European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00184.75.0916.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
1.) Hinsichtlich a) des Begehrens auf Feststellung, die Grundparzellen Nr. 7* und 1* der Katastralgemeinde * seien frei von der Dienstbarkeit des Abstellens von Kraftfahrzeugen und b) des diesbezüglichen Unterlassungsbegehrens wird dem Rekurs nicht Folge gegeben und Absatz 1 des angefochtenen Beschlusses bestätigt.
2.) Hinsichtlich a) des Begehrens auf Feststellung, die Grundparzellen Nr. 7* und 1* der Katastralgemeinde * seien frei von der Dienstbarkeit der Weide und b) des diesbezüglichen Unterlassungsbegehrens wird dem Rekurs Folge gegeben; die Absätze 2 bis 5 des angefochtenen Beschlusses werden aufgehoben; in diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Rekurskosten sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.
3.) Der als „Revisionsbeantwortung“ bezeichnete Schriftsatz des Beklagten wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin brachte vor, sie sei grundbücherliche Eigentümerin der Parzellen Nr. 7* und 1* der Katastralgemeinde *, der Beklagte als Anrainer stelle auf der Parzelle 1* widerrechtlich seine Fahrzeuge ab und lasse auf der Parzelle 7* ohne Rechtstitel seine Kühe weiden. Sie begehrte daher 1.) die Feststellung, daß die angeführten Grundparzellen frei von Dienstbarkeiten der Weide oder des Abstellens von Kraftfahrzeugen seien, und 2.) die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung aller Handlungen, die sich als Ausübung solcher Dienstbarkeiten darstellen.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil ihm auf der Grundparzelle 7* die Dienstbarkeit der Weide, auf der Grundparzelle 1* das Recht zum Abstellen der für seinen Landwirtschaftsbetrieb benötigten Fahrzeuge zustehe und er zu einer darüber hinausgehenden Klagsführung keinen Anlaß gegeben habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
In ihrer dagegen gerichteten Berufung erklärte die Klägerin zwar, das Urteil zur Gänze anzufechten, berührte jedoch in ihren Ausführungen mit keinem Wort die Feststellungen und rechtlichen Schlußfolgerungen des Erstgerichtes in Ansehung des – nach der Klagsbehauptung angemaßten, nach den Feststellungen des Erstgerichtes jedoch bestehenden – Rechtes des Beklagten auf Fahrzeugabstellung im Bereich der Grundparzelle 1* Katastralgemeinde *.
Das Berufungsgericht wies unter Hinweis auf diesen Umstand und § 467 Z. 3 ZPO mit Absatz 1 des angefochtenen Beschlusses die Berufung der Klägerin in Ansehung ihres die Abstellung von Kraftfahrzeugen betreffenden Begehrens zurück.
Zu dem das angeblich angemerkte Weiderecht betreffenden Begehren führte das Berufungsgericht aus, hiefür sei zufolge § 38 Abs. 2 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes LGBl 1952/21 der Rechtsweg unzulässig. Es hob daher mit Absatz 2 des angefochtenen Beschlusses das Urteil des Erstgerichtes und das ihm vorausgegangene Verfahren in Ansehung des die Weide betreffenden Begehrens als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück.
Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs (§ 519 ZPO) der Klägerin mit dem Hauptantrag, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne des Klagebegehrens zu entscheiden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte erstattete einen als „Revisionsbeantwortung“ bezeichneten Schriftsatz, dieser ist jedoch, da es sich hier um ein Rekursverfahren handelt, unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Klägerin hinsichtlich Absatz 1 der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist nicht gerechtfertigt, im übrigen – die Absätze 3 bis 5 betreffen die Kostenentscheidung – hingegen gerechtfertigt.
Die nunmehrigen Rekursbehauptungen, die Berufungsausführungen hätten beide in der Klage angeführten Rechtsanmaßungen „betroffen“, widersprechen dem vom Berufungsgericht richtig wiedergegebenen Berufungsinhalt. Es besteht auch kein näherer Zusammenhang zwischen der Behauptung, der Beklagte lasse auf einem Grundstück seine Tiere weiden und stelle auf einem anderen Grundstück seine Fahrzeuge ab. Selbst wenn man hieraus entsprechend den Rekursausführungen einen „wirtschaftlichen Zusammenhang“ ableiten wollte, sind die beiden Begehren der Klägerin rechtlich voneinander völlig unabhängig; dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß eine sachliche Überprüfung der Abweisung des das Fahrzeugabstellen betreffenden Begehrens im Hinblick auf das Fehlen jeglicher dieses Begehren betreffender Berufungsausführungen zufolge §§ 467 Z. 3, 471 Z. 3, 474 Abs. 2 ZPO unzulässig war. Der erste Absatz des angefochtenen Beschlusses war daher zu bestätigen.
Hinsichtlich des die Weide betreffenden Begehrens ließ das Berufungsgericht außer Acht, daß die gegenständliche Klage eindeutig als sogenannte Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) im Sinn des § 323 ABGB zu qualifizieren ist. Mit einer derartigen Klage wird stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hat, falls sich der Beklagte auf ein Recht beruft, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen sind (ebenso Fasching I, 63, SZ 44/163, JB1 1974, 483, EvBl 1974/54 u.a.). In einem derartigen Fall ist der vom Beklagten behauptete Bestand eines nach öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Rechtes vom ordentlichen Gericht als Vorfrage zu prüfen und bei Bejahung dieses Rechtes die Negatorienklage abzuweisen (ebenso Fasching I, 65/66, SZ 20/8, JBl 1962, 261, RZ 1962, 175 u.a.).
Das Berufungsgericht hat daher die Zulässigkeit des Rechtsweges hinsichtlich des die Weide betreffenden Klagebegehrens zu Unrecht verneint. Entgegen dem primären Rekursantrag durfte seine Entscheidung jedoch nicht durch eine Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofes ersetzt werden (vergleiche Fasching IV, 414 und 437, RZ 1966, 203, ArbSlg 8.739, JBl 1973, 87 u.a.), vielmehr war wie im Spruch zu entscheiden, wobei sich die Kostenentscheidung auf § 52 ZPO gründet.
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