OGH 3Ob211/14x

OGH3Ob211/14x18.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, als Erbin nach dem am 10. Juli 2010 verstorbenen Dr. K*****, vertreten durch Bollmann & Bollmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2014, GZ 40 R 46/13f‑60, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. Dezember 2012, GZ 44 C 293/08b‑50, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00211.14X.1218.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der ‑ am 10. Juli 2010 verstorbene ‑ frühere Lebensgefährte der Beklagten (im Folgenden: „Mieter“) hat am 3. Mai 1976 mit den Rechtsvorgängerinnen der klagenden Partei einen Mietvertrag über eine in Wien 4 gelegene, 178,77 m² große Wohnung geschlossen.

Der Mieter war seit 1991/1992 neben der aufgekündigten Wohnung auch Mieter eines Hauses in Wiener Neustadt; seit seinem Tod ist die Beklagte Mieterin dieses Hauses. Der Mieter war von 1989 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 beruflich in Wiener Neustadt tätig; der Grund für die Anmietung des Hauses in Wiener Neustadt lag in der Nähe zu seinem Arbeitsplatz.

Im Zeitraum von 11. Oktober 2007 bis 25. Oktober 2008 übernachteten der Mieter und die Beklagte insgesamt 36 Mal in der aufgekündigten Wohnung. An 239 Tagen in diesem Zeitraum hielt sich niemand in der aufgekündigten Wohnung auf. An den restlichen Tagen im Zeitraum von 11. Oktober 2007 bis 25. Oktober 2008 verbrachte die Beklagte ‑ zum Teil gemeinsam mit dem Mieter ‑ durchschnittlich zwei bis sechs Stunden pro Tag in der aufgekündigten Wohnung. Es kann nicht festgestellt werden, wie oft sich der Mieter und die Beklagte im Zeitraum von August 2007 bis 10. Oktober 2007 in der aufgekündigten Wohnung aufhielten oder dort übernachteten.

Die klagende Partei hat die am 22. April 2008 eingebrachte und am 29. April 2008 dem Mieter zugestellte Aufkündigung des Mietvertrags darauf gestützt, dass dieser ständig nach Wiener Neustadt verzogen sei; die Wohnung in Wien 4 stehe leer und werde nur gelegentlich tagsüber für einige Stunden sowie zum gelegentlichen Übernachten benutzt.

Nach dem Tod des Mieters wurde die Bezeichnung der beklagten Partei in der Streitverhandlung vom 13. April 2011 auf die Beklagte als Erbin nach dem seinerzeitigen Mieter umgestellt.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung vom 25. April 2008 im zweiten Rechtsgang als rechtsunwirksam auf.

Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. Juni 2014 zu 3 Ob 43/14s änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, dass es die Aufkündigung vom 25. April 2008 als rechtswirksam erkannte und die Beklagte verpflichtete, der klagenden Partei die gemietete Wohnung binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben.

Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte in der rechtlichen Beurteilung aus, dass die festgestellte Frequenz der Benützung der aufgekündigten Wohnung weit unter jener Häufigkeit liege, die von der Rechtsprechung noch als regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken angesehen werde. Ein dringendes Wohnbedürfnis des Mieters und der Beklagten an der aufgekündigten Wohnung sei vom Obersten Gerichtshof zu 3 Ob 43/14s verneint worden.

Die Revision wurde im Hinblick darauf, dass die zu lösenden Rechtsfragen vom Obersten Gerichtshof bereits entschieden worden seien, nicht zugelassen.

In ihrer außerordentlichen Revision stellt die Beklagte in den Vordergrund, dass sowohl die Rechtsfrage der regelmäßigen Verwendung des Bestandobjekts als auch diejenige des schutzwürdigen Interesses des Mieters (unter Einbeziehung der Notwendigkeit der Rückkehr in die gemietete Wohnung) in Abweichung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst worden sei. Außerdem seien die Frage der Gleichwertigkeit der Wohnmöglichkeiten und die Frage des schutzwürdigen Bewahrungsinteresses der Rechtsnachfolgerin des Mieters nicht behandelt worden.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 3 Ob 43/14s unter Punkt 4. bereits zur Frage des schutzwürdigen Interesses an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses Stellung genommen und ein solches Interesse im Hinblick auf den fehlenden Nachweis einer konkreten Rückkehrabsicht des Mieters verneint. Unter Punkt 5. wurde darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall auch ein schutzwürdiges Interesse einer allenfalls eintrittsberechtigten Person, konkret der Beklagten nicht zum Tragen kommt.

2. Ausgehend von den ‑ nun vom Berufungsgericht übernommenen ‑ erstgerichtlichen Feststellungen hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 43/14s bereits dargelegt, dass eine regelmäßige Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken nicht angenommen werden kann. Die nun von der Beklagten aufgeworfenen Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel. Ob eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt wird, liegt im Ermessen des Berufungsgerichts (§ 480 ZPO). Eine „überraschende“ Rechtsansicht wurde vom Berufungsgericht nicht vertreten; diese steht vielmehr im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

3. Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.

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