen hiefür zu erreichen.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagten zur Räumung des davon betroffenen Bestandobjekts; es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Das Urteil vom 24. 2. 1998, 5 C 176/97y-10, mit dem die Aufkündigung aufgehoben wurde, wurde den Parteienvertretern am 19. 5. 1998 zugestellt; es erwuchs unangefochten in Rechtskraft. In diesem Verfahren hatte die nunmehrige Klägerin das Eintrittsrecht der nunmehrigen Beklagten nach dem Tod der Vormieterin bestritten und deshalb das Bestandverhältnis aufgekündigt.
Im Bestandobjekt hatte Julius V***** das von der Vormieterin betriebene Fusspflegeunternehmen gepachtet. Er beendete dieses Pachtverhältnis krankheitsbedingt mit Ende August 1997. Seitdem war das Lokal geschlossen. Die Beklagten sind weder Masseure noch Fusspfleger und verfügten bis zum 25. 8. 1998 nicht über die gewerberechtlichen Voraussetzungen zum Betrieb eines Fusspflege- und Massagesalons. Am 22. 6. 1998 schlossen sie mit der M***** GmbH einen Pachtvertrag. Diese Pächterin stellte am 5. 8. 1998 den Antrag auf Gewerbeanmeldung und Geschäftsführerbestellung (Fusspflege); sie ist seit 10. 8. 1998 zur Ausübung des Gewerbes der Fusspflege berechtigt. Seit Mitte August 1998 ist das Lokal wieder geöffnet; vorher (seit etwa vier Wochen vor dem 5. 8. 1998) waren Renovierungsarbeiten durchgeführt worden.
Die Pächterin hatte sich auf ein im Juni 1998 in einer Zeitung eingeschaltetes Inserat gemeldet. Bis dahin wollten die Beklagten "die Verhandlung im gegenständlichen Verfahren abwarten ... , ob sie überhaupt das Lokal bekommen, bevor sie einen Pächter suchen".
Da Gründe, aus denen eine Wiederaufnahme regelmäßiger geschäftlicher Betätigung berechtigterweise zu erwarten wären, in dem für die Kündigung maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorgelegen seien, bejahte das Erstgericht das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Beklagten dieses Urteil und sprach aus, die Revision sei zulässig, weil die Rechtsfrage, ob ein Kündigungsverfahren von unbestimmter Dauer das Zuwarten mit der Wiederaufnahme geschäftlicher Tätigkeit rechtfertige, von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung - so weit überblickbar - noch nicht beurteilt worden sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, grundsätzlich sei der Mangel eines schutzwürdigen Interesses dann anzunehmen, wenn trotz derzeitiger Nichtbenützung des Geschäftslokals der Wiederbeginn der geschäftlichen Tätigkeit in naher Zukunft zu erwarten ist. Auf ungewisse in der Zukunft liegende Möglichkeiten sei hingegen nicht Bedacht zu nehmen. Die Wiederaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit müsse bei Schluss der Verhandlung bereits absehbar sein.
Zwar sei im vorliegenden Fall die geschäftliche Tätigkeit bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits wieder aufgenommen worden; maßgebend seien aber primär die Verhältnisse im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung. Die (vorübergehende) Stilllegung eines Geschäftsbetriebes schließe den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG nur dann aus, wenn schon im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung die Wiederaufnahme regelmäßiger geschäftlicher Tätigkeiten feststeht. Im vorliegenden Fall sei jedoch im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung noch nicht festgestanden, ob die geschäftliche Tätigkeit im Geschäftslokal wieder aufgenommen werde, zumal das erste Kündigungsverfahren, dessen Ausgang die Beklagten abwarten wollten, noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei. Im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung sei auch noch ungewiss gewesen, ob die Beklagten in naher Zukunft einen Pächter finden würden, der die gewerberechtlichen Voraussetzungen erfüllen werde können. Im maßgeblichen Zeitpunkt sei daher ungewiss gewesen, ob und wann der Geschäftsbetrieb tatsächlich wieder aufgenommen werde. Auf ungewisse künftige Entwicklungsmöglichkeiten sei jedoch bei Beurteilung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 7 MRG kein Bedacht zu nehmen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist berechtigt.
Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG setzt das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Weise voraus (Würth in Rummel, ABGB**2 Rz 34 zu § 30 MRG; WoBl 1989/57; WoBl 1993/27, 32 ua).
Diese erste Voraussetzung für den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG ist hier gegeben, weil im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an die Beklagten (WoBl 1993/27, 32 ua; an den Erstbeklagten am 16. 3. 1998 und an den Zweitbeklagten am 18. 3. 1998) seit der krankheitsbedingten Auflösung des Pachtverhältnisses durch den früheren Pächter mit 31. 8. 1997 keine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wurde.
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes ist der Mangel eines schutzwürdigen Interesses des Mieters, wobei für das Vorliegen dieses Interesses den Mieter die Beweislast trifft (Würth aaO; SZ 70/7 ua). Insoweit ein schutzwürdiges Interesse zu beurteilen ist, sind nicht bloß die Umstände im Zeitpunkt der Aufkündigung maßgebend; es ist auch die Sachlage heranzuziehen, wie sie sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ergeben hat, soferne die Entwicklung Rückschlüsse darauf zulässt, dass das schutzwürdige Interesse schon im Zeitpunkt der Aufkündigung gegeben war (MietSlg 39.435/49; WoBl 1993/27, 32). So liegt der Kündigungsgrund des § 39 Abs 2 Z 7 MRG dann nicht vor, wenn - ausgehend von der Sachlage im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung oder doch wenigstens bei Schluss der Verhandlung erster Instanz - mit der Wiederaufnahme einer solchen geschäftlichen Tätigkeit in absehbarer Zeit konkret zu rechnen ist (SZ 70/7).
Nach Würth (aaO) ist ein schutzwürdiges Interesse des Mieters anzunehmen, wenn die Wiederaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit bei Schluss der Verhandlung bereits absehbar ist.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Kündigungsgrund sei hier gegeben, weil die vorübergehende Stilllegung eines Geschäftsbetriebes den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG nur dann ausschließe, wenn schon im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung die Wiederaufnahme regelmäßiger geschäftlicher Tätigkeit feststeht, kann in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden. Sie trifft jedenfalls dann nicht zu, wenn besondere Gründe dafür vorliegen, dass es erst später möglich oder zumindest sinnvoll ist, die Entscheidung über die Wiederaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit zu treffen. Dies war hier aber der Fall.
Die Beklagten waren als Erben der früheren Mieterin mit der krankheitsbedingten Erklärung der Beendigung des bestehenden Unternehmenspachtverhältnisses durch den Pächter mit 31. 8. 1997 konfrontiert. Da zu dieser Zeit bereits über eine frühere Aufkündigung ein gerichtliches Verfahren anhängig war, in dem die Verhandlung erster Instanz am 24. 2. 1998 geschlossen wurde, ist es den Beklagten, die das dort betriebene Unternehmen nicht selbst betreiben konnten, durchaus zuzubilligen, in der Zeit vor Rechtskraft des Urteils nicht ein neuerliches Pachtverhältnis zu begründen. Wenn die Beklagten am 22. 6. 1998 einen neuen Pachtvertrag schlossen, nachdem das die Kündigung im früheren Verfahren aufhebende Urteil erster Instanz am 19. 5. 1998 zugestellt worden war, legt dies die Annahme nahe, dass sie von vornherein beabsichtigten, nach Klarstellung ihrer Mieterstellung durch die gerichtliche Entscheidung im laufenden Verfahren das im Geschäftslokal betriebene Unternehmen neuerlich zu verpachten, wie dies auch im Ersturteil mehrfach zum Ausdruck gebracht wird. Diese während des Verfahrens eingetretenen Entwicklungen lassen entgegen der Rechtsmeinung der Vorinstanzen zweifelsfrei den Schluss darauf zu, dass das schutzwürdige Interesse der Mieter sehr wohl schon für den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung zu bejahen ist.
In Stattgebung der Revision der Beklagten war daher die gerichtliche Aufkündigung aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, in den Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.
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