Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird abgeändert und die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt.
Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 4.243,80 (darin S 385,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Nachlaß nach der am 6.September 1982 verstorbenen Gertrude G*** wurde der betreibenden Partei am 16.Februar 1984 eingeantwortet. In den Nachlaß fiel die vom Verpflichteten benützte Liegenschaft EZ 436 KG Altlengbach mit dem Haus Nr. 86 in Altlengbach. Mit der Behauptung, der Benützer habe keinen Rechtstitel, weigere sich aber, die Liegenschaft zu räumen, erhob die Erbin am 26.April 1984 gegen ihn die Räumungsklage. Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt, das Berufungsgericht bestätigte. Mit seinen dem Räumungsverlangen entgegengesetzten Einwänden, die Liegenschaft sei ihm als Vermächtnis zugekommen, die letztwillige Anordnung der Gertrude G*** vom 8.April 1981 sei als Erbseinsetzung aber zumindest als Legat eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnungsrechtes zu verstehen und jedenfalls sei er Mieter, drang der Verpflichtete nicht durch.
Nach Rechtskraft des Titels bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei auf ihren Antrag am 10.September 1985 die Exekution durch die zwangsweise Räumung der Liegenschaft. Am 17.September 1985 erhob der Verpflichtete gegen die betreibende Partei beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 23 Cg 241/85 die auf Feststellung, daß er Alleinerbe nach Gertrude G*** sei, und auf Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der Liegenschaft EZ 436 KG Altlengbach gerichtete Erbschaftsklage. Er behauptete, im Sommer 1985 erfahren zu haben, daß Gertrude G*** im Frühjahr 1981 ein mündliches Testament errichtet und ihn zu ihrem Alleinerben eingesetzt habe. Am 2.Oktober 1985 brachte der Verpflichtete beim Erstgericht zu AZ C 153/85 die Klage auf Wiederaufnahme des Räumungsrechtsstreits aus dem Grunde des § 530 Abs.1 Z.7 ZPO ein, weil er erstmals am 10. September 1985 erfahren habe, daß Gertrude G*** im Frühjahr 1981 vor drei Zeugen ein mündliches Testament errichtete und ihn zu ihrem Universalerben bestimmte. Damit seien ihm Umstände bekannt geworden, die, hätte er sie vor Schluß der Verhandlung im Räumungsprozeß vorbringen können, eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Es hätte sich durch die neuen Tatsachen und Beweismittel ergeben, daß die betreibende Partei nicht die rechtmäßige Eigentümerin und nicht zur Räumungsklage berechtigt war. Am 3.Oktober 1985 beantragte der Verpflichtete, das Räumungsexekutionsverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung der beiden neuen Rechtsstreite mindestens aber auf sechs Monate aufzuschieben, weil er bei Vollzug der Räumung obdachlos würde und großen Schaden erleide, er aber mit den beiden Klagen geltend mache, daß er Universalerbe nach Gertrude G*** und daher auch Eigentümer der zu räumenden Liegenschaft sei.
Das Erstgericht bewilligte gegen den Widerstand der betreibenden Partei die Exekutionsaufschiebung bis zur Erledigung des Wiederaufnahmsprozesses, machte die Aufschiebung jedoch vom Erlag einer Sicherheit von S 100.000,-- abhängig. Das Erstgericht hielt die Wiederaufnahmsklage für schlüssig und sah einen tauglichen Aufschiebungsgrund in dieser Klagsführung, deren endgültiger Erfolg nicht vorgreifend beurteilt werden dürfe.
Da der Verpflichtete den Erlag der Sicherheit nachgewiesen hatte, setzte das Erstgericht den Räumungstermin vom 29.Oktober 1985 ab.
Das Rekursgericht änderte infolge des Rekurses der betreibenden Partei den Beschluß ab und wies den Aufschiebungsantrag ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei, weil der zu lösenden Rechtsfrage der Schlüssigkeit der Wiederaufnahmsklage eine über den Streit der Parteien hinausgehende Bedeutung im Sinne des § 502 Abs.4 Z.1 ZPO zukomme. Das Rekursgericht meinte, das Vorbringen der Tatsachen und Beweismittel, die der Verpflichtete in seiner Wiederaufnahmsklage anführe, hätte ihm im Vorprozeß auch nichts genützt. Eine ihm günstigere Entscheidung über das Räumungsbegehren der betreibenden Partei sei dadurch nicht zu erreichen, weil sie durch die rechtskräftige Einantwortung jedenfalls Eigentümerin der Liegenschaft wurde und gegen jeden titellosen Benützer ihr Eigentumsrecht durchsetzen konnte und kann. Der Verpflichtete könne erst durch Einverleibung Eigentum erlangen, wenn seiner Erbschaftsklage rechtskräftig stattgegeben werde. Vorher könne er sich nicht wirksam darauf berufen, die Sache als Eigentümer zu benützen. Die Entscheidung im Hauptverfahren hätte nicht anders ausfallen können, wenn der Verpflichtete schon dort behauptet und bewiesen hätte, daß ihn die Erblasserin wirksam mündlich zu ihrem Erben eingesetzt habe. Überdies sei nach dem Fehlen entscheidender Behauptungen über die Einhaltung der Formvorschriften der Erfolg der Klagsführung, auf die er seinen Aufschiebungsantrag gründe, sehr zweifelhaft. Mit seinem Revisionsrekurs strebt der Verpflichtete die Wiederherstellung der erstrichterlichen Entscheidung an. Er meint, das Rekursgericht habe rechtsirrig angenommen, seine Wiederaufnahmsklage könne das der Exekutionsbewilligung zugrunde liegende Räumungsurteil nicht beseitigen, weil er doch geltend mache, Erbe sei nicht die betreibende Partei sondern er selbst, und dies auch mit der Erbschaftsklage durchsetzen werde, die sich "gegen die Einantwortung des Nachlasses an die betreibende Gläubigerin richte". Die Erhebung der Klagen müsse gleich einer Vollstreckungsgegenklage nach § 35 EO einen Aufschiebungsgrund abgeben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nach § 78 EO, § 528 Abs.2 ZPO und § 502 Abs.4 Z.1 EO wegen der Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage im Sinne der zuletzt erwähnten Gesetzesstelle zulässig, weil dazu, soweit ersichtlich, eine über die allgemeinen Regeln zu den Voraussetzungen der Exekutionsaufschiebung hinausgehende Rechtsprechung (zur Frage, ob der Beklagte den Beweis eines Testamentes zu seinen Gunsten einer Räumungsklage der eingeantworteten Erbin vor Erledigung der Erbschaftsklage wirksam entgegensetzen kann) des Obersten Gerichtshofes nicht vorliegt. Das Rechtsmittel ist berechtigt
Die Aufschiebung der Exekution kann nach § 42 Abs.1 Z.2 EO angeordnet werden, wenn in bezug auf einen der im § 1 EO angeführten Exekutionstitel die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrt wird. Bei der Entscheidung über einen Aufschiebungsantrag ist im Ermessensraum eine sorgfältige Abwägung der aufeinander prallenden Interessen des Aufschiebungswerbers am Aufschub der Exekutionsführung und der betreibenden Partei an ihrer Fortsetzung geboten (Heller-Berger-Stix 536) und daher auch zu verlangen, daß der zur Rechtfertigung der Exekutionsaufschiebung geltend gemachte Schritt begründet ist, also nicht von vorneherein aussichtslos erscheinen darf, ohne daß aber durch die Entscheidung über den Aufschiebungsantrag eine vorgreifende Beurteilung der Prozeßaussichten zu erfolgen hat (Heller-Berger-Stix 550; SZ 46/120; JBl 1972, 619 ua.). Die dazu ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist einheitlich.
