OGH 3Ob36/98k

OGH3Ob36/98k28.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alice M*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Walter Lichal, Rechtsanwalt in Wien und der Nebenintervenienten auf seiten der klagenden Partei 1.) Roman W***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz,

2.) Franz K*****, Landwirt, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in Hartberg, wider die beklagte Partei Gemeinde H*****, vertreten durch Dr.Helmut Klement und Dr.Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 80.000,-- samt Nebengebühren, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21.September 1995, GZ 7 R 21/95-46, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 20.April 1995, GZ 2 C 2507/93m-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Berufungsverhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Fritz M*****, der im vorliegenden Verfahrens ursprünglich als Kläger auftrat, jedoch am 30.6.1994 verstarb, hielt sich im März 1993 mit seiner Ehegattin Alice M*****, der sein Nachlaß eingeantwortet wurde, in dem von der Erstnebenintervenientin im Gemeindegebiet H***** betriebenen R*****-Gesundheitszentrum auf. Bei einem Spaziergang auf dem "Kursteig" am 15.3.1993 kam Fritz M***** auf einer im Böschungsbereich angelegten, in das Erdreich eingelassenen, aus Waschbetonplatten gebildeteten Stiege zu Sturz. Der "Kursteig" war im Bereich der Stiege als unbefestigter Feldweg angelegt. An einer vorherigen Abzweigung des Weges befand sich eine Tafel mit folgender Aufschrift: "Kursteig. Durchgang für Gäste des R*****-Hotels". Auf beiden Seiten der Stiege befand sich jeweils ein von drei in die Erde versenkten Holzstehern getragener Handlauf. Fritz M***** trug am Unfalltag feste Halbschuhe mit einer tiefen profilierten Gummisohle. Es herrschte schönes Wetter. In der Nacht zuvor hatte es jedoch gefroren. Fritz M***** hielt sich beim Abwärtsgehen auf der Stiege am rechten Handlauf an, um nicht auszurutschen. Als der Handlauf zufolge abgemorschter Steher plötzlich nachgab, rutschte er nach hinten und fiel im letzten Drittel der Stiege hin. Fritz M***** erlitt durch den Sturz einen unverschobenen Bruch der linken Außenknöchelspitze und einen Kompressionsbruch des ersten Lendenwirbels. Wegen der unfallskausalen Verletzungen litt er zwei Tage an starken, 8 Tage an mittelstarken und 51 Tagen an leichten Schmerzen.

Der Zweitnebenintervenient ist Eigentümer des Grundstückes, auf dem Fritz M***** zu Sturz kam. Roman W*****, der Geschäftsführer der Erstnebenintervenientin, hatte mit dem Zweitnebenintervenienten im Jahr 1979 eine Vereinbarung geschlossen, daß bis auf Widerruf der Durchgang für die Kurgäste der Erstnebenintervenientin gegen eine jährliche Entschädigung von S 1.500,-- gestattet werde. Der Geschäftsführer der Erstnebenintervenientin errichtete in der Folge eine Stiege im Bereich des Kursteiges samt der bereits genannten Hinweistafel.

Günther T*****, ein Mitarbeiter der Erstnebenintervenientin, ersuchte im Jahr 1988 den Bürgermeister der Beklagten, den jährlichen Pachtschilling von S 1.500,-- zur Zahlung zu übernehmen. Diesem Wunsch kam die Beklagte durch entsprechende Zahlungen in den Jahren 1988 bis 1993 nach. Die zwischen den beiden Nebenintervenienten geschlossene Vereinbarung ist noch aufrecht. Ab der Vereinbarung zwischen den beiden Nebenintervenienten wurden vom Zweitnebenintervenienten keine Pflege- oder Erhaltungsarbeiten im Bereich des Kursteiges gemacht.

Die Beklagte wurde jährlich von der Erstnebenintervenientin angerufen und dazu aufgefordert, im Bereich des Kursteiges das Gras zu mähen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nach, ohne diese Leistung der Erstnebenintervenientin in Rechnung zu stellen. Der Kursteig wurde nicht nur von den Gästen der Erstnebenintervenientin, sondern auch von anderen Personen benützt, dies obwohl die alte Tafel nie entfernt wurde. Die Erstnebenintervenientin erstellte eine Wanderkarte, in der auch der Kursteig aufschien; diese lag im Kurhotel zur Entnahme auf. Der Entwurf zur Wanderkarte stammte von der Beklagten.

Die Klägerin begehrt als eingeantwortete Erbin nach ihrem verstorbenen Ehegatten ein Schmerzengeld von S 80.000,-- sA zur Abgeltung der von Fritz M***** beim Sturz vom 15.3.1993 erlittenen Schmerzen. Der Sturz sei auf den mangelhaften Zustand des Stiegengeländers bzw Handlaufes zurückzuführen. Die Beklagte treffe als Halter des Weges ein grobes Verschulden. Sie habe seit 1988 die Kosten für die Inanspruchnahme des Kursteiges bezahlt; offensichtlich sei zwischen den Beteiligten vereinbart gewesen, daß die Beklagte die Betreuung und Verantwortung für den Kursteig übernehme. Durch Leistung einer Kurtaxe sei überdies ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden. Das Klagebegehren werde auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere eine Haftung gemäß den §§ 1319, 1319 a ABGB gestützt.

Die Beklagte bestritt die behauptete Haltereigenschaft. Der Unfall habe sich auf Privatgrund ereignet. Der Weg sei von der Erstnebenintervenientin angelegt worden. Die jährlichen Zahlungen der Beklagten ab 1988 seien freiwillig aus Mitteln der Fremdenverkehrsförderung erfolgt. Sie hätten nicht die Errichtung und die Erhaltung des Weges abgegolten, sondern die Einräumung der Benützung durch den Liegenschaftseigentümer. Zu einer Änderung des Vertrages zwischen den beiden Nebenintervenienten sei es dadurch nicht gekommen. Die Beklagte hätten keine Instandhaltungspflichten getroffen. Das überwiegende Verschulden am Sturz treffe Fritz M*****. Durch die Bezahlung einer Fremdenverkehrsabgabe sei kein Vertrag zwischen den Parteien zustandegekommen.

Die Erstnebenintervenientin wendete ein, daß sich die Beklagte bemüht habe, die Anziehungskraft des Gemeindegebietes für Touristen und Gäste zu erhöhen. Deshalb habe sie der Beklagten vorgeschlagen, den bislang für Kurgäste reservierten Kursteig in das gemeindeeigene Wanderwegesystem zu integrieren. Als Gegenleistung habe sich die Beklagte bereit erklärt, die jährlichen Pachtzahlungen zu übernehmen. Damit habe die Beklagte Wegehaltereigenschaft erlangt; die Verpflichtung zu allfälligen Sanierungen sei auf sie übergegangen.

Der Zweitnebenintervenient führte aus, daß es mit seiner Zustimmung zur Vereinbarung zwischen der Erstnebenintervenientin und der Beklagten gekommen sei, daß das ursprünglich von der Erstnebenintervenientin geleistete jährliche Nutzungsentgelt von der Beklagten bezahlt werde, weil die Benützung nicht nur den Kurgästen der Erstnebenintervenientin, sondern auch anderen Personen offenstehen sollte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; eingangs der Revisionsentscheidung ist der wesentliche Sachverhalt insoweit wiedergegeben, soweit er im Berufungsverfahren unbekämpft geblieben ist.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß es sich bei der von der Erstnebenintervenientin errichteten Stiege um ein Bauwerk im Sinne des § 1319 ABGB handle. Die Beklagte treffe keine Haftung, weil sie nicht Besitzer im Sinne dieser Bestimmung gewesen sei. Dies hätte nämlich eine Beziehung zum Werk vorausgesetzt, welche die Möglichkeit gegeben hätte, der Gefahr durch Vorkehrungen zu begegnen. Besitzer sei vielmehr die Erstnebenintervenientin gewesen. Die Beklagte sei auch nicht Halter des Weges gewesen. Halter des Weges sei derjenige, der die Kosten für die Errichtung und Erhaltung trage sowie die Verfügungsmacht habe, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. In der Übernahme der jährlichen Entgeltzahlung an den Zweitnebenintervenienten als Grundeigentümer sei keine Übernahme der Verfügungsmacht über den Weg zu erblicken. Die Verfügungsmacht über den Kursteig habe weiter die Erstnebenintervenientin ausgeübt. Dies habe sich auch darin gezeigt, daß ein Mitarbeiter der Erstnebenintervenientin immer wieder bei der Beklagten angerufen und um das Mähen des Grases im Bereich des Kursteiges ersucht habe. Die Verfügungsmacht der Erstnebenintervenientin sei auch darin zu erblicken, daß die von ihr errichtete Tafel auch nach der Übernahme der jährlichen Entgeltzahlung nicht entfernt worden sei.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Klägerin und der beiden Nebenintervenienten das Ersturteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab; es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es der ständigen Rechtsprechung gefolgt sei. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß auf die Tatsachenrüge der Berufungswerber nicht eingegangen werden müsse, weil die Sache schon unter Zugrundelegung der unbekämpft gebliebenen Feststellungen im Sinne der Klagestattgebung spruchreif sei. In seiner rechtlichen Beurteilung ging es davon aus, daß es durch die über Aufforderung der Erstnebenintervenientin vereinbarte Übernahme der Zahlung des jährlichen Pachtschillings von S 1.500,-- durch die Beklagte - daß der Zweitnebenintervenient dieser Übernahme zugestimmt habe, sei im Prozeßvorbringen des Zweitnebenintervenienten zugestanden worden - zu einer befreienden Schuldübernahme gemäß § 1405 ABGB gekommen sei. Die Beklagte sei damit als Neuschuldner an die Stelle der Erstnebenintervenientin als Altschuldner getreten. Die Beklagte sei Besitzer und Halter der Stiege gewesen, habe den Kursteig in ihr Wanderwegenetz einbezogen, mehrfach das Gras gemäht ohne hiefür Kosten zu verrechnen, und die Handläufe nach dem Unfall auf ihre Kosten neu errichtet. Dadurch habe sie zu erkennen gegeben, daß sie in der Lage gewesen wäre, die Handläufe und die Steher zu überprüfen. Die von der Judikatur geforderte Beziehung der Beklagten zum Werk sei daher vorgelegen.

Die Beklagte habe aber auch eine Verkehrssicherungspflicht nach § 1295 ABGB getroffen. Derjenige, der im Verkehr eine Gefahrenquelle in seiner Sphäre bestehen lasse, habe im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen, also jene Vorkehrungen zu treffen, die geeignet seien, eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit hintanzuhalten. Die Beklagte habe den Verkehr nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert. Ob die Erstnebenintervenientin weiterhin neben der Beklagten Mitbesitzer bzw Mithalter gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, weil die Beklagte auf jeden Fall hafte.

Dem Verstorbenen Fritz M***** sei kein Mitverschulden anzulasten. Angesichts der erlittenen Verletzungen sowie der Dauer und Intensität der erlittenen Schmerzen sei ein Schmerzengeld von S 80.000,-- angemessen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung an die erste oder zweite Instanz begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil der Berufungsentscheidung eine unrichtige rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der zugrundegelegten Tatsachenfeststellung anhaftet. Die außerordentlichen Revision ist im Sinne des gestellten Eventualantrages berechtigt.

In rechtlicher Hinsicht ist primär strittig, ob die Beklagte Besitzer jener Stiege war, durch deren morsche Steher Fritz M***** beim Anhalten am rechten Handlauf zu Sturz kam. Die Stiege war im Böschungsbereich angelegt und Teil eines als "Kursteig" bezeichneten unbefestigten Feldweges. Es drängt sich daher zunächst die Frage auf, ob die Beklagte, die nicht Grundeigentümer war, als Besitzer eines Bauwerks gemäß § 1319 ABGB oder Halter eines Weges gemäß § 1319 a ABGB haftet.

