Spruch:
Der Akt wird dem Erstgericht zur Vorlage an das Berufungsgericht zurückgestellt.
Text
Begründung
Über das Vermögen der B***** KG (kurz: Gemeinschuldnerin) wurde mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 24. April 2006 das Konkursverfahren eröffnet und der nunmehrige Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die beklagte Partei verleaste der Gemeinschuldnerin zumindest seit 1992 Lastkraftfahrzeuge, seit 1998 nahezu den gesamten Fuhrpark. Ab 2002 kam es zu Zahlungsschwierigkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der beklagten Partei. Es kam zu einer Zahlungsvereinbarung; die beklagte Partei erwirkte am 19. März 2003 ein Versäumungsurteil gegen die Gemeinschuldnerin über den zu diesem Zeitpunkt offenen Rückstand von 310.987,02 EUR, den sie schließlich auch exekutiv betrieb.
Am 1. Juni 2004 trafen die Gemeinschuldnerin und die beklagte Partei eine Zahlungsvereinbarung, die sie am 15. Juli 2004/9. August 2004 in einem „Schuldschein“ festhielten, in dem die Gemeinschuldnerin unter anderem für den Zeitraum bis drei Jahre nach der von der beklagten Partei nach Abdeckung des aushaftenden Kapitals durchzuführenden Zinsenabrechnung auf den Einwand der Verjährung der Verzugszinsen verzichtete.
Von 5. Mai 2004 bis 29. November 2005 leistete die Gemeinschuldnerin an die beklagte Partei die nunmehr streitgegenständlichen vierzig Zahlungen in einer Gesamthöhe von 442.642,34 EUR. Die einzelnen Zahlungen hatten eine Höhe zwischen 10.000 EUR und 25.000 EUR.
Gestützt auf § 28 Z 2 und 4, § 29 Z 1, § 30 Abs 1 Z 2 und § 31 Abs 1 Z 2 KO begehrte der klagende Masseverwalter zuletzt die Feststellung der Unwirksamkeit der von der Gemeinschuldnerin geleisteten Zahlungen (442.642,34 EUR) und des abgegebenen Verjährungsverzichts (bewertet mit 2.500 EUR) sowie die Rückzahlung von 442.642,34 EUR.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil (nur) hinsichtlich eines Teils des Zinsenbegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei: Da dem Klagsvorbringen keine Anhaltpunkte für einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang zu entnehmen sei, finde im Zweifel keine Zusammenrechnung (§ 55 Abs 1 JN) der jeweils über 5.000 EUR, jedoch unter 30.000 EUR liegenden Zahlungen und des mit 2.500 EUR bewerteten Anspruchs auf Anfechtung des Verjährungsverzichts statt.
In ihrer gegen das Berufungsurteil primär erhobenen außerordentlichen Revision vertritt die beklagte Partei den Standpunkt, dass die gegen sie erhobenen Ansprüche sowohl in einem tatsächlichen als auch in einem rechtlichen Zusammenhang stünden, sei doch in der Klage Zahlung „auf“ einen Rückstand von 122.241,14 EUR bzw „auf“ ein Pfandrecht mit einem sichergestellten Betrag von 312.221,58 EUR behauptet worden. Hilfsweise stellen die Beklagten einen Antrag gemäß § 508 ZPO, verbunden mit der Ausführung einer ordentlichen Revision.
Das Erstgericht legte die gegen das Berufungsurteil erhobene außerordentliche Revision der beklagten Partei unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Da das Berufungsgericht nicht gegen zwingende Bewertungsvorschriften verstoßen hat, widerspricht die Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof der geltenden Rechtslage:
Ob der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über die Revision funktionell zuständig ist, richtet sich - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - danach, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 und 4 JN vorliegen und die in der Klage geltend gemachten Forderungen zusammenzurechnen sind (RIS-Justiz RS0053096 [T7]). Ein tatsächlicher Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 JN läge vor, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Vorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0037648 [T4]). Ein rechtlicher Zusammenhang läge etwa vor, wenn Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037648 [T18]).
Bei der Prüfung ist von den Klageangaben auszugehen; ob die entsprechenden Klagebehauptungen durch Feststellung des Erstgerichts gedeckt sind oder nicht, ist für die maßgebliche Frage unerheblich (RIS-Justiz RS0106759 [T2]). Dass für alle Rechtshandlungen der gleiche Anfechtungstatbestand behauptet wird, reicht nach ständiger Rechtsprechung für die Annahme eines rechtlichen Zusammenhangs ebenso wenig aus wie der Umstand allein, dass Zahlungen der Abdeckung ein und derselben Kreditforderung gegen die Gemeinschuldnerin dienten (3 Ob 110/08k; 3 Ob 244/09t).
Im vorliegenden Fall leistete die Gemeinschuldnerin nach den Klagebehauptungen teils vor und teils nach der am 1. Juni 2004 mit der beklagten Partei geschlossenen Vereinbarung Zahlungen an diese. Nur der mit dem „Schuldschein“ abgegebene Verjährungsverzicht und die einzelnen Zahlungen werden angefochten. Da diese einzelnen Anfechtungen - etwa im Hinblick auf das Erfordernis der rechtzeitigen Anspruchserhebung oder das Bekanntseinmüssen der Benachteiligungsabsicht gemäß § 28 Z 2 KO - ein verschiedenes Schicksal haben können, liegen die Voraussetzungen nach § 55 Abs 1 JN nicht vor.
An diesem Ergebnis ändert auch nichts, wenn das Eventualbegehren den Betrag von 30.000 EUR übersteigt, zumal das Berufungsgericht im konkreten Fall dem Hauptbegehren stattgegeben hat und daher nicht über das Eventualbegehren abzusprechen hatte, sodass die Entscheidung darüber nicht Gegenstand der nun angefochtenen Berufungsentscheidung war (vgl RIS-Justiz RS0042305 [T5]).
Die Akten sind daher zwecks Vorlage an das Gericht zweiter Instanz (das gemäß § 507b Abs 2 ZPO über den eventualiter gestellten Antrag nach § 508 ZPO zu entscheiden haben wird) dem Erstgericht zurückzustellen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)