Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und durch Urteil in der Sache dahin erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 8.929,92 (darin S 1.488,32 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Streitteile wurde am 29.6.1982 mit dem Ausspruch geschieden, daß beide Ehegatten das Verschulden zu gleichen Teilen trifft. In der am selben Tag durchgeführten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung, in der das Urteil über die Scheidung der Ehe verkündet wurde, schlossen die Parteien vor dieser Verkündung für den Fall der Scheidung der Ehe einen Vergleich, in dem sich der nunmehrige Kläger verpflichtete, der nunmehrigen Beklagten ab 1.7.1982 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000,- zu bezahlen. Einvernehmlich wurde in dem Vergleich festgehalten, daß der Kläger einschließlich der Familienbeihilfe ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 10.000,- bezieht und für drei minderjährige eheliche Kinder zu sorgen hat.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 19.4.1994 wurde der Beklagten als betreibender Partei auf Grund des angeführten Vergleiches gegen den Kläger als Verpflichteten zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstands für die Zeit ab April 1991 bis Oktober 1992, März 1993 bis 14.10.1993 und 24.11.1993 bis 24.1.1994 in der Höhe von S 54.674,38 sA die Forderungsexekution bewilligt.
Der Kläger erhob gegen den betriebenen Anspruch Einwendungen mit der Begründung, daß die Beklagte in den im Exekutionsantrag angeführten Zeiträumen eigene Einkünfte bezogen habe. Überdies habe sie die jeweiligen Arbeitsplätze nur wegen ihrer Alkoholsucht verloren. Sie müsse sich auf Grund des Anspannungsgrundsatzes jenes Einkommen anrechnen lassen, das dem Durchschnittseinkommen vor der Arbeitslosigkeit entspreche. Sie habe auch aus diesem Grund keinen Unterhaltsanspruch.
Die Beklagte bestritt, daß sie die Arbeitsplätze wegen ihrer Alkoholsucht verloren habe. Sie sei stets bemüht gewesen, wieder eine entsprechende Arbeit zu finden, und sei auch beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet gewesen. Die Parteien hätten eine Art einvernehmliche Scheidung durchführen wollen. Es sei jedoch nicht beabsichtigt gewesen, durch den Ausspruch des gleichteiligen Verschuldens den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Beklagten auf einen sogenannten Unterhaltsbeitrag herabzusetzen. Bei der Ermittlung des betriebenen Unterhaltsrückstands habe sie auf ihr eigenes Einkommen entsprechend Bedacht genommen und es sei dabei unter Berücksichtigung der Sorgepflicht des Klägers für ein Kind von 36 % seines Einkommens ausgegangen worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Beklagte war nach der Scheidung ihrer Ehe bis 30.4.1991 in einem Altenheim beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich gelöst, weil ihr eine Invaliditätspension zuerkannt wurde, die sie von April 1991 bis September 1992 bezog. Vom 24.9.1992 bis 28.2.1993 war sie als Pflegehelferin tätig. Auch dieses Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich gelöst, weil die Beklagte über die nervliche Belastung klagte und ein Kind zu versorgen hatte. Vom 14.10.1993 bis 23.11.1993 arbeitete sie als Stubenmädchen. Das Dienstverhältnis wurde vom Dienstgeber gekündigt, weil sie den Anforderungen eines Stubenmädchens nicht nachkommen konnte und es Differenzen wegen Fehlbeständen in den Minibars der Gästezimmer gab. Während der Zeiten der Arbeitslosigkeit versuchte die Beklagte, einen Arbeitsplatz zu finden, und war auch beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten ausschließlich auf dem Vergleich beruhe, weil dieser zwar von der Rechtskraft der Scheidung, nicht aber von einem bestimmten Verschuldensausspruch abhängig gemacht worden sei und eine sinngemäße oder hilfsweise Anwendung des § 68 EheG nicht in Betracht komme. Da im Vergleich eine Änderung der Unterhaltspflicht des Klägers nicht vorgesehen sei, wäre es seine Sache gewesen zu beweisen, daß die Absicht der Parteien dahin gegangen sei, der Beklagten einen Unterhalt nur zu verschaffen, solange sie nicht voll Arbeit leiste oder ihre Arbeitslosigkeit selbst verschulde. Diesen Beweis habe der Kläger nicht erbracht. Der Kläger habe sich offensichtlich ohne Rücksicht auf eine Arbeitstätigkeit oder die Arbeitsfähigkeit der Beklagten zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet.
