OGH 3Ob221/14t

OGH3Ob221/14t21.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** M*****, vertreten durch Mag. Bernhard Schwendinger, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei B***** M*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 25. August 2014, GZ 1 R 225/14t‑12, womit das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 14. Juli 2014, GZ 4 C 8/14h‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Anträge der beklagten Partei, beim Verfassungsgerichtshof ein Normprüfungsverfahren gemäß Art 140 B‑VG einzuleiten, allenfalls ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 267 AEUV zu richten, werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Das Landesgericht Feldkirch verurteilte die Klägerin (rechtskräftig) am 8. September 2005 wegen der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe und zu einer Geldstrafe. Weiters sprach es dem privatbeteiligten Beklagten gemäß § 369 Abs 1 StPO 16.149,42 EUR zu (AZ 23 Hv 149/05b).

Am 3. November 2005 bewilligte das Bezirksgericht Dornbirn dem Beklagten zur Hereinbringung dieser Forderung die Fahrnis‑ und Gehaltsexekution nach § 294a EO wider die Klägerin.

Am 6. September 2006 eröffnete das Bezirksgericht Dornbirn zu AZ 14 S 88/06m das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Klägerin. In diesem Verfahren wurde ein Zahlungsplan mit einer Quote von 23,88 %, zahlbar in 84 Teilquoten, angenommen. Der Beklagte meldete seine Forderung an, nahm jedoch an der Abstimmung über den Zahlungsplan nicht teil. Nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans wurde das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben. Die Klägerin ist ihrer Quotenverpflichtung im Schuldenregulierungsverfahren nachgekommen. Der Beklagte erhob gegen den Zahlungsplan weder Einspruch noch Einwendungen.

Am 2. Juni 2014 bewilligte das Bezirksgericht Dornbirn dem Beklagten im Hinblick auf die erst teilweise befriedigte Forderung wider die Klägerin zur Hereinbringung von 7.000 EUR sA (neuerlich) die Fahrnis‑ und Gehaltsexekution.

Die Klägerin erhob Einwendungen gegen den Anspruch iSd § 35 EO. Durch den angenommenen und bestätigten Zahlungsplan sei es zur Restschuldbefreiung gekommen, weshalb die Exekution nicht mehr zulässig sei.

Der Beklagte wendete ein, er sei Opfer der von der Klägerin begangenen Straftat geworden, weshalb gemäß § 215 IO, der nicht nur im Abschöpfungsverfahren, sondern auch beim Zahlungsplan anzuwenden sei, eine Restschuldbefreiung nicht zu gewähren sei.

Das Erstgericht wies das Oppositionsklagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Oppositionsklage hingegen statt und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob § 215 KO (nunmehr § 215 IO) auch auf den Zahlungsplan Anwendung finde, zulässig sei. Der im zweiten Hauptstück des 3. Teils der Konkursordnung ‑ hier infolge Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens bereits im Jahr 2006 noch anzuwenden ‑ geregelte Zahlungsplan sei seinem Wesen nach ein Zwangsausgleich mit Besonderheiten. Gelinge einem Schuldner, den angenommenen und gerichtlich bestätigten Zahlungsplan zu erfüllen, so sei er ‑ abgesehen von Forderungen, die nur aus seinem Verschulden unberücksichtigt blieben ‑ von allen Verbindlichkeiten befreit. Beim Zahlungsplan und Zwangsausgleich fehle eine dem § 215 KO vergleichbare gesetzliche Regelung, diese beziehe sich ausschließlich auf das Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung. Die ausschließlich auf die Bestimmung des § 215 IO (richtig § 215 KO) gestützte Zulässigkeit der Exekutionsführung sei daher zu verneinen. Im Hinblick auf den bestätigten und erfüllten Zahlungsplan sei die Restschuldbefreiung auch zugunsten der Forderung des Beklagten, für die die Exekution bewilligt worden sei, eingetreten, sodass der Oppositionsklage stattzugeben gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung des Oppositionsklagebegehrens anstrebt, ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Auf den vorliegenden Sachverhalt sind materiell noch die Bestimmungen der KO vor Inkrafttreten des IRÄG 2010 BGBl I 2010/29 anzuwenden, weil das die Klägerin betreffende Insolvenzverfahren vor dem 30. 6. 2010 eröffnet wurde (§ 273 Abs 1 IO).

Mit der KO‑Novelle 1993, BGBl 1993/974 wurden neue Sonderbestimmungen für natürliche Personen (§§ 181 bis 216 KO, „Privatkonkurs“) geschaffen. Mit dieser Novelle beabsichtigte der Gesetzgeber, auch Nichtunternehmern die Chance für einen Neuanfang zu geben, wozu er auch Beeinträchtigungen der Gläubiger in Kauf nahm (8 Ob 146/09t mwN).

