OGH 3Ob2305/96h

OGH3Ob2305/96h17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul A*****, vertreten durch Dr.Stefan Eigl, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Aloisia S*****, vertreten durch Dr.Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien,

2. V***** AG, ***** vertreten durch Dr.Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in Wien, 3. S*****, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 37 EO), infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30.Mai 1996, GZ 13 R 56/95-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 11.Oktober 1995, GZ 22 C 20/95y-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei hat die Revisionskosten selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte betreibt Fahrnisexekutionen gegen die Verpflichtete Anneliese A*****, bei der auch ein Superädifikat in Linz, H*****-Straße 27 - im besonderen Pfändungsprotokoll des Bezirksgerichtes Linz zu 22 E 753/95-6 unter Pz 1 verzeichnet - gepfändet wurde.

Die Erstbeklagte verkaufte dieses Bauwerk, das auf der von der G***** GesmbH gemäß Vertrag vom 5.1.1962 in Bestand gegebenen 100 m**2 großen Teilfläche des Grundstücks 716/41 der KG W*****, EZ ***** von ihr errichtet wurde, mit Kaufvertrag vom 18.12.1985 an den Kläger und dessen Ehegattin, die Verpflichtete Anneliese A*****, gegen Bezahlung eines Barbetrags sowie Einräumung einer lebenslänglichen Leibrente. Das Bauwerk besteht aus den ebenerdigen einem Buffetbetrieb dienenden Räumlichkeiten und einer teilweise ausgebauten Mansarde. In Punkt VI des Kaufvertrags wurde festgehalten, daß die Übergabe und Übernahme des vertragsgegenständlichen Bauwerks in den Besitz und Genuß der Käufer mit Unterfertigung des Vertrags durch beide Vertragsteile erfolge. In Punkt IX erteilte die Erstbeklagte ihre Einwilligung, daß zum Erwerb des Eigentumsrechtes je zur Hälfte durch den Kläger und seine Ehegattin an dem vertragsgegenständlichen Bauwerk dieser Kaufvertrag gerichtlich hinterlegt werde. Eine gerichtliche Hinterlegung dieses Kaufvertrags durch die Käufer ist in der Folge aber nicht erfolgt.

Der Kläger begehrt, diese Exekutionen - soweit auch die zweit- und drittbeklagten Parteien die Exekution betreiben, wurde die Klage bereits rechtskräftig abgewiesen - hinsichtlich dieses Superädifikats für unzulässig zu erklären; er brachte vor, die Verpflichtete - seine Ehegattin - sei nur "im Besitz des halben Bauwerks", besitze nicht die Gaststätteneinrichtung und führe nicht den Buffetbetrieb. Der Kläger sei seit 18.12.1985 "Eigentümer des halben Superädifikats und Alleineigentümer des Gaststättenbetriebs sowie der gesamten Einrichtung und der bis dato getätigten Investitionen". Der Kläger habe dieses Superädifikat am 18.12.1985 gemeinsam mit der Verpflichteten von der Erstbeklagten käuflich erworben und übergeben erhalten.

Die Erstbeklagte wendete ein, das Superädifikat stehe im Alleineigentum der Verpflichteten, "da diese das Unternehmen in diesem Superädifikat auch betreibe". Für einen abgeleiteten Eigentumserwerb am Superädifikat sei eine Urkundenhinterlegung notwendig, die der Kläger bisher nicht nachgewiesen habe.

Darauf replizierte der Kläger, es sei richtig, daß eine Urkundenhinterlegung anläßlich des Kaufs des Bauwerks von der Erstbeklagten nicht erfolgt sei. Von Seiten des Grundbuchsgerichtes sei ihm mitgeteilt worden, daß eine solche Hinterlegung nicht erforderlich wäre. Der Kläger stützte seine Klage auch darauf, daß er aufgrund des Kaufvertrags mit der Erstbeklagten ein Anwartschaftsrecht auf Erwerb des Eigentums erworben habe.

Die Erstbeklagte wendete hierauf ein, ein Anwartschaftsrecht berechtige bei einem Superädifikat nicht zur Exszindierung.

Das Erstgericht wies die Klage ab; es führte in rechtlicher Hinsicht aus, Rechte an nicht verbücherten Liegenschaften und an Bauwerken, die nicht im Eigentum des Grundeigentümers stehen (Superädifikaten), würden durch gerichtliche Hinterlegung oder Einreihung von Urkunden erworben. Das Formerfordernis bestehe hiebei nicht für den ursprünglichen Erwerb durch Errichtung des Superädifikats auf fremdem Grund mit Zustimmung des Grundeigentümers, wohl aber für die Übertragung des Eigentums. Für die Übertragung des Eigentums an Überbauten sei die Urkundenhinterlegung die einzig gültige Erwerbsart. Da es sich hier bei dem vom Kläger behaupteten Hälfteeigentum am Superädifikat jedenfalls um einen von der früheren Bauwerkseigentümerin, der Erstbeklagten, abgeleiteten Erwerb handle, wäre zur gültigen Begründung des Eigentums der Käufer die gerichtliche Hinterlegung des Kaufvertrags erforderlich gewesen. Da diese unstrittigerweise nicht erfolgt sei, seien die Käufer (und somit der Kläger) nicht Eigentümer des Superädifikats geworden.

Der Kläger habe weiters vorgebracht, aufgrund des Kaufvertrages besitze er, wenn schon nicht das Eigentum, so doch eine Anwartschaft auf das Eigentum, die ihn zur Klage nach § 37 EO berechtige. Richtig sei in diesem Zusammenhang, daß auch der Vorbehaltskäufer eine Pfändung der in seiner Gewahrsame befindlichen Gegenstände mit Rücksicht auf die ihm aus dem Kaufvertrag zustehenden Rechte, nämlich des Rechtes auf Innehabung, insbesondere aber mit Rücksicht auf seine Anwartschaft auf das Eigentum mit einer Klage nach § 37 EO abwehren könne. Fraglich sei, ob dieser Grundsatz auch auf den Verkauf eines Superädifikats anzuwenden sei; eine Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts liege hier nicht vor. Folgend der Entscheidung SZ 58/23 komme zumindest für den derivativen Eigentumserwerb an Superädifikaten nicht der Gewahrsamsänderung (wie bei sonstigen beweglichen Sachen), sondern nur der Urkundenhinterlegung (entsprechend dem Eintragungsprinzip bei Liegenschaften) entscheidendes Gewicht zu. Dies bedeute, daß das aufgrund des Kaufvertrags bestehende Anwartschaftsrecht den Kläger nicht zur Exszindierung berechtige. Aus diesem Grund könne auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger, der ja ohnehin nur das Hälfteeigentum am Superädifikat in Anspruch nimmt, die gänzliche Unzulässigerklärung der Exekutionen begehren kann.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil insofern ab, als es der Klage gegen die Erstbeklagte stattgab; es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 50.000, die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, wonach bei Erwerb des Exszindierungsklägers von der betreibenden Partei dann, wenn ein wirksamer Anspruch des Exszindierungsklägers auf Eigentumsverschaffung vorliegt, und ihm die Sache auch schon übergeben wurde, wegen fehlender Urkundenhinterlegung aber ein Eigentumsübergang noch nicht stattgefunden hat, dennoch ein Widerspruchsrecht nach § 37 EO zusteht.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, mangels Urkundenhinterlegung habe der Kläger noch nicht das Vollrecht des Eigentums am Superädifikat erworben, sodaß er, gestützt auf sein Eigentum, jedenfalls nicht die gepfändete Sache exszindieren könne. Es bleibe dennoch zu untersuchen, ob dem Kläger ein Exszinderungsanspruch zustehe, der nicht auf dem Eigentumsrecht fuße. Es müsse also erörtert werden, ob dem Kläger etwa die publizianische Klage zustehe oder ob er der Exekution schon aufgrund des Ersitzungsbesitzes widersprechen könne. Folgend der Entscheidung SZ 58/23 könne der Kläger mangels Eigentum gegenüber der Zweitbeklagten und der Drittbeklagten nicht mit Erfolg exszindieren. Anders stelle sich freilich das Verhältnis des Klägers zur Erstbeklagten dar. Wenn auch obligatorische Rechte, die sich gegen den betreibenden Gläubiger richten, in der Regel nicht Grundlage einer Exszinderung sein könnten, so sei andererseits hervorzuheben, daß grundsätzlich nur Vermögensstücke des Verpflichteten der Exekution unterzogen werden sollen und daß für die rechtliche Beurteilung des Widerspruchs nicht die formelle Gestaltung, sondern die tatsächliche wirtschaftliche Grundlage der vermögensrechtlichen Beziehungen entscheidend sein sollen. So sei auch schon ausgesprochen worden, daß bei Zusammenspiel zwischen betreibender Partei und verpflichteter Partei, um obligatorische Rechte des Exszindierungswerbers zu schädigen, diesem die Widerspruchsklage offenstehe (SZ 60/281).

