OGH 3Ob183/99d

OGH3Ob183/99d25.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Peter Urbanek und Dr. Christian Lind, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die verpflichtete Partei Franz H*****, vertreten durch Dr. Harald Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, als Sachwalter (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB), wegen S 9,363.140,95 sA, über den Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 29. April 1999, GZ 53 R 361/98i-38, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 21. August 1998, GZ 5 E 644/98f-14, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben; dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Verfahrens vor dem Rekursgericht.

Text

Begründung

Gegenstand des Verfahrens ist die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft des Verpflichteten.

Das Erstgericht stellte gemäß § 144 EO den Schätzwert mit S 5,215.000 fest. Vor Zustellung dieses Beschlusses an den Sachwalter brachten Dr. Paul Kreuzberger und Mag. Markus Stranimaier, Rechtsanwälte in Salzburg, als Vertreter des Verpflichteten am 9. 9. 1998 Rekurs ein, wobei sie sich auf die erteilte Vollmacht gemäß § 8 Abs 1 RAO beriefen. Sie hätten anläßlich einer Akteneinsicht am 7. 9. 1998 von diesem Beschluß Kennntnis erhalten. Der Verpflichtete habe seit 24. 7. 1998 bis heute in regelmäßigen Zeitabständen immer wieder in der Landesnervenklinik Salzburg (Abteilung Geriatrie) wegen einer Thromboseerkrankung behandelt werden müssen; ein stationärer Aufenthalt sei notwendig gewesen. Auch derzeit befinde er sich dort in stationärer Behandlung; der Zeitpunkt der Entlassung sei nicht absehbar. Zu dieser Thromboseerkrankung komme hinzu, daß der Verpflichtete teilweise geistig verwirrt sei und im Rahmen dieses Zwangsversteigerungsverfahrens zumindest ein vorläufiger bzw einstweiliger Sachwalter zu bestellen sein werde, der die Interessen für den Verpflichteten wahrzunehmen habe.

Diesem Rekurs gab das Rekursgericht mit Beschluß vom 19. 11. 1998 nicht Folge. Hiebei ging es vorweg auf die im Rekurs aufgezeigte, allenfalls notwendige Bestellung eines einstweiligen Sachwalters ein. In einem Telefonat habe der Rechtsanwaltsanwärter Dr. Pühl, der den Rekurs auch verfaßt habe, mitgeteilt, daß sich der Verpflichtete insbesondere wegen Verdachts auf Krebs im Krankenhaus befunden habe und sowohl hinsichtlich seiner Geschäfts- als auch Prozeßfähigkeit, vor allem auch hinsichtlich der Vollmachtserteilung an seine Rechtsvertreter, keine Bedenken bestünden. Umsomehr würden die im Rekurs aufgestellten Behauptungen überraschen; doch habe nun aufgrund dieser informativen Angaben kein Anhaltspunkt für ein etwaiges Vorgehen nach § 6a ZPO gefunden werden können bzw habe eine derartige Vorgangsweise unterbleiben können.

Bereits am 8. 9. 1998 langte beim Erstgericht die von einem Oberarzt der Landesnervenklinik Salzburg, Geriatrische Abteilung, unterzeichnete Anregung vom 7. 9. 1998 ein, für den Verpflichteten einen Sachwalter zu bestellen. Er sei seit 3. 9. 1998 an der Geriatrischen Abteilung stationär, vorher sei er bereits vom 31. 8. bis 1. 9. 1998 dort stationär behandelt worden und habe dann wegen akuter Verwirrtheit und Poriomanie an die Psychiatrie transferiert werden müssen, wo er bis 3. 9. 1998 stationär gewesen sei. Außerdem sei er bereits vom 24. 12. 1997 bis 2. 1. 1998 sowie am 5. 1. 1998 unter Beobachtung der Psychiatrie der Landesnervenklinik Salzburg stationär wegen einer senilen organischen Psychose gewesen. Im Juni 1998 sei an der I. Chirurgie als Diagnose für den stationären Aufenthalt Alkoholismus mit Leberzirrhose, paranoides Syndrom und Cholezystolithiasis erwähnt worden. Es bestehe eine Hirnleistungsminderung im Ausprägungsgrad eines dementiellen Syndroms in der Folge eines Multiinfarktgeschehens und eines chronischen Alkoholabusus. Er sei teilorientiert, die Gedächtnisleistung sei vermindert, vorwiegend das Kurzzeitgedächtnis betreffend; er konfabuliere, es bestehe eine Selbstüberschätzung, mangelnder Realitätsbezug und mangelnde Krankheitseinsicht.

Laut Aktenvermerk vom 10. 9. 1998 über eine Erstanhörung ist der Betroffene nicht völlig verwirrt, jedoch fehlt ihm der Bezug zur Realität, es besteht eine Selbstüberschätzung. Er ist der Ansicht, er käme noch heute aus dem Krankenhaus heraus, was nicht der Fall ist, und werde sich sofort um die Vermietung seiner Wohnungen und die Begleichung seiner Schulden kümmern. Aufgrund seines mangelnden Realitätsbezuges ist jedoch nicht anzunehmen, daß er dazu in der Lage ist.

Am 14. 9. 1998 langte beim Pflegschaftsgericht ein Antrag auf Besachwalterung des Verpflichteten ein, der von der I. Psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg gestellt wurde.

Mit Beschluß vom 14. 9. 1998 wurde Dr. Harald Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, zunächst gemäß § 238 Abs 1 AußStrG zum einstweiligen Sachwalter und sodann mit Beschluß vom 16. 11. 1998 gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter des Verpflichteten bestellt; er hat alle Angelegenheiten zu besorgen (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB). Nach dem zugrundeliegenden Sachverständigengutachten bietet der Betroffene das Zustandsbild eines hirnorganischen Psychosyndroms. Dabei stehen Desorientiertheit in örtlicher und zeitlicher Hinsicht im Vordergrund, aber auch ein delirantes Bild im Gespräch ist zu bemerken. Es liegt somit eine psychische Krankheit vor. Diese bewirkt eine Persönlichkeitsveränderung mit teilweiser Selbstüberschätzung und teilweise völligem Realitätsverlust. Es fehlt jede Krankheitseinsicht. Der Betroffene ist auch nicht in der Lage, die Tragweite einer Vollmachtserteilung zu begreifen.

Am 16. 4. 1999 langte der Rekurs des Sachwalters des Verpflichteten ein, in dem er eingangs ausführte, der erstgerichtliche Beschluß sei zufolge der mangelhaften Zustellung bis heute nicht in Rechtskraft erwachsen bzw liege ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 514 ZPO iVm § 477 Z 4 ZPO vor, weil die Zustellung bereits an den Sachwalter hätte erfolgen müssen. Ein Genehmigungsvorgang des Sachwalters liege nicht vor.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs zurück und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil für vergleichbare Fälle - soweit überblickbar - keine entsprechende Rechtsprechung vorliege und der Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommen könne. Zur Begründung führte das Rekursgericht aus, es habe aufgrund der Mitteilung des früheren Rechtsvertreters des Verpflichteten keine Anhaltspunkte für ein etwaiges Vorgehen nach § 6a ZPO gefunden und eine derartige Vorgangsweise unterlassen. Der zweite Rekurs sei daher wegen Einmaligkeit eines Rechtsmittels zurückzuweisen.

Der vom Verpflichteten gegen diesen Zurückweisungsbeschluß an den Obersten Gerichtshof erhobene Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Beurteilung der Folgen der Prozeßunfähigkeit des Verpflichteten ist davon auszugehen, daß die Vorschriften der §§ 1 bis 10 ZPO über die Prozeßfähigkeit nach § 78 EO auch im Exekutionsverfahren gelten. Beide Parteien des Exekutionsverfahrens müssen prozeßfähig sein (3 Ob 51, 1060/95; 3 Ob 213/98i; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren**2 Rz 106; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4, 20; Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 182 f). Prozeßunfähige müssen sich eines gesetzlichen Vertreters bedienen. Die Prozeßunfähigkeit einer Partei ist in jeder Lage des Verfahrens von amtswegen wahrzunehmen. Das Gericht hat wie im Prozeß gemäß §§ 6 und 7 ZPO zu versuchen, den Mangel zu beheben (RPflSlgE 1984/79; 3 Ob 51, 1060/95; 3 Ob 213/98i; Rechberger/Simotta aaO).

Aus dem gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden § 6a ZPO, ergibt sich zwar, daß die Prüfung der Prozeßfähigkeit von Parteien, die der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegen und für die kein Sachwalter bestellt ist, dem Pflegschaftsgericht obliegt, wobei gemäß § 6a Satz 3 ZPO, § 78 EO das Exekutionsgericht an die Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes gebunden ist.

Im vorliegenden Fall liegt eine solche bindende Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes insoweit auch vor, als mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16. 11. 1998, für den Verpflichteten ein Sachwalter bestellt wurde, der alle Angelegenheiten zu besorgen hat (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB). Diese Bindung besteht jedoch nur für die Zukunft, also für die Zeit ab der Wirksamkeit der Bestellung des Sachwalters. Sofern dies für das Verfahren von Bedeutung ist, hat für den vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum das Gericht hingegen selbständig zu prüfen, ob eine Partei prozeßfähig war (8 Ob 2185/96y = ZIK 1997, 68; 3 Ob 213/98i; JBl 1999, 536). Dies gilt hier also für die Lösung der für die Entscheidung wesentliche Frage, ob der Verpflichtete dem Rechtsanwalt, der den ersten Rekurs einbrachte, gültig Prozeßvollmacht erteilte. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es in diesem Zusammenhang überhaupt um die Prozeßfähigkeit des Verpflichteten geht (so EvBl 1986/162) oder ob es nicht auf dessen Geschäftsfähigkeit ankommt, weil nach herrschender Auffassung die Bevollmächtigung im Prozeß ein Rechtsinstitut des Privatrechts (bürgerlichen Rechtes) ist (Fasching, Komm II 244; ders, ZPR**2 Rz 425; NZ 1981, 78; 9 ObA 5/92) und das bürgerliche Recht nur den Begriff der Handlungs- und Geschäftsfähigkeit (vgl Koziol/Welser10 I 47 f), nicht aber jenen der Prozeßfähigkeit, der dem Verfahrensrecht entstammt (s § 1 ZPO), kennt. Da aber im Inhalt der Begriffe kein Unterschied besteht (vgl Fasching, ZPR**2 Rz 347) und das zur Prüfung der Prozeßfähigkeit Gesagte jedenfalls auch für die Geschäftsfähigkeit gilt, soweit die Wirksamkeit einer Prozeßhandlung davon abhängt, ist die Unterscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung.

Hier ist aufgrund des vor der Sachwalterbestellung eingeholten psychiatrischen Gutachtens im Zusammenhalt mit den Mitteilungen zweier Abteilungen der Landesnervenklinik Salzburg die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß der Verpflichtete schon seinem früheren Vertreter eine Prozeßvollmacht nicht gültig erteilen konnte. Die - ausschließlich auf einen Aktenvermerk über ein Telefonat mit einem Rechtsanwaltsanwärter gestützte - Annahme des Rekursgerichtes, die Prozeßfähigkeit des Verpflichteten sei im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht gegeben gewesen, ist durch die vorliegenden Verfahrensergebnisse nicht ausreichend begründet. Es sind hiezu Feststellungen darüber notwendig, ob der Verpflichtete im Zeitpunkt der Erteilung der Prozeßvollmacht in der Lage war, deren Tragweite zu erfassen und dieser Einsicht gemäß zu handeln. Falls der Verpflichtete eine gültige Prozeßvollmacht nicht erteilt hat, ist der in seinem Namen eingebrachte erste Rekurs nicht ihm zuzurechnen und daher der vom Sachwalter eingebrachte Rekurs als erster vom Verpflichteten wirksam eingebrachter Rekurs anzusehen, über dessen sachliche Berechtigung das Rekursgericht dann zu entscheiden hätte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO, § 78 EO.

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