OGH 3Ob148/15h

OGH3Ob148/15h19.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr.

Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Dehn und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei F***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen 2.734.998,35 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2015, GZ 2 R 195/14g‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00148.15H.0819.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen das auf Rückzahlung eines bei Vertragsabschluss gewährten Rabatts, Ersatz frustrierter Aufwendungen und Vorausleistungen sowie Schadenersatz gerichtete Klagebegehren des mit diversen Reinigungsarbeiten auf dem Flughafen beauftragten Unternehmens gegen die Auftraggeberin zur Gänze ab. Die Beklagte habe nur vom vertraglich vereinbarten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht, weder ein zehnjähriger Kündigungsverzicht noch der Wegfall des auf den ursprünglichen Angebotspreis gewährten Rabatts bei früherer Kündigung als nach zehn Jahren sei vereinbart worden. Eine bereicherungsrechtliche Korrektur geschlossener Verträge sei nicht möglich. Weder die vertragliche Kündigungsmöglichkeit noch der Ausschluss von Investitionsablösen sei hier sittenwidrig nach § 879 Abs 3 ABGB oder überraschend iSd § 864a ABGB. Überdies sei das Ersatzbegehren mangels nachvollziehbarer Aufschlüsselung unschlüssig.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin, die ihr Klagebegehren weiter verfolgt, vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Wurde eine vertragliche Regelung getroffen, ist eine Heranziehung von Bereicherungsgrundsätzen ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0033585). Es ist unzulässig, Verträge mit Hilfe des Bereicherungsrechts zu korrigieren (2 Ob 31/07h; RIS‑Justiz RS0033585 [T3]). Sowohl die jährliche Kündigungsmöglichkeit als auch der um den gewährten Rabatt verminderte Leistungspreis wurden Vertragsinhalt, nicht hingegen Aufwandsersatz oder Nachzahlungspflichten bei Kündigung vor der in Aussicht genommenen Vertragslaufzeit von zehn Jahren. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts steht daher im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung.

2. Die Voraussetzungen des § 1435 ABGB sind gegeben, wenn bei Abschluss eines Dauerschuldverhältnisses eine Leistung in der Erwartung erfolgt, dass dieses Verhältnis in Kraft treten werde, infolge Vertragsauflösung aber überhaupt nicht entsteht. Dies gilt auch dann, wenn das Dauerschuldverhältnis zwar begonnen, aber doch nur so kurze Zeit gedauert hat, dass die (erhaltene) Leistung zur Höhe des (hiefür) gegebenen Betrags in keinem Verhältnis mehr steht (RIS‑Justiz RS0033883). Diese für Ablöseleistungen im Zusammenhang mit Mietverträgen entwickelte Rechtsprechung verneint aber Kondiktionsansprüche etwa nach 1¼ oder drei Jahren Vertragslaufzeit (1 Ob 134/71; 5 Ob 128/71). Im Hinblick auf die hier immerhin fünfjährige Laufzeit des Reinigungsvertrags lässt sich für den Standpunkt der Klägerin nichts gewinnen.

3. Die Überlegungen der Revisionswerberin zur Nichtigkeit infolge Sittenwidrigkeit der Kündigungsklausel in Verbindung mit der Möglichkeit der nachträglichen Leistungsreduktion und dem Ausschluss des Aufwandsersatzes gehen teilweise nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Der festgestellte Vertrag sieht keine völlig sanktionslose Möglichkeit zur Leistungsänderung vor, vielmehr bestehen gewisse Aufwandsersatzregelungen (Punkt 13.6.). Im Übrigen ist die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eine Frage des Einzelfalls und wirft nur bei ‑ hier nicht gegebener ‑ im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierender Fehlbeurteilung erhebliche Rechtsfragen auf (vgl RIS‑Justiz RS0042881). Die Ausführungen der Klägerin zur wirtschaftlichen Abhängigkeit oder behaupteten Einschränkung der „wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit“ sind im Hinblick auf die Abschlussfreiheit und volle Information über den Vertragsinhalt bei Vertragsabschluss nicht nachvollziehbar.

4. Die Beurteilung der (Un‑)Schlüssigkeit des Klagebegehrens (der Höhe nach) ist ohne Relevanz, weil die Vorinstanzen die geltend gemachten Ansprüche ‑ jedenfalls vertretbar ‑ als unbegründet (fehlende vertragliche oder gesetzliche Grundlage) beurteilt haben.

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