Spruch:
I. Das durch den Tod des Rechtsanwaltes der klagenden Partei am 15. Dezember 1988 nach § 160 Abs 1 ZPO unterbrochene Verfahren wird auf Antrag der klagenden Partei aufgenommen.
II. Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, wird im abweisenden Teil dahin teilweise abgeändert, daß die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei weitere S 491.579,12 samt 9,25 % Zinsen aus S 156.955,50 seit 9. August 1986 und 4 % Zinsen aus S 334.623,62 seit 1.November 1986 binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Kosten dieses Rechtsstreites S 127.393,29 (darin S 9.737,98 Umsatzsteuer und S 20.276,-- Barauslagen) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und ihr Bruder Karl B*** kamen in dem Vergleich vom 13.April 1982 vor dem Handelsgericht Wien überein, daß die Klägerin aus dem vom Vater übernommenen Transportunternehmen als Gesellschafterin ausscheide, ihr Bruder das Unternehmen allein fortführe und der Klägerin das Abschichtungsguthaben bezahle. Das Exekutionsgericht Wien bewilligte der Klägerin zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 738.398,-- am 7. Oktober 1985 die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten als Geschäftsführer gegen die beklagte Gesellschaft mbH zustehenden Bezüge und die Überweisung der gepfändeten Bezüge zur Einziehung. Die Klägerin erhob am 4.August 1986 gegen die beklagte Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter der Verpflichtete als Geschäftsführer ist, die vorliegende Drittschuldnerklage auf Zahlung von zunächst S 500.000,-- sA, weil die beklagte Partei nach wirksamer Pfändung die Bezüge dem Verpflichteten ausbezahlt und dem Auftrag zur Erklärung nach § 301 Abs 1 EO nicht entsprochen habe. In der Verhandlungstagsatzung am 5.November 1986 dehnte die Klägerin ihr Klagebegehren auf Zahlung von S 745.705,48 sA aus. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Über die Klage des Verpflichteten auf Aufhebung des den Titel für die Gehaltsexekution bildenden Schiedsspruches sei der Prozeß noch anhängig. Der von der Klägerin als Überweisungsgläubigerin begehrte Betrag finde in den erhaltenen Beträgen des Verpflichteten seit der Zustellung des Zahlungsverbotes noch keine Deckung. Das Erstgericht verhielt die beklagte Partei zur Zahlung von S 745.705,48 sA und wies nur ein Mehrbegehren an Zinsen ab. Es ging im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus: Die Zustellung des Beschlusses des Exekutionsgerichtes Wien vom 7.Oktober 1985, GZ 7 E 11660/85-1, mit dem Zahlungsverbot und dem Auftrag zur Äußerung nach § 301 Abs 1 EO an die beklagte Drittschuldnerin erfolgte am 9.Oktober 1985. Die beklagte Partei erstattete keine Äußerung und leistete keine Zahlungen an die Klägerin. Sie bezahlte nach der Pfändung dem Verpflichteten an Geschäftsführerbezügen für die Zeit von Oktober 1985 bis Juni 1987 jeweils am Monatsende insgesamt S 509.214,-- aus, ohne den pfändbaren Teil von S 193.044,50 davon einzubehalten und an die betreibende Überweisungsgläubigerin zu leisten. Die dem Verpflichteten als Umsatzprovisionen zustehenden Bezüge wurden seit 1980 nicht ausbezahlt, weil der Geschäftsführer darauf vorläufig verzichtet hatte. Zum 31.Dezember 1986 standen dem Verpflichteten Ansprüche auf nicht ausbezahlte Provisionen von zusammen S 1,028.828,-- zu. Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß die beklagte Drittschuldnerin nach Zustellung des Zahlungsverbotes den pfändbaren Teil der Bezüge für die Zeit von Oktober 1985 bis Juni 1987 von zusammen S 193.044,50 nicht mehr schuldbefreiend an ihren Geschäftsführer auszahlen durfte. Der "vorläufige Verzicht" des Verpflichteten auf Auszahlung seiner Bezüge an Umsatzprovisionen stelle eine Stundung auf unbestimmte Zeit dar, weil eine Fälligkeitsabrede nicht vorliege. Durch die Einziehungsüberweisung sei die Klägerin nach § 308 EO ermächtigt, die Entrichtung des im Überweisungsbeschluß bezeichneten Betrages nach Maßgabe des Rechtsbestandes der gepfändeten Forderung und des Eintrittes ihrer Fälligkeit zu begehren und den Eintritt der Fälligkeit durch Einmahnung herbeizuführen. Gleich ob der "vorläufige Verzicht" des Verpflichteten als eine bloß die Geltendmachung hinausschiebende "reine Stundung" oder eine die Fälligkeit aufschiebende Stundung angesehen werde, seien auch die sonst bei der beklagten Partei üblicherweise halbjährig zu leistenden Umsatzprovisionsbezugsforderungen mit der Einklagung fällig gestellt worden, weil mangels Verabredung einer Zahlungsfrist die Fälligkeit mit dem Tag der Einmahnung eingetreten sei (§ 1417 ABGB). In den fälligen gepfändeten Ansprüchen des Verpflichteten finde die betriebene Forderung volle Deckung. Das Berufungsgericht bestätigte nur den mit S 193.044,50 sA dem Klagebegehren stattgebenden Teil und änderte das Urteil im übrigen dahin ab, daß es das Mehrbegehren auf Zahlung von S 552.660,98 sA abwies. Dazu kam das Berufungsgericht auf Grund der abweichenden rechtlichen Beurteilung der Fälligkeit der Umsatzprovisionsforderungen des verpflichteten Geschäftsführers der beklagten Partei. Die betreibende Partei werde durch die Einziehungsüberweisung berechtigt, die überwiesene Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten zustand, und die ihm verbleibende Gläubigerstellung gegen den Drittschuldner auszuüben. Der Ansicht des Erstgerichtes, die Fälligkeit der Provisionsansprüche sei mit der Einmahnung durch die Zustellung der Drittschuldnerklage (am 8.August 1986) eingetreten, sei nicht zu folgen. Es sei zwar nicht vorgebracht worden, daß der Verpflichtete schon 1980 auf die Auszahlung der Umsatzprovisionen vorläufig verzichtete, doch habe die beklagte Partei behauptet, der eingeklagte Betrag sei durch die bisherigen Bezüge ihres Geschäftsführers nicht gedeckt, und damit bestritten, daß dem Verpflichteten überhaupt Bezüge zustehen, die bis zur Höhe der betriebenen Forderung fällig sind. Die Feststellung über den "vorläufigen Verzicht" des Geschäftsführers sei im Vorbringen der beklagten Partei gedeckt und daher nicht "überschießend". Es ergebe sich kein Anhaltspunkt, daß dem Geschäftsführer die Möglichkeit der Fälligstellung nach seinem Belieben eingeräumt worden sei. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn die Zahlungsfrist auf keine andere Art bestimmt werden könne (§ 1417 ABGB). Bestand aber die Absicht, einen gewissen Aufschub zu gewähren, habe der Richter die Erfüllungszeit nach § 904 Satz 3 ABGB nach Billigkeit festzusetzen, als wäre Zahlung "nach Möglichkeit und Tunlichkeit" oder "falls der Schuldner wieder zu Vermögen kommt, in bessere Verhältnisse gelangt" vereinbart worden. Die Klägerin habe keine Tatsachen vorgebracht, daß die Zahlung durch die beklagte Partei nunmehr billig wäre. Die Beweislast für die Möglichkeit und Tunlichkeit treffe den Gläubiger. Da die Klägerin ihrer Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen sei, sei ihre Berechtigung zur Fälligstellung der gestundeten Provisionsforderungen nicht gegeben.
Mit ihrer Revision strebt die Klägerin, die sich gegen die Abweisung eines Mehrbegehrens von S 61.081,86 sA nicht wendet, weil sich die beklagte Partei am 30.August 1988 in einem vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien geschlossenen Vergleich zur Zahlung dieses Betrages verpflichtet habe, die Wiederherstellung des stattgebenden Urteils des Erstgerichtes durch Zuspruch weiterer S 491.579,12 sA an.
Das nach § 160 Abs 1 ZPO infolge Ablebens des Rechtsanwaltes der Klägerin unterbrochene Revisionsverfahren (3 Ob 192/88) ist auf Antrag der Klägerin, die einen anderen Rechtsanwalt bestellt hat, aufzunehmen (§ 164 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Annahme des Berufungsgerichtes, zwischen der beklagten Partei und ihrem Geschäftsführer sei eine Vereinbarung vorgelegen, wonach die geschuldeten Umsatzprovisionen gleichsam nur nach Möglichkeit oder Tunlichkeit zur Auszahlung gelangen, findet weder in einem Vorbringen der Streitteile noch in den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes Deckung. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der zur Zahlung an die Klägerin verpflichtete Schuldner der Gesellschaft dadurch Kapital zuführte, daß er zunächst die ihm als Geschäftsführerbezug zustehenden Provisionen nicht an sich auszahlen ließ. Bei dieser Sachlage hätte die beklagte Partei zu behaupten und zu beweisen gehabt, daß eine auch die Klägerin als Überweisungsgläubigerin bindende Vereinbarung getroffen wurde, daß die Zahlung der Provisionen erst zu einem aufgeschobenen Zeitpunkt unter Umständen, die bisher nicht eingetreten seien, gefordert werden könne. Es trifft zwar zu, daß der Klägerin im Drittschuldnerprozeß nur die Rechte zustehen, die der Verpflichtete als Gläubiger der gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Forderungen an Bezügen gegen die beklagte Partei geltend machen kann, und daß der Gläubiger die Möglichkeit zur Leistung nachzuweisen hat, wenn infolge einer Verabredung, wonach der Schuldner die Erfüllung nur nach Möglichkeit oder Tunlichkeit versprochen hat, die Erfüllungszeit vom Richter erst nach billigem Ermessen festgesetzt werden soll (JBl 1949, 358). Die Fälligsetzung durch den Gläubiger ist aber nach § 904 Satz 1 ABGB das Prinzip; der sich auf Ausnahmen - wie eine Vereinbarung iSd § 904 Satz 3 ABGB, die ausdrücklich getroffen oder deutlich erkennbar sein muß (1 Ob 358/60; 4 Ob 639/71; 8 Ob 511/77) - berufende Schuldner trägt die Beweislast (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 11 zu § 904). Daß die Bestimmung des § 904 Satz 3 ABGB nicht nur zur Anwendung komme, wenn der Verpflichtete die Erfüllung nach Möglichkeit oder Tunlichkeit versprochen hat, sondern immer schon dann, wenn die Parteien die Absicht hatten, einen gewissen Aufschub zu gewähren, oder die Leistungszeit aus anderen Gründen im ungewissen blieb (MietSlg 30.122), kann in dieser Allgemeinheit nicht gesagt werden (vgl Gschnitzer in Klang2 IV/1, 355). Es wäre daher Sache der beklagten Partei gewesen, Tatsachen zu behaupten, wonach sie wegen der Verbindlichkeit zur Zahlung der ihrem Geschäftsführer zustehenden, bloß auf Grund reiner Stundung (Kapitalzufuhr an die Gesellschaft) noch nicht ausbezahlten Provisionen infolge wirksamer Vereinbarungen noch nicht in Anspruch genommen werden könne. Erst wenn sie eine Abrede nach § 904 Satz 3 ABGB behauptet und bewiesen hätte, wäre der Klägerin die Möglichkeit offengestanden, den Eintritt von Tatsachen darzutun, die dem Richter die Festsetzung der Erfüllungszeit gestattet hätte (Mayrhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht AT 81). Dazu kommt, daß die Überweisungsgläubigerin in die Vertragsbeziehung zwischen dem Verpflichteten und der von ihm nach außen vertretenen beklagten Gesellschaft keinen Einblick hat und es daher genügen muß, daß sie das Bestehen von Gehaltsansprüchen (Umsatzprovisionen) des Verpflichteten nach exekutiver Pfändung seiner Bezüge nachgewiesen hat. Es ist daher der Ansicht des Erstgerichtes zu folgen, daß die Klägerin als Überweisungsgläubigerin berechtigt war, mit ihrer Klage die auf sie übergegangenen Forderungen des Verpflichteten, auch wenn dieser aus welchen Erwägungen immer ihre Einforderung bisher unterlassen hatte, durchzusetzen.
Einer Erledigung der in der Berufung vorgetragenen Beweisrüge der beklagten Partei bedurfte es nicht, weil es an einem ihr obliegenden tauglichen Tatsachenvorbringen in erster Instanz fehlt, daß sie zur Auszahlung der Provisionsbeträge an ihren Geschäftsführer erst nach einer tiefgreifenden Besserung ihrer wirtschaftlichen Lage verpflichtet wäre, oder daß gar der Verpflichtete vor der Zustellung des Zahlungsverbotes auf seine Ansprüche an Umsatzprovisionen verzichtet hätte. Eine Zeugenaussage kann das erforderliche Parteivorbringen nicht ersetzen (SZ 39/8; MietSlg 38/39 uva). Die Entschuldigung des zur Parteienvernehmung geladenen Geschäftsführers war überdies ungenügend (§ 381 ZPO). Mangels eines Tatsachenvorbringens kommt es aber auch gar nicht darauf an, ob der Geschäftsführer der beklagten Partei (und Verpflichtete) zu den maßgebenden Umständen vernommen werden konnte. Da die Klägerin mit dem Hinweis auf den vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien zu 18 Cga 2046/88 geschlossenen Vergleich, mit dem sich die beklagte Partei zur Zahlung von S 61.081,86 sA verpflichtete, in diesem Umfang die Abweisung ihres Zahlungsbegehrens durch das Berufungsgericht unbekämpft ließ und auch der bestätigende Teil rechtskräftig ist, ist nur in Ansehung von S 491.579,12 sA die erstgerichtliche stattgebende Entscheidung wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2 Fall 1 und 50 ZPO, weil die unterlegene beklagte Partei der letztlich obsiegenden Klägerin die zur Rechtsverwirklichung notwendigen Kosten des Prozesses in allen Instanzen zu ersetzen hat. Dabei hat der Oberste Gerichtshof alle Kosten einschließlich der durch die Schriftsätze 13 und ON 17 verursachten zu berücksichtigen.
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