Spruch:
Alle Bestimmungen des Bestandvertrages, soweit sie nicht seine Dauer betreffen, bleiben auch im Falle einer exekutiven Versteigerung des Bestandobjektes ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Erwerbers aufrecht.
Entscheidung vom 13. Februar 1958, 3 Ob 25/58.
I. Instanz: Bezirksgericht Feldkirch; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.
Text
Die Kläger kundigten dem Beklagten die von ihm gemietete Wohnung im Hause F., H.-Straße 63, aus den Gründen des § 19 Abs. 2 Z. 1, 3 und 4 MietG. auf.
Mit Beschluß vom 30. September 1957 stellte das Erstgericht gemäß § 21 Abs. 2 MietG. fest, daß der Beklagte den Klägern zum Zeitpunkt der Kündigung (21. Dezember 1955) keinen rückständigen Mietzins schuldete.
Über Rekurs der Kläger hob das Rekursgericht diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht unter Rechtskraftvorbehalt eine neue Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf.
Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zu Gründe:
Der Beklagte schloß am 21. Dezember 1953 mit dem Voreigentümer des Hauses, Werner R., einen Mietvertrag über die Wohnung, in dem er sich zur Zahlung eines monatlichen Mietzinses von 350 S verpflichtete. Hinsichtlich der Entrichtung des Mietzinses wurde vereinbart, daß der Beklagte bei Übergabe der Wohnung am 22. Dezember 1953 nach Anschlagen der Fenster und der Wohnungsabschlußtür sowie der Lieferung der Zimmertüren an den Vermieter einen Betrag von 15.000 S bezahle. Der Beklagte mußte sich auch verpflichten, die Wohnung bis zum 1. März 1961 in dem Rahmen fertigzustellen, wie ihn der Vermieter laut Vertrag vom 1. Dezember 1953 erstellt hatte. Die vom Beklagten zu leistenden Arbeiten zur Fertigstellung der Wohnung wurden mit 15.000 S in Anrechnung gebracht, so daß der Beklagte insgesamt eine Mietzinsvorauszahlung von 30.000 S leistete. Mit dieser Mietzinsvorauszahlung war die Miete der Wohnung für einen Zeitraum von 7 Jahren und 2 Monaten, vom 1. Jänner 1954 bis zum 28. Februar 1961, bezahlt. Nach den weiteren Bestimmungen des Mietvertrages war nach Ablauf der Mietzinsvorauszahlung der monatliche Mietzins von 350 S im vorhinein bis zum 5. eines jeden Monates zu entrichten.
Das Haus F., H.-Straße 63, wurde am 24. Mai 1955 exekutiv versteigert und am gleichen Tag den Klägern um das Meistbot von 180.550 S zugeschlagen. Im Grundbuch war das Bestandrecht des Beklagten im Sinne und Umfang der Punkte I, II und V des Mietvertrages vom 21. Dezember 1953 einverleibt und des weiteren die Vorauszahlung der Mietzinse von 30.000 S für die Zeit bis einschließlich 28. Februar 1961 angemerkt. Die Forderung des Beklagten fand im Meistbot keine Deckung.
Der Beklagte führte nach seinem eigenen Vorbringen nur bis zum 24. Mai 1955, dem Tage der Zuschlagserteilung an die Kläger, eine Reihe von Fertigstellungsarbeiten durch. Er war auch bereit, die Investitionen noch vorzunehmen, insoweit diese von den Klägern auf den Mietzins angerechnet würden. Mit Rücksicht darauf, daß die Kläger Investitionen nicht als Zinszahlung anerkennen wollten und damit angeblich einseitig den Vertrag verletzten, unterließ er die Vornahme solcher Arbeiten seit dem Zuschlag des Hauses an die Kläger. Im Hinblick auf die Mängel der Wohnung machte er einen Abstrich von 100 S vom monatlichen Mietzins und zahlte monatlich nur 250 S.
Der Beklagte stellt sich nun auf den Standpunkt, daß die Kläger unberechtigterweise auf einem monatlichen Mietzins von 350 S bestunden, weil eben die Wohnung mangelhaft sei und die Kläger den weiteren Ausbau der Wohnung unter Anrechnung des weiteren Aufwandes auf den Mietzins nicht anerkennen wollten.
Das Erstgericht hielt den Standpunkt des Beklagten für gerechtfertigt. Es stellte fest, daß von den gesamten, vom Beklagten zu leistenden und bei Abschluß des Mietvertrages mit insgesamt 15.000 S bewerteten Instandsetzungsarbeiten noch nicht die Hälfte durchgeführt worden sei. Es ergebe sich daraus, daß der Wert der vom Beklagten laut Mietvertrag noch zu leistenden Arbeiten den Betrag von 7500 S übersteige. Wenn der Beklagte vom 1. Juni 1955 bis 28. Februar 1961 monatlich vom vereinbarten Mietzins von 350 S einen Abstrich von monatlich 100 S mache, so ergebe dies einen Gesamtbetrag von 6900 S, sohin insgesamt weniger als die Kosten der vom Beklagten noch zu leistenden Instandsetzungsarbeiten.
Gleich dem Erstgericht hielt das Rekursgericht die Antragstellung und Beschlußfassung im Sinne des § 21 Abs. 2 MietG. für zulässig. In der Sache aber teilte es die Ansicht des Erstgerichtes nicht, daß die Kläger sich anrechnen lassen müßten, was der Beklagte nach der Zuschlagserteilung noch an Instandsetzungsarbeiten zu leisten habe. Es stehe, meinte das Rekursgericht, auf Grund des eigenen Vorbringens des Beklagten fest, daß er nach dem Tage der Zuschlagserteilung keine Investitionen mehr vorgenommen habe und auch keine mehr vornehmen wolle. Das Erstgericht setze sich unnötigerweise mit der Frage der Anrechenbarkeit auseinander, zumal der Beklagte die Anrechnung solcher Investitionen auch gar nicht verlange. Der Beklagte verlange nur eine Minderung des Mietzinses um monatlich 100 S, weil im Hinblick auf die Mängel der Wohnung nur mehr ein Mietzins von 250 S monatlich angemessen sei. Demgegenüber stunden die Kläger auf dem Standpunkt, daß der Zins von 350 S auch dann entspreche, wenn das Badezimmer noch nicht komplett eingerichtet sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei festzustellen, ob für die Wohnung ein Mietzins von 350 S monatlich angemessen sei oder nicht. Hiebei müsse als Zeitpunkt für die Angemessenheit des Mietzinses der 24. Mai 1955 angenommen werden. Da der Beklagte die Wohnung nicht mehr weiter ausbauen wolle und die Kläger den weiteren Ausbau der Wohnung auch nicht mehr gemäß dem Mietvertrag verlangten, könne der Beklagte allenfalls eine Minderung des Mietzinses verlangen, und zwar insoweit, als der vereinbarte Mietzins von 350 S am 24. Mai 1955 unter Berücksichtigung des Zustandes der Wohnung in diesem Zeitpunkt zu hoch gewesen wäre. Zu prüfen sei also, welcher Mietzins für die Wohnung am 24. Mai 1955 angemessen gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus der Bestimmung des § 21 Abs. 2 MietG. in der Fassung der Mietengesetznovelle vom 12. Dezember 1955, BGBl. Nr. 241, und aus der Bestimmung des § 527 Abs. 2 ZPO.
In der Sache ist davon auszugehen, daß bis zur Lösung des Bestandverhältnisses alle Bestimmungen des Bestandvertrages, soweit sie nicht die Dauer des Bestandverhältnisses betreffen, ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Erwerbers aufrecht bleiben, mag es sich um ein verbüchertes oder nicht verbüchertes Bestandrecht, mag es sich um eine freiwillige oder zwangsweise gerichtliche Veräußerung des Bestandstückes handeln (vgl. §§ 1120, 1121 ABGB.; JBl. 1934 S. 6O; GerH. 1932 S. 138). Bei der zwangsweisen gerichtlichen Veräußerung des Bestandstückes kann in Frage kommen, ob und inwieweit der Bestandnehmer, wenn sein Bestandrecht verbüchert und die Vorauszahlung des Zinses angemerkt ist, den Ersatz der vorausgezahlten Bestandzinsraten im Rahmen seines allgemeinen Entschädigungsanspruches begehren kann, wenn der Ersteher das Bestandrecht in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hat (§§ 150 Abs. 3, 211, 216 Z. 4, 227 Abs. 2 EO.). Im Gegenstande steht fest, daß das Bestandrecht vom Ersteher in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen war, daß aber der Entschädigungsanspruch im Meistbot keine Deckung gefunden hat. Damit ist aber keineswegs die ursprüngliche Vereinbarung des Bestandgebers und des Bestandnehmers hinsichtlich der Entrichtung des Bestandzinses außer Kraft gesetzt.
Wird diese Zinsvereinbarung einer näheren Prüfung unterzogen, so ergibt sich zunächst aus Punkt II des in seiner Echtheit und Richtigkeit unbestrittenen Mietvertrages vom 21. Dezember 1953, daß für das Bestandobjekt ein monatlicher Mietzins von 350 S vereinbart wurde, der in folgender Weise zu erlegen war: a) durch Barerlag von 15.000 S, b) dadurch, daß sich der Mieter verpflichtete, die Wohnung bis zum 1. März 1961 in dem Rahmen fertigzustellen, wie laut Vertrag vom 1. Dezember 1953 der Vermieter die Erste-Stock-Wohnung des Neubaues erstellt hatte. Danach hatte der Mieter die im Vertrage näher bezeichneten Arbeiten durchzuführen. Es war ausdrücklich bestimmt, daß die vom Mieter zu leistenden Arbeiten zur Fertigstellung der Wohnung mit 15.000 S in Anrechnung gebracht würden, so daß der Mieter insgesamt eine Mietzinsvorauszahlung von 30.000 S leistete. Mit dieser Mietzinsvorauszahlung sollte die Miete der Wohnung für einen Zeitraum von 7 Jahren und 2 Monaten, für die Zeit vom 1. Jänner 1954 bis 28. Februar 1961 einschließlich, bezahlt sein. Ein Barzins von 350 S sollte nach Punkt II lit. b des Mietvertrages erst nach Ablauf der Mietzinsvorauszahlung entrichtet werden.
Damit ergibt sich für den Bereich des gegenständlichen Rechtsstreites, daß der Beklagte für die Zeit ab 24. Mai 1955, also für die Zeit nach Zuschlagserteilung, berechtigt war, jedenfalls zunächst den Zins durch Leistung der noch ausstehenden Fertigstellungsarbeiten zu entrichten, und daß er erst dann zur Zahlung eines Barzinses von 350 S verpflichtet ist, wenn er die nach Zuschlagserteilung zu leistenden Fertigungsarbeiten erbracht hat. Ein Mäßigungsrecht, wie es das Erstgericht angenommen hat, kommt nicht in Betracht. Ist der Beklagte zur Leistung der vertragsmäßig an Stelle des Zinses zu erbringenden Arbeiten bereit und lehnen die Kläger die Entgegennahme dieser Leistungen als Zinszahlung ab, geraten sie in Verzug und können aus dem Gründe des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. das Bestandverhältnis mangels Erfüllung des Kündigungstatbestandes nicht aufkundigen. Doch ist für die Entscheidung auch maßgebend, bis zu welchem Zeitpunkt durch die noch zu erbringenden Leistungen der Mietzins abgegolten wäre. Es bedarf also zunächst der Feststellung, welche Arbeiten bis zur Zuschlagserteilung erbracht waren und welchen Wert sie hatten und welche Arbeiten im Sinne der Abmachungen laut Punkt II des Vertrages und bis zu welchem Zeitpunkt sie noch zu erbringen waren. Danach bestimmt sich dann auch, von wann an ein Mietzins von 350 S in bar geleistet werden mußte und ob und inwieweit der Beklagte mit der Entrichtung des Mietzinses tatsächlich in Rückstand geraten ist. Aus diesen Ausführungen erhellt, daß vom Obersten Gerichtshof weder der Rechtsstandpunkt des Erstgerichtes noch der des Rekursgerichtes geteilt wird. Es kann keineswegs, wie das Rekursgericht meint, davon ausgegangen werden, daß der Beklagte nach dem Tage der Zuschlagserteilung keine Investitionen mehr vornehmen will. Er nahm nur keine weiteren Investitionen mehr vor, weil die Kläger diese Arbeiten nicht auf den Mietzins anrechnen lassen wollten, was im Gegenstand mit Rücksicht auf die für die Streitteile maßgebenden Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag vom 21. Dezember 1953 nur bedeuten kann, daß die Kläger die Annahme des in Arbeitsleistungen zu entrichtenden Zinses von vorneherein ablehnten. War der Beklagte aber zur Vornahme der Fertigstellungsarbeiten grundsätzlich bereit und lehnten die Kläger ab, dann gerieten sie in Verzug, wie schon ausgeführt wurde. Wenn aber auch von einem Minderungsrecht des Beklagten nicht die Rede sein kann, so erweist sich doch die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses aus den oben dargestellten Gründen als notwendig; der angefochtene Beschluß war - wenn auch aus anderen Gründen - zu bestätigen.
Im fortgesetzten Verfahren wird vom Erstgericht auch darauf Bedacht zu nehmen sein, daß die Kläger behaupten, nach dem Erwerb der Liegenschaft mit dem Beklagten dessen Verpflichtung zur Zahlung eines monatlichen Mietzinses von 350 S einvernehmlich festgestellt zu haben. Hiefür würde sprechen, wenn der Beklagte die Weigerung der Kläger, sich weitere Investitionen auf den Zins anrechnen zu lassen, genehmigend zur Kenntnis genommen hätte und mit der tatsächlichen Einstellung der Fertigungsarbeiten aus diesem Gründe vorgegangen wäre. Dafür fehlen aber entsprechende Feststellungen. Sollte es richtig sein, daß eine Einigung in diesem oder jenem Sinne erfolgt ist, dann kommt eine Berücksichtigung der ausstehenden Arbeitsleistungen im Hinblick darauf, daß das Bestandobjekt hinsichtlich der Zinsbildung den Bestimmungen des Mietengesetzes nicht unterliegt, überhaupt nicht in Frage, aber auch keine Überprüfung im Sinne des § 2 des Zinsstoppgesetzes, da der vereinbarte Mietzins der Höhe nach der vorher geltenden Vereinbarung entspricht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)