Spruch:
Die Entscheidung des Außerstreitrichters über die Enthebung des Verpflichteten von seiner Unterhaltspflicht wegen Selbsterhaltungsfähigkeit bindet als Vorfragenentscheidung das Gericht im Oppositionsprozeß
OGH 27. Feber 1980, 3 Ob 24/80 (LGZ Wien 46 R 689/79; BG Floridsdorf 10 C 14/78)
Text
Dem nunmehrigen Beklagten wurde vom Erstgericht mit Beschluß vom 25. September 1978, GZ 10 E 7357/78-4, gegen den nunmehrigen Kläger auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 12. November 1969, GZ 3 P 237/69-6, zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstandes von 65 544.19 S (für die Zeit vom 1. Feber 1977 bis 31. Juli 1978) sowie der ab 1. August 1978 am Ersten eines jeden Monats fällig werdenden Unterhaltsbeträge von 13% des jeweiligen Nettoeinkommens des Verpflichteten eine Gehaltsexekution bewilligt.
Mit der vorliegenden Klage erhebt der Kläger (Verpflichtete des Exekutionsverfahrens) gegen den betriebenen Unterhaltsanspruch Einwendungen nach § 35 Abs. 1 EO mit der Begründung, dieser sei infolge Selbsterhaltungsfähigkeit des Beklagten (betreibenden Gläubigers) erloschen.
Das Erstgericht gab diesem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Anspruch des Beklagten aus dem Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 12. November 1969, GZ 3 P 237/69-6, seit dem 1. Feber 1977 erloschen sei.
Das Berufungsgericht erklärte dieses Urteil des Erstgerichtes und das Verfahren über die vorliegende Oppositionsklage ab 24. April 1979 für nichtig und wies die Klage zurück. Es ging dabei davon aus, daß bereits vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz vom Außerstreitrichter rechtskräftig über einen im Pflegschaftsverfahren gestellten Antrag des nunmehrigen Klägers auf Ausspruch, daß der gegenständliche Unterhaltsanspruch seit 1. Feber 1977 wegen Selbsterhaltungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten (Beklagten) erloschen sei, entschieden worden ist. Das Berufungsgericht vertrat hiezu die Ansicht, die Rechtskraft dieser außerstreitigen Entscheidung müsse von Amts wegen berücksichtigt werden. Die Entscheidung, mit der vom Außerstreitrichter ausgesprochen worden sei, daß der Vater mit Wirkung vom 26. März 1977 seiner Unterhaltsverpflichtung wegen Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes enthoben wurde, und das Mehrbegehren des Vaters, ihn ab 1. Feber 1977 von seiner Unterhaltsverpflichtung zu entheben, abgewiesen wurde, begrunde sohin das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache. Die vorliegende Oppositionsklage müsse deshalb zurückgewiesen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob die Entscheidung des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der beim Außerstreitrichter gestellte Antrag des Vaters (Klägers) war darauf gerichtet, den Exekutionstitel in Ansehung der ab 1. Feber 1977 fällig werdenden Unterhaltsbeträge zu beseitigen, weil der Berechtigte nach Ansicht des Vaters wegen Eintritts der Selbsterhaltungsfähigkeit keinen Unterhaltsanspruch mehr habe. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des erkennenden Senates, wonach die Herabsetzung eines titelmäßigen Unterhaltsanspruches bzw. der Ausspruch, daß der Verpflichtete von der titelmäßigen Unterhaltsleistung gänzlich enthoben werde, einer teilweisen bzw. gänzlichen Aufhebung des Unterhaltsbeschlusses als Exekutionstitel - durch rechtskräftige Entscheidung im Sinne des § 39 Abs. 1 Z. 1 EO - gleichkommt (EvBl. 1975/124; vgl. hiezu auch SZ 19/43). Gegenstand der Entscheidung des Außerstreitrichters sind daher in einem solchen Fall nicht Einwendungen nach § 35 Abs. 1 EO; dieser im Außerstreitverfahren gestellte Antrag ist vielmehr auf teilweise oder gänzliche Aufhebung des Exekutionstitels gerichtet. Es kann daher nicht gesagt werden, daß mit der Entscheidung des Außerstreitrichters auch über Einwendungen im Sinne des § 35 Abs. 1 EO entschieden wurde, mögen sich die Einwendungen auch auf denselben Tatbestand stützen wie der beim Außerstreitrichter gestellte Antrag (vgl. hiezu etwa JBl. 1978, 487). Hat der Außerstreitrichter vor Schluß des erstinstanzlichen Verfahrens im Oppositionsstreit rechtskräftig entschieden, so ist diese Entscheidung auf Grund ihrer Rechtskraftwirkung nach § 18 AußstrG im Oppositionsstreit zu berücksichtigen (Heller - Berger - Stix, 379; vgl. auch SZ 25/139), und zwar - entgegen der Entscheidung SZ 19/316, wonach die "Berücksichtigung" der Vorentscheidung des Außerstreitrichters zur (nicht näher begrundeten) "Zurückweisung" der Oppositionsklage zu führen habe - nur im Sinne einer Vorfragenentscheidung, nicht aber als rechtskräftige Entscheidung über den im Oppositionsprozeß geltend gemachten Anspruch.
Das Erstgericht hätte demnach bei seiner Entscheidung zunächst davon ausgehen müssen, daß nach der Entscheidung des Außerstreitrichters der Titel in Ansehung der ab 26. März 1977 fälligen Unterhaltsbeträge nicht mehr besteht und daß andererseits bindend darüber abgesprochen wurde, daß der nunmehrige Beklagte für die Zeit zwischen 1. Feber 1977 und 25. März 1977 seinen titelmäßigen Anspruch nicht wegen Selbsterhaltungsfähigkeit verloren hat. Weiters hätte das Erstgericht berücksichtigen müssen, daß der Beklagte (betreibende Gläubiger) auf Grund dieses rechtskräftigen außerstreitigen Beschlusses die Einschränkung der Anlaßexekution im Sinne der außerstreitigen Entscheidung beantragt hat und diese auch bereits vor Schluß der Verhandlung erster Instanz antragsgemäß bewilligt worden war.
Durch die Einschränkung der Exekution wegen Beseitigung des Exekutionstitels ist das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Erledigung seiner Klage im Umfange der Einschränkung bzw. Beseitigung des Exekutionstitels weggefallen, weil diesbezüglich keine Exekution mehr anhängig und auch nicht mehr möglich ist (vgl. Heller - Berger - Stix, 412). Der Kläger hätte daher diesbezüglich sein Klagebegehren auf Kosten einschränken oder zurückziehen müssen. Da dies nicht geschehen ist, war die Klage in diesem Umfang ab zuweisen (vgl. Heller - Berger - Stix, 438; RZ 1974/19; JBl. 1978, 487 u. a.).
Abzuweisen war allerdings auch das Klagebegehren auf Grund der dargelegten Bindungswirkung der Entscheidung des Außerstreitrichters in Ansehung der Unterhaltsansprüche für die Zeit vom 1. Feber 1977 bis 25. März 1977. Ob die Anlaßexekution in Ansehung dieser Ansprüche schon infolge der Zahlung des Drittschuldners beendet war, wie in der Tagsatzung vom 12. Juni 1979 vom Kläger behauptet wurde, bedarf keiner weiteren Erörterung, weil die Beendigung der Exekution in Ansehung eines nach § 35 EO bestrittenen Anspruches ebenfalls zur Abweisung der Klage wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses zu führen hätte (Heller - Berger - Stix, 412).
Das Berufungsgericht hätte sohin die Entscheidung der Vorinstanzen nicht als nichtig aufheben und die Klage wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückweisen dürfen; es hätte vielmehr die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung abändern müssen. Da der OGH im Rekursverfahren keine Sachentscheidung treffen kann, war dem Rekurs, für welchen der Grundsatz der Unzulässigkeit der reformatio in peius nicht gilt (SZ 48/136 u. v. a.), wie im Spruche Folge zu geben.
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