OGH 3Ob160/74

OGH3Ob160/7417.9.1974

SZ 47/97

Normen

Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §2
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §24
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm ArtIX
JN §1
ZPO §240 Abs3
ZPO §477
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §2
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §24
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm ArtIX
JN §1
ZPO §240 Abs3
ZPO §477

 

Spruch:

Gehörten zur Zeit der Entscheidung beide Ehegatten dem Staat an, dessen Gerichte das Erkenntnis auf Scheidung von Tisch und Bett (Trennung auf unbestimmte Zeit) gefällt haben, hängt die Anerkennung der Entscheidung gemäß § 24 Abs. 4 der 4. DVEheG nicht davon ab, daß vom BMfJ eine Feststellung nach § 24 Abs. 1 dieser Verordnung getroffen ist

Der § 2 der 4. DV EheG findet auf alle Personen Anwendung, die wo immer von Tisch und Bett geschieden wurden und nach dieser Scheidung die österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben (Hier Trennung gemäß Art. 139, 140 ZGB)

Die inländische Gerichtsbarkeit, d. h. die Entscheidungsgewalt österreichischer Gerichte ist gegeben, wenn für den geltend gemachten Anspruch eine inländische Zuständigkeitsnorm besteht

Wenngleich die Prozeßvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens vorliegen müssen, wird ihr früheres Fehlen unbeachtlich, wenn sie noch im Laufe des Verfahrens eintreten. Die Nichtigerklärung des Urteils und des vorangegangenen Verfahrens sowie die Zurückweisung der Klage sind also ausgeschlossen, wenn der bei Klagseinbringung vorhandene Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit später weggefallen ist

OGH 17. September 1974, 3 Ob 160/74 (OLG Wien 10 R 41/74; LGZ Wien 24 Cg 291/72)

Text

Die Streitteile haben am 15. August 1938 vor dem Zivilstandeskreis Z die Ehe geschlossen. Zur Zeit der Erhebung der gegenständlichen Scheidungsklage waren beide Ehegatten Schweizer Staatsbürger. Dem Kläger wurde mit Wirkung vom 15. Jänner 1973 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Die Streitteile hatten einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Z. Der gewöhnliche Aufenthalt der Beklagten ist noch immer Z, der Kläger wohnt seit 30. August 1950 in M, also in Österreich. Das Bezirksgericht Z hat mit Urteil vom 22. Dezember 1948 die Hauptklage des Mannes auf Scheidung der Ehe nach Art. 142 Schweizer Zivilgesetzbuch (ZBG) abgewiesen hingegen der Widerklage der Ehefrau stattgegeben und gemaß Art. 139, 146 ZBG auf Trennung der Eheleute für unbestimmte Zeit erkannt.

Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten nach Schweizer Recht (Art. 148 ZBG), da seine Ehefrau, von der er seit 1945 getrennt lebe, die Wiedervereinigung verweigere.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Scheidungsbegehrens, weil die der Klage zugrunde liegenden Tatsachen dem Kläger als schuldhaft zuzurechnen seien und dieser die Wiedervereinigung nur zum Schein verlangt habe.

Das Erstgericht bejahte seine Zuständigkeit und schied die Ehe der Streitteile nach Schweizer Recht (Art. 148 ZBG) ohne Schuldausspruch.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der von der Beklagten erhobenen Berufung das Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es führte aus, daß die Zuständigkeit des österreichischen Gerichtes nach § 76 Abs. 3 Z. 1 JN nur gegeben sei, wenn nach dem Heimatrecht des Mannes die von dem österreichischen Gericht zu fallende Entscheidung anerkannt werde. Nach Art. 59 des Schlußtitels zum ZBG und dem darnach formulierten Art. 7 g des Gesetzes betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse Niedergelassener und Aufenthalter aus dem Jahre 1891 (NAG) werde die Scheidung schweizerischer, im Ausland wohnhafter Ehegatten durch ein nach dortigem Recht zuständigen Gerichtes in der Schweiz auch dann anerkannt, wenn die Scheidung nach schweizerischem Recht nicht begrundet gewesen wäre. Voraussetzung für die Anerkennung der Scheidung Schweizer Ehegatten im Ausland sei also, daß keiner der Ehegatten seinen Wohnsitz in der Schweiz habe. Da die Beklagte im Zeitpunkt der Klagseinbringung und Urteilsfällung Schweizer Staatsbürgerin gewesen sei und ihren Wohnsitz in der Schweiz gehabt habe, werde die Entscheidung über die in Österreich eingebrachte Scheidungsklage in der Schweiz nicht anerkannt. Daran andere auch der zwischen der Republik Österreich und der Schweizer Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen geschlossene Vertrag BGBl. 125/1962 nichts, weil nach Art. 1 Z. 1 dieses Vertrages die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung im anderen Staat u. a. voraussetze, daß die Grundsätze, die in dem Staat, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, über die zwischenstaatliche Zuständigkeit bestehen, die Gerichtsgewalt des anderen Staates nicht ausschließen. Nach Schweizer Recht sei aber im vorliegenden Fall die Gerichtsgewalt der österreichischen Gerichte ausgeschlossen. Mangels Anerkennung der Entscheidung im Heimatstaat des Klägers sei das Erstgericht im Zeitpunkte der Klagseinbringung unzuständig und die inländische Gerichtsbarkeit daher nicht gegeben gewesen. Die Nichtigkeit werde dadurch, daß der Kläger während des Prozesses die österreichische Staatsbürgerschaft erworben habe, nicht geheilt. Die vom Bezirksgericht Z. ausgesprochene Trennung, deren Anerkennung im Inland nach § 24 Abs. 4 der 4. DVzEheG feststehe, könne gemäß § 2 dieser Verordnung nur im außerstreitigen Verfahren in eine Scheidung nach dem Ehegesetz geändert werden. Der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit sei dadurch nicht gegeben, doch bleibe das Erstgericht in unheilbarer Weise unzuständig, so daß eine Heilung der Nichtigkeit nicht eintrete.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Eine im Ausland erfolgte Scheidung von Schweizer Bürgern wird nach der unbekämpften und zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes in der Schweiz anerkannt, wenn beide Ehegatten im Ausland wohnen, dagegen nicht, wenn ein Ehegatte in der Schweiz wohnt (Hoyer, Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen im Ausland, 31; Schnitzer, Handbuch des Internat. Privatrechtes,[4] 377; Bergmann - Fend, Internat. Ehe- und Kindschaftsrecht,[3] Schweiz, 13). Im Zeitpunkt der Erhebung der Scheidungsklage lagen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer von einem inländischen Gericht gefällten Entscheidung nach Schweizer Recht nicht vor, da beide Ehegatten Schweizer Staatsbürger waren und die Beklagte ihren Wohnsitz in der Schweiz hatte. Für einen solchen Fall nimmt die Schweiz eine ausschließliche Zuständigkeit ihrer eigenen Gerichte in Anspruch, schließt also die Jurisdiktion ausländischer Gerichte aus.

Die inländische Gerichtsbarkeit, d. h. die Entscheidungsgewalt österreichischer Gerichte ist gegeben, wenn für den geltend gemachten Anspruch eine inländische Zuständigkeitsnorm besteht (Fasching, Komm. I, 19, Vorbemerkungen zu Art. IX EGZJN). Im Zeitpunkt der Klagserhebung war das Erstgericht mangels der Voraussetzungen für die Anerkennung der von einem österreichischen Gericht gefällten Entscheidung in der ausländischen Heimat des Klägers nicht zuständig (§ 76 Abs. 3 Z. 1 JN). Es ist daher dem Berufungsgericht beizupflichten, daß bei Klagseinbringung die inländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben war. Die Scheidungsklage wurde demnach nicht rechtmäßigerweise im Sinne des § 29 JN beim Erstgericht anhängig gemacht. Der ursprüngliche Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit ist aber weggefallen, weil der Kläger während des Prozesses die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat.

Dem Schweizer Recht ist der Verlust der (Schweizer) Staatsburgerschaft durch Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft grundsätzlich fremd (siehe Sammlung Geltender Staatsangehörigkeitsgesetze, herausgegeben von der Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches Recht der Universität Hamburg/Schweiz, 46). Nach dem Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 sind Verlustgrunde nur die Entlassung aus dem Bürgerrecht (infolge Verzichts) und die Entziehung des Burgerrechts (Art. 42 und 48). Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht enthält keine Vorschriften über den Verlust einer ausländischen Staatsangehörigkeit und kann sie auch gar nicht enthalten. Dem Rekurs ist daher zuzugeben, daß von einer Doppelbürgerschaft des Klägers auszugehen ist. Es ist auch richtig, daß der schweizerischauslandische Doppelbürger in seiner ausländischen Heimat die Scheidungsklage erheben kann, auch wenn die schweizerische beklagte Partei in der Schweiz wohnt (Schnitzer, 377; Bundesgericht E 89 1 303 vom 6. Juni 1963, Clunet 1965, 921). Für den Standpunkt des Rekurswerbers ist damit nichts gewonnen. Zur Entscheidung in Ehesachen sind, wenn auch nur ein Ehepartner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, grundsätzlich die österreichischen Gerichte berufen, dies auch dann, wenn die Entscheidung im Heimatstaat des anderen Ehegatten nicht anerkannt würde. Hätte also der Kläger durch den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft das Schweizer Bürgerrecht verloren, wäre die inländische Gerichtsbarkeit auf jeden Fall gegeben.

Wenngleich die Prozeßvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein müssen, wird ihr früheres Fehlen unbeachtlich, wenn sie noch im Laufe des Verfahrens eintreten. Die Nichtigerklärung des Urteiles und des vorangegangenen Verfahrens sowie die Zurückweisung der Klage sind also ausgeschlossen, wenn der bei Klagseinbringung vorhandene Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit später weggefallen ist (Fasching I, 224; vgl. auch EvBl. 1963/168 betreffend die Unzulässigkeit des Rechtsweges). Von diesem Zeitpunkt an, nämlich dem des Wegfalles des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit ist die Sache rechtmäßig bei Gericht anhängig und von da an ist der im § 29 JN ausgesprochene Grundsatz der perpetuatio fori anwendbar (Fasching I, 224). Im vorliegenden Fall war die bei Klagseinbringung fehlende Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit erst gegeben, als der Kläger die österreichische Staatsbürgerschaft erwarb. Im selben Augenblick wurde aber der streitige Rechtsweg unzulässig. Nach § 2 der 4. DvzEheG kann ein österreichischer Staatsangehöriger, dessen Ehe unter Aufrechterhaltung des Ehebandes von Tisch und Bett getrennt wurde, bevor er die österreichische Staatsangehörigkeit erworben hat, beantragen, daß die Ehe im Sinne des Ehegesetzes geschieden werde.Dies gilt auch, wenn der andere Ehegatte die österreichische Staatsangehörigkeit nicht besitzt. Eine Klage auf Scheidung ist ausgeschlossen; über den Antrag entscheidet das Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen. Der § 2 der 4. DVzEheG findet auf alle Personen Anwendung, die, wo immer von Tisch und Bett geschieden wurden, und dann nach dieser Scheidung die österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben (Schwind in Klang [2] I/1, 927,; Edelbacher, Die begünstigte Auflösung der von Tisch und Bett geschiedenen Ehen im zwischenstaatlichen Verkehr, ÖJZ 1950, 514 ff.). Bei Doppel- und Mehrstaatlern entsteht die Frage, an welche ihrer Staatsangehörigkeiten anzuknüpfen ist. Nach herrschender Lehre ist bei Doppelbürgerschaft zu prüfen, ob eine der Staatsbürgerschaften diejenige des Forums ist, oder ob es sich um zwei ausländische Staatsbürgerschaften handelt. Im ersten Fall ist ausschließlich die Staatsbürgerschaft des Forums zu berücksichtigen (Schnitzer, 162; Makarov, Allgemeine Lehre des Staatsangehörigkeitsrechtes[2], 293; EvBl. 1966/281). Es wird aber auch die Ansicht vertreten (Manhardt, Das internat. Personen- und Familienrecht Österreichs, 26 f.), daß auch hier, wie bei mehreren ausländischen Staatsbürgerschaften, auf die effektive, die praktizierte Staatsbürgerschaft abgestellt werden sollte. Das Ergebnis wäre im vorliegenden Falle dasselbe. Effektiver ist die Angehörigkeit zu jenem Staat, mit dem die betreffende Person am engsten verbunden ist. Es muß hiebei in jedem einzelnen Fall den tatsächlichen Lebensverhältnissen Rechnung getragen werden, um unter Berücksichtigung aller Verknüpfungen der Person mit jedem ihrer Heimatstaaten ihre stärkste Staatsangehörigkeit zu ermitteln. Von maßgebender Bedeutung sind bei dieser Beurteilung Wohnsitz, Aufenthalt, Zeitpunkt des Erwerbes der einzelnen Staatsangehörigkeiten, Beruf und dergleichen mehr (7 Ob 113/74). Der Kläger hat seine Schweizer Heimat vor mehr als zwei Jahrzehnten verlassen, lebt seit 1950 ständig in Österreich und ist im Jahre 1973 (durch Verleihung) österreichischer Staatsbürger geworden. Bei diesen Umständen ist als effektive Staatsbürgerschaft die österreichische anzusehen.

Der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft erfolgte nach der vom Bezirksgericht Z rechtskräftig ausgesprochenen Trennung der Ehe auf unbestimmte Zeit. Der Kläger kann daher, wie die Berufungsinstanz richtig erkannt hat, nicht auf Scheidung der Ehe klagen, sondern nur beim Außerstreitrichter einen Antrag nach § 2 der 4. DvzEheG stellen. Da beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung dem Staat angehört haben, dessen Gerichte das Erkenntnis auf Scheidung von Tisch und Bett (Trennung auf unbestimmte Zeit) gefällt haben, hängt die Anerkennung der Entscheidung gemäß § 24 Abs. 4 der

4. DvzEheG nicht davon ab, daß vom Bundesministerium für Justiz eine Feststellung nach § 24 Abs. 1 dieser Verordnung getroffen ist (Schwind, 927; Edlbacher, 514.).

Nach § 29 letzter Satz JN hindern nachträgliche Veränderungen, die die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges zur Folge haben, die Fortführung des bisherigen Verfahrens beim angerufenen Gericht nicht, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, daß die Klage im Zeitpunkt dieser Veränderungen bereits rechtmäßig anhängig war (Fasching I, 229). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Behebung des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges durch dasselbe Ereignis, nämlich den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch den Kläger bewirkt wurden und daher zeitlich zusammenfallen.

Das erstrichterliche Urteil und das demselben vorangegangene Verfahren leiden demnach an einer von der zweiten Instanz aus Anlaß der Berufung von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs. 1 Z. 6 ZPO.

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