Wird jemand durch den Einsturz oder die Ablösung von Teilen eines Werkes verletzt, so ist der Besitzer des Werkes ersatzpflichtig, wenn die Verletzung die Folge einer mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat (§ 1319 ABGB). Wird jemand durch den mangelhaften Zustand eines Weges, wozu auch die in seinem Zug befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen gehören, verletzt, so haftet derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat (§ 1319 a ABGB).

Bei der Stiege und ihren Stehern und Handläufen handelte es sich, wovon schon die Vorinstanzen zutreffend ausgingen, um ein Werk im Sinne des § 1319 ABGB (Reischauer in Rummel, ABGB II2 Rz 4 zu § 1319; SZ 13/5; SZ 36/103; ImmZ 1972, 172), wohl aber auch um eine im Zuge eines Weges befindliche und dem Verkehr dienende Anlage im Sinne des § 1319 a ABGB (Reischauer in Rummel aaO Rz 5 zu § 1319 a; EvBl 1994/8).

Richtig ging das Berufungsgericht davon aus, daß Besitzer eines Werkes im Sinne des § 1319 ABGB derjenige ist, der der Lage war, durch die erforderlichen Vorkehrungen die Gefahr rechtzeitig abzuwenden und hiezu auch durch eine Beziehung zu dem Werk verpflichtet war (SZ 27/37; SZ 40/136; EvBl 1965/48; EvBl 1994/8). Nach moderner Termologie ist unter "Besitzer" im Sinne des § 1319 ABGB der "Halter" zu verstehen, wie ihn § 1320 ABGB erstmals erwähnte, der wiederum Vorbild zur Lösung vergleichbarer Haftungsprobleme geworden ist. Es kommt nicht auf das rechtliche, sondern auf das tatsächliche und wirtschaftliche Verhältnis an, in dem der Besitzer bzw Halter zur Sache steht. Maßgeblich ist eine Beziehung zum Bauwerk, die den Besitzer in die Lage versetzt und nach der Verkehrsanschauung auch dazu verpflichtet, Gefahren rechtzeitig vorzubeugen (Reischauer aaO Rz 12 zu § 1319; ecolex 1997, 658).

Halter eines Weges im Sinne des § 1319 a ABGB ist, wer die Kosten für die Errichtung und (oder) Erhaltung des Weges trägt und die Verfügungsmacht darüber hat (Reischauer aaO Rz 8 zu § 1319 a mwN; ZVR 1992/97 ua).

Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den beiden Nebenintervenienten war der Erstnebenintervenientin gegen Zahlung einer jährlichen Entschädigung von S 1.500,-- der Durchgang ihrer Kurgäste auf dem Grundstück des Zweitnebeninterventienten gestattet worden. Die Erstnebenintervenientin errichtete auf diesem Grundstück (offenbar den "Kursteig" und) die Stiege, auf der Fritz M***** in der Folge zu Sturz kam. Die Nahebeziehung der Beklagten beschränkte sich - nach dem unbekämpften, vom Berufungsgericht zugrundegelegten Sachverhalt - primär darauf, daß sie gegenüber der Erstnebenintervenientin ab 1988 die Zahlung der jährlichen Entschädigung an den Zweitnebenintervenienten für die Gestattung des Durchgangs auf dem Grundstück übernahm. Ob hiedurch eine befreiende, die Einwilligung des Gläubigers voraussetzende Schuldübernahme gemäß § 1405 ABGB zustandekam (Ertl in Rummel, ABGB2 II Rz 2 zu § 1405), wie dies das Berufungsgericht annahm, ist letztlich unerheblich, weil die bloße Übernahme der Verpflichtung der Zahlung einer jährlichen Entschädigung für die Gestattung des Durchganges auf einem fremden Grundstück die Beklagte weder zum Halter des Weges noch der Stiege auf fremdem Grund machte. Eine komplette Übernahme des Vertrages zwischen den beiden Nebenintervenienten durch die Beklagte wurde nie behauptet und ist auch nicht hervorgekommen (Koziol/Welser I10 303 f; Schwimann/Mader ABGB2 VII Rz 8 zu § 1406). Bezeichnenderweise gab der Zweitnebenintervenient bei seiner Vernehmung an, daß die Vereinbarung zwischen ihm und der Erstnebenintervenientin noch heute existiere, daß er bezüglich der Zahlung der jährlichen Entschädigung mit der Beklagten kein Gespräch geführt habe und daß eine von ihm für 1995 geplante Aufkündigung der Vereinbarung gegenüber der Erstnebenintervenientin erfolgen werde (ON 11; AS 57-59).