Hier treffe die Erstbeklagte aufgrund des Kaufvertrags die Verpflichtung, dem Kläger Eigentum zu verschaffen. Sie sei ihrer Verpflichtung auch insoweit nachgekommen, als die Sache körperlich übergeben wurde und der Vertrag die entsprechende Urkundenhinterlegungsklausel enthält. Die vertragliche Pflicht auf Verschaffung des Eigentums könne sich aber nicht darin erschöpfen. Vielmehr sei der Verkäufer aus dem Vertrag heraus auch verpflichtet, alles zu unterlassen, was den Eigentumserwerb durch den Käufer verhindern könnte. Die Erstbeklagte nütze das Versäumnis des Klägers, der den Eigentumserwerb durch Urkundenhinterlegung nicht vorgenommen habe, aus, um damit zu ihrem Vorteil ein Pfandrecht zu erlangen; dadurch vereitle sie nachträglich den lastenfreien Eigentumserwerb durch den Kläger. Der Kläger habe aufgrund des Kaufvertrags ein Recht auf reale Leistungsbewirkung. Die Erstbeklagte beeinträchtige dieses Recht auch dann, wenn sie zwar jetzt zu keinem weiteren Tun aus dem Kaufvertrag verpflichtet sei; sie habe alles zu unterlassen, was den Erfolg, nämlich die sachenrechtlich geschuldete Eigentumsübertragung herbeizuführen, gefährden oder verhindern könnte. Genau das tue sie aber, wenn sie wissentlich auf jenen Hälfteanteil Exekution führe, den sie selbst dem Kläger verkauft habe. Der Exszindierungsanspruch des Klägers sei daher gerechtfertigt. Von diesem Exszindierungsanspruch sei zunächst nur der Hälfteanteil am Bauwerk betroffen. Werde jedoch eine ganze Sache gepfändet und stelle sich Miteigentum heraus, so sei die Exekution zur Gänze einzustellen; dies gelte auch, wenn Fahrnisexekution auf ein Superädifikat geführt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Auch an einem Superädifikat ist Miteigentum zu ideellen Teilen möglich (SZ 67/61; SZ 26/83). Ein Miteigentümer ist zum Widerspruch gegen Exekutionen, die auf das gesamte im Miteigentum stehendes Superädifikat geführt werden, berechtigt (NotZ 1997, 328 mwN; vgl SZ 67/61 mwN), kann doch auf Miteigentumsanteile an beweglichen körperlichen Sachen die Exekution nicht nach den §§ 249 ff EO, sondern nur nach den §§ 331 ff EO geführt werden (Jud 35 neu).

Wie die Vorinstanzen bereits zutreffend ausgeführt haben, kann der Kläger seinen Exszindierungsanspruch nicht auf Eigentum am Superädifikat stützen, weil dieses originär durch die Errichtung des Bauwerks, derivativ jedoch nur durch Urkundenhinterlegung erworben werden kann; die Hinterlegung der Urkunde ist die einzig gesetzlich vorgesehene Erwerbsart (SZ 58/23 uva).

Nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen ist aber davon auszugehen, daß der Kläger gemeinsam mit der Verpflichteten (Mit-)Besitz am Superädifikat erworben hat, der auf dem mit der Erstbeklagten als Verkäuferin geschlossenen Kaufvertrag beruht und somit als rechtmäßig anzusehen ist. Die Erstbeklagte hat die Gültigkeit dieses Kaufvertrags nie bestritten. Weiters liegt redlicher Besitz vor; die Erstbeklagte hat den nach § 328 ABGB ihr obliegenden (Spielbüchler in Rummel, ABGB**2, Rz 1 zu § 328 mit Hinweisen auf die Rsp; Koziol/Welser10 II 23) Beweis nie angetreten. Der Besitz ist auch als echt (§ 345 ABGB) anzusehen. Der Kläger ist somit zwar mangels Urkundenhinterlegung nicht Miteigentümer, wohl aber Ersitzungsmitbesitzer des Superädifikats (vgl Spielbüchler in Rummel**2, Rz 2 zu § 372).

Auch Ersitzungsbesitz im Sinn des § 372 ABGB genügt dann, wenn der Besitz nicht vom Verpflichteten abgeleitet wurde (Burgstaller in Prakt Zivilprozeßrecht II5 291) zur Rechtfertigung einer Exszinderungsklage (EvBl 1993/50; JBl 1970, 259 mwN; Burgstaller aaO; Spielbüchler in Rummel**2 Rz 4 zu § 372 ABGB), zumal gegen den betreibenden Gläubiger, der dem Verpflichteten den Besitz am Gegenstand aufgrund eines Vertrages, der zum Eigentumsübergang führen sollte, verschafft hat (vgl Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht10 509; Münzberg in Stein/Jonas21 Rz 30 zu § 771 dZPO mit FN 213).

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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