OGH 3Ob18/14i

OGH3Ob18/14i30.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Jensik, die Hofrätin Dr. Grohmann und den Hofrat Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, und des auf Seite der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten Mag. J*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft m.b.H, *****, vertreten durch Dr. Hubert Tramposch, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 120.720 EUR und Feststellung (10.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 3. Dezember 2013, GZ 13 Nc 19/13p‑2, mit dem die Ablehnung von Richtern des Oberlandesgerichts Wien zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00018.14I.0430.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.007,50 EUR (darin 334,58 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

In einem Verfahren vor dem Handelsgericht Wien macht die klagende Partei die Rückzahlung eines Kaufpreisteils aus einem Immobilienkaufvertrag mit der Begründung geltend, die beklagte Partei habe die ihr bekannte Verunreinigung des Erdreichs arglistig oder zumindest grob fahrlässig verschwiegen, sodass die klagende Partei zur irrtumsrechtlichen Vertragsanpassung wegen List und Irrtums, hilfsweise aufgrund von culpa in contrahendo berechtigt sei.

Nach einem Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs in die zweite Instanz (3 Ob 23/13y) hob das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 26. September 2013 seinerseits das Teilzwischenurteil der ersten Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Diese Entscheidung wurde der Rechtsvertreterin der klagenden Partei am 10. Oktober 2013 und dem auf der Seite der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten am 11. Oktober 2013 zugestellt. Am 15. Oktober 2013 lehnten die klagende Partei und der Nebenintervenient den in zweiter Instanz erkennenden Senat des Oberlandesgerichts als befangen ab. Begründet wurde die Ablehnung mit dem Vorwurf, die gehäufte Verkennung der Verfahrensvorschriften, nämlich die Missachtung der Bindungswirkung der höchstgerichtlichen Entscheidung, die aktenwidrige Darstellung von Inhalt und Zweck des vom Erstgericht abgewiesenen Beweisantrags und die Missachtung des fundamentalen Prinzips der Parteienmaxime zum Nachteil der klagenden Partei, überschreite die Grenzen zur Willkür. Der Senat missachte die Unabhängigkeit des Erstgerichts, indem es seiner Beweiswürdigung vorgreife. Die Entscheidung sei derart auffallend einseitig, dass die Grenzen einer bloß unrichtigen rechtlichen Beurteilung weit überschritten seien.

Zwei der drei von der Ablehnung betroffenen Richter gaben Äußerungen ab; sie gaben an, sich nicht befangen zu fühlen.

Das Oberlandesgericht Wien wies den Ablehnungsantrag zurück. Die Ablehnungswerber zeigten keine schwerwiegenden Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze auf. Es sei nicht Aufgabe eines Ablehnungssenats, die Rechtsprechung eines anderen Senats zu kommentieren oder zu überprüfen. Ob die Schlussfolgerungen des abgelehnten Senats den von den Ablehnungswerbern ins Treffen geführten Denkgesetzen standhielten oder nicht, könne nicht Gegenstand des Ablehnungsverfahrens sein. In Wahrheit versuchten die Ablehnungswerber, mit ihrem Antrag grobe Unrichtigkeiten der Entscheidung des abgelehnten Senats aufzuzeigen, führten aber keine besonderen Anhaltspunkte für die Besorgnis einer Befangenheit ins Treffen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Beschluss bekämpft die klagende Partei mit Rekurs. Das Rechtsmittel ist nach § 24 Abs 2 JN zulässig, aber nicht berechtigt.

Eine Ablehnung kann nur aus personenbezogenen Gründen gegen einen bestimmten Richter erfolgen (RIS‑Justiz RS0046005 [T2 und T4]). Es genügt, dass die Partei begründetermaßen besorgen muss, dass sich die Richter im Verfahren (auch) von unsachlichen Gesichtspunkten leiten lassen könnten (RIS‑Justiz RS0045961 [T5]). Das Vertreten einer bestimmten Rechtsmeinung ‑ selbst wenn sie in der Rechtsprechung abgelehnt wird (RIS‑Justiz RS0045916) ‑ rechtfertigt gewöhnlich keine Ablehnung (RIS‑Justiz RS0045961 [T2]; RS0111290 [T2]). Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind nämlich nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen. Dieses soll nicht die Möglichkeit bieten, dass sich Parteien ihnen nicht genehmer Richter entledigen können (RIS‑Justiz RS0111290). Verfahrensverstöße können aber dann einen Befangenheitsgrund darstellen, wenn sie so schwerwiegend sind, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen lassen (RIS‑Justiz RS0045916).

Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei keine derart gewichtigen Gründe dargetan, die eine mangelnde Objektivität der abgelehnten Richter erkennen ließen. Nach der aufhebenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 23/13y hat der abgelehnte Rechtsmittelsenat des Oberlandesgerichts Wien seine Rechtsansicht nachvollziehbar dargelegt. Ob diese Rechtsansicht begründet ist oder nicht, wird sich im weiteren Verfahren ergeben. Jedenfalls ist keine vorgreifende Beweiswürdigung oder ein Verstoß gegen die Bindung an die rechtliche Beurteilung des Obersten Gerichtshofs in einer Art erkennbar, dass sie im Ablehnungsverfahren aufgegriffen werden müsste.

Demnach hat das Oberlandesgericht Wien die Ablehnung zu Recht zurückgewiesen.

Das Ablehnungsverfahren ist ein Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens (hier: Zivilprozess) unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RIS‑Justiz RS0126588). Die klagende Partei hat demnach der beklagten Partei die Kosten ihrer Rekursbeantwortung (Tarifpost 3B) nach § 41 iVm § 50 ZPO zu ersetzen. Dabei sind die Tarife anhand des Streitwerts zu bemessen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte