OGH 3Ob21/14f

OGH3Ob21/14f19.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI L*****, vertreten durch Dr. Ingo Gutjahr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 14. Oktober 2013, GZ 16 R 152/13m‑43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 25. März 2013, GZ 7 C 106/11f‑37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00021.14F.0219.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

 

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger hat sich in einem anlässlich der Scheidung seiner Ehe mit der Beklagten am 27. Jänner 2000 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich ab 1. Februar 2000 zu einem wertgesicherten monatlichen Unterhalt von 7.000 ATS (= 508,71 EUR) verpflichtet. Der Unterhaltsvereinbarung wurden folgende Umstände zugrunde gelegt:

„Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen von ATS 35.000,-- (14x). Eigeneinkommen der Ehefrau von ATS 3.500,-- (10x jährlich). Sorgepflichten des … [Klägers] für zwei Kinder.“

Die Vereinbarung enthält noch folgende Klausel:

„Die Unterhaltsverpflichtung fällt alleine dann weg, wenn die Ehefrau ein Eigeneinkommen von ATS 13.000,-- netto (12x jährlich) bezieht, in allen anderen Fällen ist die Umstandsklausel ausgeschlossen, jede andere wirtschaftliche Veränderung (insbesondere Wegfall der Sorgepflichten) bleibt unberücksichtigt …“.

Mit seiner Oppositionsklage begehrt der Kläger die von der Beklagten betriebenen Unterhaltsansprüche aus dem Vergleich vom 27. Jänner 2000 für die Zeit ab 1. Oktober 2011 infolge wesentlicher Änderung der Umstände (so auch wegen einer eheähnlichen lesbischen Beziehung der Beklagten) für erloschen zu erklären.

Das Erstgericht wies die Oppositionsklage ab. Es stellte unter anderem fest, dass der Kläger schon im Scheidungsverfahren davon ausging, dass die Beklagte eine lesbische Beziehung zu einer Partnerin unterhielt, zu der sie während des Scheidungsverfahrens gezogen ist. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass der Kläger den Umstand der (von ihm behaupteten) lesbischen Beziehung „mitverglichen“ habe und sich nun angesichts der Fassung des Unterhaltsvergleichs nicht auf geänderte Umstände berufen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach nachträglich aus, dass die Revision zulässig sei.

In seiner Revision führt der Kläger ‑ aufgespaltet in mehrere Rechtsfragen zu den rechtlichen Auswirkungen der lesbischen Beziehung der Beklagten ‑ zusammengefasst aus, dass die Beklagte durch das Eingehen einer über die frühere sexuelle Beziehung hinausgehenden gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ihren nachehelichen Unterhaltsanspruch verwirkt habe; der seinerzeitige Unterhaltsvergleich sei ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden, das Scheidungsverfahren ohne größeren Aufwand zu beenden.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) aufgezeigt.

1. Unterhaltsvereinbarungen werden regelmäßig unter der clausula rebus sic stantibus geschlossen (RIS‑Justiz RS0009636), soweit diese nicht von den Vertragsparteien ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (vgl RIS‑Justiz RS0018900). Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob eine Änderung der dem Unterhaltsvergleich vom 27. Jänner 2000 zugrunde gelegten Umstände eingetreten ist, die ungeachtet der Einschränkung der Umstandsklausel zu berücksichtigen ist.

2. Ebenso wie die Umstandsklausel wendet die Rechtsprechung die Erlöschensregel des § 75 EheG selbst auf „rein“ vertragliche Unterhaltsansprüche gemäߧ 80 EheG an (RIS‑Justiz RS0047151; Zankl/Mondel in Schwimann/Kodek 4 § 80 EheG Rz 17). Allerdings geht diese Rechtsfolge einer gegenteiligen Vereinbarung nach ( Zankl/Mondel in Schwimann/Kodek 4 § 75 EheG Rz 2). In diesem Sinn kann Unterhalt vertraglich auch für den Fall des Eingehens einer Lebensgemeinschaft zugesichert werden (RIS‑Justiz RS0105945).

3. Nach den Feststellungen hat der Kläger den Unterhaltsvergleich ausgehend von einer von ihm behaupteten lesbischen Beziehung der Beklagten geschlossen (zu diesem Zeitpunkt wohnten die beiden Frauen schon zusammen; eine lesbische Beziehung hatten sie im Scheidungsverfahren bestritten). Nach der getroffenen Vereinbarung sollte für den Unterhaltsvergleich die Umstandsklausel nur eingeschränkt gelten.

4. Unter diesen hier gegebenen Umständen ist die Ansicht der Vorinstanzen, die maßgeblichen Umstände hätten sich seit Vergleichsabschluss nicht in einer zu berücksichtigenden Weise geändert, nicht zu beanstanden. Die Umstandsklausel ist explizit auf einen bestimmten Fall beschränkt worden, nämlich den Bezug eines Eigeneinkommens in bestimmter Mindesthöhe, während sie sonst ausgeschlossen sein sollte (die weitere Bezugnahme auf „wirtschaftliche Veränderung“ vermag daran nichts zu ändern). Da nach der Scheidung der Ehe keine Verpflichtung zur ehelichen Treue mehr besteht, musste der Kläger ‑ unabhängig von der von ihm als zum Zeitpunkt der Unterhaltsvereinbarung als bestehend behaupteten sexuellen Beziehung ‑ ganz allgemein damit rechnen, dass die Beklagte eine neue Beziehung, sei sie verschiedengeschlechtlich, sei sie gleichgeschlechtlich, eingeht und dass diese auch in eine Lebensgemeinschaft mündet. Wenn die Vorinstanzen den Vergleich so ausgelegt haben, dass nach den festgestellten Umständen des Einzelfalls das Eingehen einer Lebensgemeinschaft nicht schädlich für den vereinbarten Unterhaltsanspruch sein sollte, liegt darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

5. Die Revision des Klägers ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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