Neben der weiterbestehenden Möglichkeit des Ausgleichs sah der Gesetzgeber die Restschuldbefreiung auf hintereinander folgenden Wegen vor (ErlRV 1218 BlgNR 18. GP , 13): Scheitert ein außergerichtlicher Ausgleich des Schuldners und gelingt auch kein Zwangsausgleich im Rahmen eines Konkursverfahrens, so ist das Vermögen des Schuldners zu verwerten. Erst nach der Verwertung seines Vermögens hat der Schuldner die Möglichkeit, den Gläubigern einen Zahlungsplan anzubieten. Der Zahlungsplan ist seinem Wesen nach ein Zwangsausgleich (nunmehr: Sanierungsplan) mit Besonderheiten. Für ihn gelten daher gemäß § 193 Abs 1 KO grundsätzlich die Bestimmungen für den Zwangsausgleich. Von diesem unterscheidet er sich vor allem dadurch, dass keine Mindestquote erforderlich ist und die Zahlungsfrist bis zu sieben Jahren dauern darf. Der Schuldner hat den Gläubigern ohne Rücksicht auf die Erlöse der schon durchgeführten Vermögensverwertung (§ 193 Abs 2 KO) eine Quote anzubieten, die seiner Einkommenslage in den folgenden fünf Jahren entspricht. Gelingt es dem Schuldner, den angenommenen und gerichtlich bestätigten Zahlungsplan zu erfüllen, so ist er ‑ abgesehen von Forderungen, die nur aus seinem Verschulden unberücksichtigt bleiben (§ 197 Abs 1 zweiter Satz iVm § 156 Abs 6 KO) ‑ von allen Verbindlichkeiten befreit. Die die Quote übersteigenden Forderungsteile bleiben lediglich als Naturalobligation weiter bestehen (8 Ob 146/09t mwN).

Nur für das Abschöpfungsverfahren schränkt § 215 KO ‑ wie sich schon aus der Einordnung dieser Bestimmung in das ausschließlich das Abschöpfungsverfahren betreffende dritte Hauptstück ergibt ‑ die generelle Wirkung der Restschuldbefreiung gegen alle Konkursgläubiger (§ 214 Abs 1 KO) ein. Danach werden Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung oder einer vorsätzlichen strafgesetzwidrigen Unterlassung (Z 1) und Verbindlichkeiten, die nur aus Verschulden des Schuldners unberücksichtigt geblieben sind (Z 2) von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt. Eine subsidiäre Anwendung der Bestimmungen über das Abschöpfungsverfahren auf das Verfahren über den Zahlungsplan sieht das Gesetz nicht vor.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zur KO‑Novelle 1993 (1218 der BlgNR 18. GP) mit der die Bestimmungen über den Zahlungsplan und das Abschöpfungsverfahren eingeführt wurden, geht die Absicht des Gesetzgebers hervor, dass primäres Ziel des Konkursverfahrens der Abschluss eines Zwangsausgleichs ist. Kommt es nicht zum Abschluss eines Zwangsausgleichs oder strebt der Schuldner mangels Vermögens oder wegen Aussichtslosigkeit einen solchen gar nicht an, so steht dem Schuldner nach Verwertung seines pfändbaren Vermögens ein Abschöpfungsverfahren offen, das ihm eine Restschuldbefreiung ermöglicht. Vorher hat der Schuldner jedoch einen Zahlungsplan vorzulegen. Durch den Zahlungsplan wird Schuldner und Gläubigermehrheit ermöglicht, von den Bestimmungen des Abschöpfungsverfahrens abzugehen. Das Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung bildet nur ein Auffangnetz für Fälle, in denen ein Zwangsausgleich oder Zahlungsplan nicht zustandekommt. Es legt die den Gläubigern zukommenden Leistungen fest, die ein ‑ sowohl im Vorfeld als auch während des Verfahrens ‑ redlicher Schuldner erbringen muss, damit er Anspruch auf einen teilweisen Schuldenerlass hat. Eine Zustimmung der Gläubiger ist nicht vorgesehen (ErlRV 1218 BlgNR 18. GP , 13, 26).

In der Lehre wird einhellig die Auffassung vertreten, dass die Bestimmung des § 215 KO sich ausschließlich auf das Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung bezieht und auf den Umfang der Restschuldbefreiung im Zuge eines Zahlungsplans nicht anzuwenden ist ( Mohr , Privatkonkurs 2 , 78; Schneider , Privatinsolvenz 2 146; Neuhauser , Rückständige gesetzliche Unterhaltsforderungen als Konkursforderungen und Konkursantragspflicht, Zak 2008/154, 90). Diese Rechtsansicht liegt auch der Entscheidung 28 R 268/11d des Oberlandesgerichts Wien (ZIK 2012/154, 109) zugrunde.

Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung unterscheiden sich die Voraussetzungen für das Verfahren über den Zwangsausgleich oder den Zahlungsplan von jenen für das Abschöpfungsverfahren, weshalb er auch keine Bedenken aus dem Blickwinkel verfassungsrechtlich gebotener Gleichbehandlung oder sachlicher Rechtfertigung für unterschiedliche Regelungen aufzuzeigen vermag. Für den Zwangsausgleich oder den Zahlungsplan bedarf es der Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger und der anschließenden Bestätigung durch das Gericht. Dagegen steht jedem Beteiligten, der dem Ausgleich nicht ausdrücklich zugestimmt hat, der Rekurs zu. Das Abschöpfungsverfahren hingegen ist von der Zustimmung der Gläubiger unabhängig und sieht weitergehende Einleitungshindernisse vor. Die Erteilung der Restschuldbefreiung wirkt auch gegenüber den Gläubigern, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 214 Abs 1 letzter Satz KO).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Die im § 215 Z 1 KO angeordnete Ausnahme von der Wirkung der Restschuldbefreiung beschränkt sich auf das Abschöpfungsverfahren, die Wirkung des rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans/Zwangsausgleichs wird nicht in gleicher Weise eingeschränkt.

Das Berufungsgericht hat der auf den bestätigten und erfüllten Zahlungsplan gestützten Oppositionsklage daher zu Recht stattgegeben, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben musste.

Mangels Antragsrechts war die auf Normanfechtung bzw Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH gerichteten Anträge des Beklagten zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0058452).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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