Es kann nun nicht gesagt werden, daß der Wiederaufnahmsklage keine Erfolgsaussichten zukommen. Es kommt hier nicht auf die Eigentumsverhältnisse an, sondern allein darauf, ob der im Besitz der Liegenschaft befindliche Verpflichtete dem von der Eigentümerin durchgesetzten Räumungsanspruch entgegenhalten kann, er habe den besseren Erbrechtstitel und werde diesen gerichtlich durchsetzen. Schon im wiederaufzunehmenden Verfahren sind beide Instanzen zutreffend in die Prüfung dieses Einwandes des Beklagten, die Erblasserin habe ihn zum Erben bestimmt, ihm aber zumindest die Liegenschaft oder ein Wohnungsrecht daran letztwillig vermacht, eingegangen und zu dem Ergebnis gelangt, der Beklagte sei weder Erbe noch Vermächtsnisnehmer. Nun behauptet der Aufschiebungswerber, er habe erfahren, daß doch (auch) ein gültiges mündliches Testament vorliege, das ihn zum Erben bestimme. Er hat nicht nur die Erbschaftsklage gegen die Erbin, der der Nachlaß nach Gertrude G*** rechtskräftig eingeantwortet wurde, sondern auch innerhalb der Frist des § 534 Abs.1 ZPO - es ist dabei von den bisher nicht widerlegten Behauptungen in der Klage auszugehen - die Wiederaufnahmsklage erhoben, deren Inhalt eine Aufschiebung nach § 42 Abs.1 Z.2 EO rechtfertigt. Einerseits kann der besitzende Erbschaftskläger sein besseres Recht auch dem auf Räumung dringenden Erbschaftsbeklagten entgegenhalten, so daß der Revisionsrekurswerber damit im Recht ist, daß den nun neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismitteln die Eignung, eine andere Entscheidung im wiederaufzunehmenden Prozeß herbeizuführen, nicht schon jetzt abgesprochen werden kann. Andererseits darf ihm auch nicht zur Last fallen, daß er sich im Vorbringen in seinen Klagen auf die Wiedergabe der ihm zugekommenen Mitteilung beschränken mußte und nicht alle Einzelheiten über die Testamentserrichtung darlegen konnte. Gerade die kurze Frist des § 534 Abs.1 ZPO läßt, abgesehen von anderen Bedenken, ein Zuwarten bis zu einer Gewißheit über die wirksame Erbseinsetzung nicht zu.
Da die Aufschiebung bei Vorhandensein eines Aufschiebungsgrundes und Offenkundigkeit des schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles (§ 44 Abs.1 EO) nur dann zu verweigern ist, wenn schon nach dem gegenwärtigen Stand gesagt werden kann, daß die zur Begründung herangezogene Prozeßführung keine Aussicht auf den angestrebten Erfolg haben kann und nach der Sachlage auch nicht mit Gewißheit angenommen werden kann, dem Verpflichteten gehe es gar nicht um die Durchsetzung seines besseren Rechtes sondern allein um die Verzögerung der Durchsetzung des vollstreckbaren Anspruchs der betreibenden Partei, ist die Aufschiebung der Räumungsexekution gegen Leistung der bereits vom Erstgericht bestimmten, angemessenen Sicherheit gerechtfertigt.
Die Schlüssigkeit der zugleich mit der Erbschaftsklage erhobenen Wiederaufnahmsklage ist somit gegen die Ansicht des Rekursgerichtes nicht zu verneinen. In eine Abwägung ihrer Erfolgsaussichten hat sich das Exekutionsgericht bei der Entscheidung über einen Aufschiebungsantrag jedoch nicht einzulassen, wenn die Aussichtslosigkeit nicht offenkundig ist.
Dem gegen den abändernden Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen zugelassenen Revisionsrekurs des Verpflichteten ist daher stattzugeben und in Abänderung der Rekursentscheidung der erstrichterliche Aufschiebungsbeschluß wieder herzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO und auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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