Das Berufungsgericht hob infolge Berufung des Klägers dieses Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, und stellte nach teilweiser Beweiswiederholung noch fest, daß die Alkoholprobleme der Beklagten die Ursache für die Zuerkennung der Invaliditätspension und die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse war. Rechtlich war es der Meinung, daß eine Vereinbarung, die den gesetzlichen Unterhalt regle, vorliege, wenn und soweit sie sich im Rahmen der gesetzlichen (Unterhalts-)Bestimmungen bewege und in diesem Rahmen nur eine Fixierung und Konkretisierung des Unterhaltsanspruchs der Höhe und den Leistungsmodalitäten nach bedeute. Nur wenn eine Vereinbarung inhaltlich über den nach § 68 EheG gebührenden Unterhalt hinausgehe, liege hinsichtlich des Übermaßes eine rein vertragliche Unterhaltspflicht vor. Etwas anderes sei auch nicht aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27.2.1985, 1 Ob 1504/85, abzuleiten, auf die das Erstgericht hingewiesen habe. Hier bestehe weder von den Prozeßbehauptungen der Beklagten noch von den Feststellungen des Erstgerichtes her ein Grund, die Unterhaltsvereinbarung nicht als ausschließliche Ausgestaltung des nach § 68 EheG gebührenden gesetzlichen Unterhalts anzusehen. Dann komme aber der Behauptung des Klägers, die Beklagte habe ihre Arbeitsplätze aus ihrem Verschulden verloren, weshalb sie auf ein erzielbares Einkommen anzuspannen sei, und seinem Einwand, sie habe von April 1991 bis September 1992 eine Invaliditätspension bezogen, Bedeutung für ihren Unterhaltsanspruch zu. Es müßten daher für jene Zeiträume, für die die Hereinbringung des Unterhaltsrückstands begehrt werde, Feststellungen zum tatsächlichen und zu dem bei Anspannung aller Kräfte erzielbaren Einkommen getroffen werden. Außerdem müßten die Einkommensverhältnisse des Klägers festgestellt werden. § 72 EheG hindere die Beklagte nicht, die Exekution zur Hereinbringung von länger als einem Jahr rückständigen Unterhaltsbeträgen zu beantragen.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Beklagten gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist berechtigt.
Vereinbaren Ehegatten für den Fall der Scheidung die Zahlung eines Unterhalts und wird die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten geschieden, so liegt ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch vor, wenn der auf Grund des § 68 EheG zustehende Unterhalt nicht wesentlich überschritten wird (EF 22.896), und ein vertraglicher, wenn und soweit dies der Fall ist (EF 25/2 mwN). Hier kann dahingestellt bleiben, welcher der beiden Fälle vorliegt und ob auch bei einem vertraglich vereinbarten Unterhalt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ohne entsprechende Vereinbarung zu berücksichtigen ist, weil einer zwischen den Parteien geschlossenen Unterhaltsvereinbarung die Umstandsklausel innewohnt (so für den Fall einer Unterhaltsvereinbarung nach § 68 EheG EF 22.895; allgemein EF 75.580, 69.276, 43.108 uva; aM anscheinend ÖA 1986, 50). Der Kläger hat in seiner Klage aber eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht behauptet. Er hat seine Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch nur darauf gestützt, daß die Beklagte in den Zeiträumen, für die der Anspruch betrieben wird, über eigene Einkünfte verfügt habe und daß ihr die Erzielung höherer Einkünfte möglich und zumutbar gewesen wäre. Er hat aber nicht vorgebracht, daß diese Möglichkeit der Erzielung von Einkünften nicht schon zur Zeit des Vergleichsabschlusses bestanden hat. Da nach § 68 EheG bei der Scheidung der Ehe aus beiderseitigem Verschulden dem Ehegatten nur dann ein Unterhaltsanspruch zusteht, wenn er sich nicht selbst erhalten kann, nicht aber, wenn er, obwohl arbeitsfähig, tatsächlich nicht erwerbstätig ist, kann nicht angenommen werden, daß der Unterhaltsanspruch davon abhängig ist, daß der den Unterhalt begehrende Ehegatte keine Arbeit annimmt; denn das Gesetz stellt nur auf die Arbeitsfähigkeit ab, aber nicht auf die tatsächliche Erwerbstätigkeit (SZ 23/51). Das Vorbringen des Klägers, daß die Beklagte zeitweise über eigene Einkünfte verfügt habe und auch in den anderen Zeiträumen Einkünfte erzielen hätte können, reicht daher nicht aus, um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber jenen zur Zeit des Vergleichsabschlusses darzutun, zumal der Kläger nicht behauptete, daß die Beklagte zu dieser Zeit nicht arbeitsfähig gewesen wäre und ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit damals nicht zumutbar war. Ohne eine solche Einwendung ist diese Frage aber nicht zu prüfen.
Es bedarf unter diesen Umständen keiner Feststellungen zur Höhe der Einkünfte, welche die Beklagte erzielte oder erzielen hätte können. Das Berufungsgericht hat somit dem Erstgericht zu Unrecht die Ergänzung des Verfahrens in diesen Punkten aufgetragen. Die Klage ist vielmehr unschlüssig und wurde deshalb vom Erstgericht zur Recht abgewiesen, weshalb dessen Entscheidung gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO wiederherzustellen war.
Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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