Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die klagende Partei, die in Wien ein bekanntes Autohaus betreibt, hat (als Vertragshändlerin) mit der beklagten Importeurin von Fahrzeugen der bestimmten Marke mit Geltung ab 1. Oktober 2003 einen Händlervertrag sowie einen Werkstattvertrag geschlossen. Die beklagte Partei hat diesen Händlervertrag mit Schreiben vom 9. April 2008 auf 30. April 2009, in eventu auf 30. April 2010 gekündigt. Im Zuge von Vergleichsgesprächen wurde das Ende der Kündigungsfrist von den Vertragsparteien sukzessive bis - letztlich - 15. Jänner 2012 hinausgeschoben.
Mit ihrer am 19. März 2010 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei ursprünglich die Feststellung, dass die Kündigung vom 9. April 2008 unwirksam sei und das Vertragsverhältnis jedenfalls nicht zum 30. April 2010 ende. Im Rahmen einer Erörterung vor dem Erstgericht stellte die klagende Partei klar, dass das Klagebegehren sinngemäß auf die Feststellung des aufrechten Bestands des Vertragshändlervertrags und des Werkstattvertrags gerichtet sei, und stellte ergänzende Feststellungsbegehren.
Mit seinem Urteil vom 24. Juli 2012 hat das Erstgericht das Feststellungsbegehren des aufrechten Bestands des Händlervertrags und des Werkstättenvertrags (in Punkt 4. des Ersturteils) abgewiesen und weiters im Sinne des ergänzten Klagebegehrens festgestellt, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen jedenfalls nicht zum 30. April 2010 geendet habe und jedenfalls bis zum 15. Juni 2010 aufrecht gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und änderte infolge Berufung der beklagten Partei das Ersturteil dahin ab, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und legte der rechtlichen Beurteilung zugrunde, dass - unter Zugrundelegung von Art 3 Abs 4 der Kfz-GVO Nr 1400/2002 - ein sachlicher Grund für die Kündigung beider Verträge bestanden habe: Die klagende Partei habe ohne sachliche Rechtfertigung - nämlich durch die Behauptung der tatsächlich nicht bestehenden Zusage, nur einer von drei Händlern der Kfz-Marke in Wien zu sein, und die darauf gestützte Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen (ua im Wege der Aufrechnung mit Zahlungsansprüchen der Beklagten) - eine wesentliche Bevorzugung gegenüber anderen Vertragshändlern der beklagten Partei angestrebt und so deren Vertriebssystem empfindlich gestört.
Da der aufrechte Bestand der Verträge zum 30. April 2011 bzw bis zum 15. Juni 2010 von der beklagten Partei nicht bestritten werde, fehle es am rechtlichen Interesse an einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung.
Die Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
In ihrer außerordentlichen Revision macht die klagende Partei als erhebliche Rechtsfragen (zusammengefasst) geltend,
- ob Verträge, die sich in ihrer Ausgestaltung der Kfz-GVO 1400/2002 unterworfen hätten, dieser GVO widersprechende Inhalte (hier zur Begründungspflicht der Kündigung) haben dürften,
- ob Verfehlungen aus dem Händlervertrag auch zu einer Kündigung des Werkstattvertrags führen könnten,
- ob ein vermeintliches Einvernehmen über die Verlegung des Endes der Kündigungsfrist aus den Urkunden ./D, ./J sowie ./L abgeleitet werden könne und
- ob Vergleichsgespräche, die auf eine Weiterführung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ausgerichtet seien, den bereits in Gang gesetzten Lauf einer Kündigungsfrist hemmen.
Rechtliche Beurteilung
Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.
1. Zutreffend weist die klagende Partei darauf hin, dass es im vorliegenden Fall im Wesentlichen um den Inhalt der beiden zwischen den Parteien geschlossenen Verträge (Händlervertrag und Werkstattvertrag) geht. Die Frage, welche Vertragsinhalte einer einzelnen vertraglichen Beziehung zugrunde liegen, begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042936, RS0044358 ua).
Ein unvertretbares Auslegungsergebnis, das vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre, liegt nicht vor. Der Händlervertrag wurde laut seiner Präambel „auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr 1400/2002 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 31. Juli 2002 geschlossen“. Zum einen kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der gesamte Inhalt der Kfz-GVO in den Händlervertrag übernommen wird. Zum anderen fehlt es den Regelungen in Gruppenfreistellungsverordnungen selbst an unmittelbaren und zwingenden zivilrechtlichen Wirkungen (ausführliche Nachweise in 4 Ob 119/09t = ÖBl 2010/37, 193 [Barbist]), sodass aus der allgemeinen Bezugnahme der Vertragsparteien nicht darauf geschlossen werden kann, dass zivilrechtliche Regelungen für die Geltung zwischen den Vertragsparteien geschaffen werden sollten.
Schließlich hat das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt, dass der Kündigung beider Verträge - im Sinne des Art 3 Abs 4 der Kfz-GVO - ein sachlicher Grund („objektiv und transparent“) zugrunde liegt, der zwar im Wesentlichen aus dem Händlervertrag stammt; es ist aber nicht unvertretbar, dass dieser Grund in der konkret gegebenen Situation auch - sachlich - auf den Werkstattvertrag durchschlägt (vgl 4 Ob 73/12g = ÖBl-LS 2012/75, 254 - unrichtige Verkaufsmeldungen).
2. Nach den Feststellungen haben die Parteien im Hinblick auf die laufenden Vergleichsverhandlungen immer wieder Sistierungsvereinbarungen verlängert und das Ende der Kündigungsfrist einvernehmlich auf einen späteren Zeitpunkt verlegt (zuletzt Beilage ./L: „Die Kündigungstermine des Händler - und Werkstättenvertrags werden einvernehmlich auf den 15. 01. 2012 verlegt.“). An diese Feststellungen über die getroffenen Vereinbarungen ist der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden. Kündigungszeiten können von den Vertragsparteien einvernehmlich verändert werden, ohne dass dies eine Auswirkung auf die Kündigung selbst hätte (vgl etwa RIS-Justiz RS0028544 zur einvernehmlichen Verkürzung der Kündigungsfrist). Eine unvertretbare Urkundenauslegung vermag die Revisionswerberin nicht darzulegen.
Damit spielt aber die Frage der Hemmung der Kündigungsfrist durch Vergleichsgespräche für die Frage, ob der Händlervertrag und/oder der Werkstattvertrag noch aufrecht sind, keine Rolle mehr. Anhaltspunkte dafür, dass Vergleichsgespräche generell auch den Lauf von Kündigungsfristen hemmen müssten, gibt es nicht; eine an sich wirksame Kündigungserklärung wird allein durch nachfolgende Vergleichsgespräche ja nicht mehr beseitigt. Mit der Festlegung des Kündigungstermins wird zwingend auch die Länge der Kündigungsfrist bestimmt.
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