Ob die Beklagte nach dem Unfall nur über Aufforderung der Erstnebenintervenientin die Handläufe auf ihre Kosten erneuerte, ist für die Frage, ob die Beklagte bereits im Unfallzeitpunkt Halter im Sinne der §§ 1319, 1319 a ABGB war, irrelevant.

Unbekämpft blieb in den Berufungen, daß die Beklagte über Aufforderung der Nebenintervenientin das Gras im Bereich des Kursteiges mähte; ob sie nur über Aufforderung der Erstnebenintervenientin Gras mähte, ist für die Frage einer Nahebeziehung zur Stiege ebenfalls irrelevant. Das Grasmähen machte die Beklagte ebensowenig zum Halter der Stiege wie der Entwurf einer Wanderkarte oder die Benützung des Weges durch andere Personen als Kurgäste.

Wesentlich ist jedoch für die rechtliche Beurteilung der Sache, was zwischen der Beklagten und der Erstnebenintervenientin im Zusammenhang mit der Übernahme der jährlichen Zahlung vereinbart wurde. Hiezu stellte das Erstgericht fest, daß mit der Beklagten kein Gespräch über die Haltung und Instandsetzung des Weges geführt wurde (S 4 d.U. = AS 173). Diese Feststellung wurde aber von der Klägerin und den beiden Nebenintervenienten in den Berufungen bekämpft und statt dessen die Feststellung gefordert, die Beklagte hätte sich nicht nur zur Tragung der Kosten, sondern auch zur Übernahme der Instandhaltung des Kursteiges verpflichtet; der Bürgermeister der Beklagten hätte wörtlich erklärt: "Diesen Kursteig übernehmen wir."

Mit einer derartigen "Übernahme" hätte die Beklagte Halter-(oder zumindest Mithalter-)eigenschaft erworben, die ihre Passivlegitimation im gegenständlichen Verfahren begründen würde (vgl ZVR 1990/120). Mangels Behandlung der Beweis- und Tatsachenrüge durch das Berufungsgericht, steht jedoch der Inhalt der Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Erstnebenintervenientin noch nicht abschließend fest.

Die gleichen Überlegungen haben für die vom Berufungsgericht angenommene Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte zu gelten, wobei man die Haftung nach den §§ 1319, 1319a ABGB ohnehin als speziell geregelte Tatbestände der heute allgemein anerkannten Verkehrssicherungspflicht sehen kann (Schwimann/Harrer, ABGB2 VII Rz 2 zu § 1319 bzw Rz 1 zu § 1319 a). Die bloße Übernahme der Zahlung allein brachte die Beklagte noch in keine relevante Nahebeziehung zu dem auf dem Grundstück des Zweitnebenintervenienten stattfindenden Verkehr und der sich diesem Verkehr entgegenstellenden Gefahrenquellen. Das bloße Interesse einer Gemeinde an der Förderung des Tourismus begründet ebenfalls noch keine ausreichende Nahebeziehung, wohl aber die vertragliche Übernahme der Instandhaltung des Kursteiges ("Diesen Kursteig übernehmen wir").

Abschließend sei noch angemerkt, daß der Tourist durch die auf einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung beruhenden Zahlung einer Kurtaxe (Ortstaxe, Fremdenverkehrsabgabe) in keine vertragliche Beziehung zur Gemeinde tritt (Reindl in ZVR 1975, 353 [355 f]).

Das Berufungsgericht hat ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht die Beweis- und Tatsachenrüge der Klägerin und der beiden Nebenintervenienten ungeprüft gelassen. Erst nach deren inhaltlichen Erledigung wird abschließend beurteilt werden können, ob die Beklagte Haltereigenschaft hatte und Verkehrssicherungspflichten verletzte. Demgemäß ist das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung im aufgezeigten Sinn aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte