OGH 3Ob150/12y

OGH3Ob150/12y19.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Georg Pertl, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. J***** und 2. M*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Hans-Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in Ferlach, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 15. Juni 2012, GZ 1 R 17/12p-21, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 8. November 2011, GZ 14 C 81/11b-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit der am 8. Februar 2011 überreichten Räumungsklage begehrt die Klägerin von den beiden Beklagten die Räumung einer Liegenschaft. Die Liegenschaft samt dem darauf errichteten Gebäude und weiteren Baulichkeiten sei den Beklagten mit Wirksamkeit ab 1. Dezember 2000 für die Dauer von zehn Jahren in Bestand gegeben worden. Das befristete Bestandverhältnis habe am 30. November 2010 geendet; seit dem 1. Dezember 2010 werde der Bestandgegenstand titellos benützt.

Die Beklagten wandten ein, dass ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit vorliege.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es stellte fest, dass die Parteien am 9. Dezember 2000 einen von der Rechtsvertreterin der Beklagten verfassten Mietvertragsentwurf unterfertigten, nach dessen Punkt II. der Mietgegenstand ab 1. Dezember 2000 auf die Dauer von zehn Jahren vermietet wurde; der Mietvertrag „endet demnach am 30. November 2010, ohne dass es einer Aufkündigung bedarf“. Im Punkt III. wurde vorgesehen, dass ein Teil des Mietzinses (auf 10 Jahre berechnet 412.000 ATS) aus Aufwendungen der Mieter aus Eigenmitteln zur Sanierung des Objekts besteht.

Kurz nach dem 9. Dezember 2000 erhielten die Beklagten die Schlüssel zum Haus und begannen in weiterer Folge bis etwa März 2001 mit den Sanierungsarbeiten. Die Kosten dafür in Höhe von maximal 459.456,06 ATS wurden von den Beklagten bezahlt. Zumindest bis zum Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz bewohnten die Beklagten das Bestandobjekt.

Beim Erstgericht war zwischen den Parteien jahrelang ein Rechtsstreit anhängig, in dem die nunmehrigen Beklagten die nunmehrige Klägerin unter anderem auf Brauchbarmachung des Dachgeschosses klagten. Nachdem die Klägerin in der Streitverhandlung vom 4. April 2002 den Anspruch auf Einverleibung des Bestandrechts der nunmehrigen Beklagten anerkannt hatte, wurde sie mit Teilanerkenntnisurteil vom 16. April 2002 schuldig erkannt, in die Einverleibung des Bestandrechts für die nunmehrigen Beklagten für den Zeitraum von 1. Dezember 2000 bis „31. 11. 2010“ einzuwilligen.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht von einem auf zehn Jahre befristeten Bestandverhältnis, endend am 30. November 2010, aus. Zu einer stillschweigenden Erneuerung des Bestandvertrags durch Weiterbenützung des Bestandobjekts durch die Beklagten sei es nicht gekommen, zumal die Klägerin bereits vor Ablauf der Befristung eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, an einer Fortsetzung des Bestandverhältnisses nicht interessiert zu sein. Im Übrigen sei das Gericht an die Beurteilung der entscheidenden Vorfrage im Vorprozess über die Wirksamkeit des Bestandvertrags vom 9. Dezember 2000 zwischen den Parteien gebunden.

Mit kurzer Begründung verneinte das Berufungsgericht eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass das Bestandverhältnis befristet bis 30. November 2010 abgeschlossen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision machen die Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) geltend.

1. Die Beklagten sehen die Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen darin, dass das Berufungsgericht auf die einzelnen Berufungspunkte, insbesondere die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Tatsachenfeststellung meritorisch nicht ausreichend bzw überhaupt nicht eingegangen sei, weshalb die Berufungsentscheidung nicht überprüfbar sei. Dass die in der Berufung enthaltene Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt worden sei, sei weder nachvollziehbar noch verständlich.

2. Die Revisionsausführungen lassen letztlich außer Acht, dass die Parteien nach den - im Revisionsverfahren - nicht mehr überprüfbaren Feststellungen am 9. Dezember 2000 einen von der Rechtsvertreterin der Beklagten verfassten Mietvertragsentwurf unterfertigten, nach dessen Punkt II. der Mietgegenstand ab 1. Dezember 2000 auf die Dauer von zehn Jahren vermietet wurde; der Mietvertrag „endet demnach am 30. November 2010, ohne dass es einer Aufkündigung bedarf“. Die Auslegung der Vorinstanzen, dass die Parteien einen auf 30. November 2010 befristeten Bestandvertrag abgeschlossen haben, sowie die rechtliche Schlussfolgerung auf die Wirksamkeit der Befristung sind naheliegend und keinesfalls unvertretbar.

Auf die erneut aufgeworfene Frage der Bindungswirkung kommt es im Hinblick auf die Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht an.

3. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der in der Berufung geltend gemacht worden war, vom Berufungsgericht aber verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt werden (RIS-Justiz RS0042963 [T45] uva). Allerdings ist das Berufungsverfahren mangelhaft, wenn sich das Berufungsgericht nicht mit der Mängelrüge des Berufungswerbers auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0043144).

Tatsächlich hat das Berufungsgericht sich - wenn auch kurz - mit der Mängelrüge befasst und darauf hingewiesen, dass die Relevanz der behaupteten Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens (unzulässige Verlesung von Vorakten, Unterlassung der Durchführung eines Ortsaugenscheins, der Beiziehung eines Sachverständigen, der Vernehmung des Klagevertreters als Zeugen und der Beischaffung weiterer Akten) nicht dargetan worden sei. Dem Berufungsgericht ist zuzugestehen, dass die Möglichkeit, dass das Gericht bei einer Vorgangsweise im Sinne der Berufungsbehauptungen der Beklagten „zu der Feststellung gelangt wäre, dass zwischen den Streitteilen aufgrund der tatsächlich herrschenden Situation kein gültiger schriftlicher Bestandvertrag existiert“, angesichts des vorliegenden schriftlichen Bestandvertrags (Beilage ./A) keineswegs evident ist. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass in diesem Fall von den Beklagten näher darzulegen gewesen wäre, warum die angebotenen Beweismittel zu dem genannten Ergebnis geführt hätten, ist nachvollziehbar.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der beklagten Parteien zurückzuweisen.

5. Da die außerordentliche Revision von der klagenden Partei vor einer Zulassungsmitteilung im Sinn des § 508a Abs 2 ZPO beantwortet, die Revision dann aber als unzulässig zurückgewiesen wurde, sind die Kosten der Revisionsbeantwortung nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0043690 [T1, T6 und T7]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte