OGH 3Ob204/04b

OGH3Ob204/04b23.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich W*****, vertreten durch Dr. Georg Hamann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Michael P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 14 C 601/01a des Bezirksgerichts Wiener Neustadt (Streitwert 5.971,37 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 30. April 2004, GZ 18 R 60/04h-7, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 1. Juli 2004, GZ 18 R 60/04h-10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 12. Februar 2004, GZ 14 C 129/04v-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt mit der am 30. Jänner 2004 eingebrachten Klage die Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 14 C 601/01a des Erstgerichts, die Aufhebung des Urteils des Erstgerichts vom 5. Jänner 2004 und die Abweisung des im wiederaufgenommenen Verfahren erhobenen Klagebegehrens, der Anspruch des Wiederaufnahmsbeklagten, zu dessen Hereinbringung zu AZ 10 E 2143/03t des Erstgerichts Fahrnisexekution bewilligt wurde, sei erloschen. In dem Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, hat das Erstgericht mit Urteil vom 5. Jänner 2004, GZ 14 C 604/01a-30, ausgesprochen, der Anspruch des dort Beklagten und nunmehrigen Wiederaufnahmsklägers aus dem gegen den dortigen Kläger und nunmehrigen Wiederaufnahmsbeklagten zu AZ 10 E 2143/01t des Erstgerichts geführten Fahrnisexekutionsverfahren sei mit 5.971,37 EUR erloschen. Dieses Erlöschen ist nach diesem Urteil wegen Zahlung an den in einer Forderungsexekution betreibenden Gläubiger erfolgt; das Pfandrecht gemäß § 19a RAO sei in diesem Exekutionsverfahren erst verspätet geltend gemacht worden.

Der Wiederaufnahmskläger macht den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend. Nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im wiederaufzunehmenden Verfahren habe er Kenntnis davon erlangt, dass die Pfändung und Überweisung der betreffenden Kostenforderung nicht erfolgt sei, weshalb eine schuldbefreiende Zahlung durch den Drittschuldner nicht vorliege. Tatsächlich sei nicht diese Forderung, sondern eine Gehaltsforderung gepfändet und überwiesen worden.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung gemäß § 538 Abs 1 ZPO zurück. Da dem Wiederaufnahmskläger auch die betreffende Exekutionsbewilligung erst am 22. Jänner 2004 trotz eines bereits am 11. Juli 2002 gestellten Zustellantrags zugestellt worden sei, handle es sich dabei um kein neues Beweismittel. Der betreffende Exekutionsakt sei nämlich bereits vor dem ersten Verhandlungstermin im wiederaufzunehmenden Verfahren amtswegig beigeschafft und verlesen worden. Darüber hinaus sei diese Exekutionsbewilligung Beilage des wiederaufzunehmenden Aktes, sodass der Kläger oder sein Vertreter jederzeit die Möglichkeit gehabt hätten, Akteneinsicht zu nehmen, um sich Kenntnis von diesem Beweismittel zu verschaffen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und führte in rechtlicher Hinsicht aus, gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO könne ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelange oder Beweismittel auffinde oder zu benützen in den Stand gesetzt werde, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Hier habe das Erstgericht im wiederaufzunehmenden Verfahren den betreffenden Exekutionsakt verlesen. Dieser Akt sei mittlerweile in Verstoß geraten, rekonstruiert und neuerlich ins Register eingetragen. Daher sei nicht mit Sicherheit feststellbar, wie die Urschrift der Exekutionsbewilligung gelautet habe. Sollte die Exekution wie beantragt bewilligt worden sein, sei die Kostenforderung des Verpflichteten gegen den Wiederaufnahmsbeklagten gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden. Es wäre in diesem Fall nur eine von der Urschrift abweichende Ausfertigung des Beschlusses auf Exekutionsbewilligung erstellt worden. Die nunmehrige Benützbarkeit einer derartigen Ausfertigung der Exekutionsbewilligung könnte keinesfalls den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO darstellen; vielmehr läge ein Berichtigungsfall gemäß § 419 Abs 1 ZPO vor.

Sollte die Exekution allerdings so wie aus der nunmehr zugestellten Ausfertigung ersichtlich bewilligt worden sein, sei dies dem Wiederaufnahmskläger durch Verlesen des Exekutionsaktes im wiederaufzunehmenden Verfahren bereits bekannt gewesen. Auch in diesem Fall könnte die mittlerweile erfolgte Zustellung der Ausfertigung der Exekutionsbewilligung nicht den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO verwirklichen, weil ein neues Beweismittel, das im Vorverfahren nicht benutzt werden konnte, nicht vorliege. Den Wiederaufnahmskläger treffe jedenfalls ein Verschulden; er hätte in den beigeschafften und verlesenen Exekutionsakt jederzeit Einsicht nehmen können.

Dass eine Kopie der Ausfertigung der Exekutionsbewilligung im Akt des wiederaufzunehmenden Verfahrens erliege, sei hingegen nicht entscheidend, weil nicht ersichtlich sei, wie diese Kopie zum Akt gelangt sei. Dem Wiederaufnahmskläger könne daher kein Vorwurf gemacht werden, diese nicht zu kennen.

Mit Beschluss vom 1. Juli 2004 sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Wiederaufnahmsklägers ist zulässig und berechtigt.

Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO). Wegen dieser Umstände ist die Wiederaufnahme aber nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen (§ 530 Abs 2 ZPO). Das Gericht hat vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§§ 529 bis 531 ZPO) gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen anderer, hier nicht relevanter Gründe unzulässig, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschluss zurückzuweisen (§ 538 Abs 1 ZPO). Ob den Wiederaufnahmskläger ein Verschulden an der nicht rechtzeitigen Kenntnis der neuen Beweismittel trifft, ist grundsätzlich im Vorprüfungsverfahren nicht zu klären. Eine Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage wegen Verschuldens des Klägers iSd § 530 Abs 2 ZPO ist nur dann möglich, wenn sich das Verschulden des Wiederaufnahmsklägers bereits aus den - als richtig angenommenen - Tatsachenbehauptungen in der Klage ergibt oder wenn der Klage jede Behauptung fehlt, dass die Geltendmachung des als Wiederaufnahmsgrund angeführten Beweismittels im Vorprozess ohne Verschulden unmöglich war (stRsp, zuletzt 3 Ob 186/04f; RIS-Justiz RS0044639, RS0044558).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Schon deshalb, weil der Exekutionsakt in Verstoß geraten und in der Folge rekonstruiert wurde, kann nunmehr allein aufgrund der Aktenlage nicht festgestellt werden, wie die Urschrift der Exekutionsbewilligung lautete, ob hier eine Pfändung und Überweisung der betreffenden Kostenforderung des Verpflichteten gegen den nunmehr Wiederaufnahmsbeklagten vorliegt oder ob eine - offenbar nicht existente - Forderung aus einem Arbeitsverhältnis in Exekution gezogen wurde. Dies ließ auch das Berufungsgericht offen, das nur Überlegungen anstellte, dass wohl eine Exekution der Kostenforderung entsprechend dem Antrag bewilligt worden sei. Auch die Frage, ob dem Wiederaufnahmskläger bereits während des wiederaufzunehmenden Verfahrens der Inhalt der Exekutionsbewilligung bekannt war, sodass ein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO vorliegen würde, ist nicht eindeutig zu klären.

Bei dieser Sachlage ist eine Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO nicht zulässig. Vielmehr ist in mündlicher Verhandlung ein entsprechendes Beweisverfahren durchzuführen und sind sodann die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen festzustellen. Hiefür eignet sich gerade das Vorprüfungsverfahren nicht, in dem eine Beweiswürdigung in Ansehung der neuen Beweismittel nicht stattzufinden hat (vgl E. Kodek in Rechberger, ZPO2 § 538 Rz 1).

In Stattgebung des Revisionsrekurses des Wiederaufnahmsklägers sind daher die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben; dem Erstgericht ist die Fortsetzung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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