Spruch:
Beim Vollzug einer Fahrnisexekution, der entgegen der Bestimmung des § 262 EO durch Abnahme von Bargeld aus der Gewahrsame des Dritten vorgenommen worden ist, genügt im Hinblick auf § 371 ABGB für die Bejahung des Exszindierungsrechtes, daß der Dritte die Abnahme von Bargeld aus seinem Kassenbestand behauptet und nachweist. Der Abnahme ist gleichzuhalten, wenn von ihm unter dem Zwang der unmittelbar bevorstehenden Durchführung der Exekution selbst das Geld ausgefolgt wurde
OGH 1. März 1977, 3 Ob 14/77 (LG Klagenfurt 2 R 564/77; BG Villach 3 C 361/761
Text
Die Fahrnisexekution wurde zunächst in den Geschäftsräumen der verpflichteten Partei in Vollzug gesetzt. Die Pfandung unterblieb jedoch mangels pfändbarer Gegenstände. Hierauf beantragte die betreibende Partei den neuerlichen Vollzug an einem anderen Ort. Laut Bericht des Vollstreckers behauptete der beim Vollzug an diesem Ort am 15. Juli 1976 anwesende Leiter der Rechtsabteilung der "Firma", daß die an dieser Vollzugsstelle befindliche Firma nicht die verpflichtete Partei sei. Es wurde jedoch "unter dem Druck der Exekution und zur Vermeidung einer angedrohten Kassenpfändung Zahlung unter Protest geleistet". Der vom Vollstrecker in Empfang genommene Betrag von insgesamt 37 553.71 S wurde hierauf vom Erstgericht in gerichtliche Verwahrung genommen. Die Verwahrung ist noch aufrecht.
Mit der am 23. Juli 1976 beim Erstgericht eingebrachten Klage erhob die klagende Partei gegen die am 15. Juli 1976 in der oben näher bezeichneten Exekutionssache vorgenommene "Kassenpfändung" Widerspruch nach § 37 EO. Der Widerspruch wurde im wesentlichen damit begrundet, daß die klagende Partei mit der verpflichteten Partei des Exekutionsverfahrens nicht identisch sei. Im übrigen wurde das Klagebegehren unter anderem wörtlich wie folgt begrundet:
"Wir erheben gegen diese Exekution Widerspruch, weil uns an dem Barbestand unserer Kasse Rechte zustehen, welche die Vornahme der Exekution unzulässig machen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Ansicht, daß auch die unter dem Zwange der unmittelbar bevorstehenden Durchführung der Kassapfändung vorgenommene Ausfolgung ("freiwillige Zahlung") des Bargeldbetrages an den Vollstrecker der zwangsweisen Abnahme des Geldes gleichzustellen sei. Da die klagende Partei mit der verpflichteten Partei des Exekutionsverfahrens 3 a E 687/76 nicht identisch sei, "seien die Tatbestandsmerkmale des § 37 EO gegeben".
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde. In rechtlicher Hinsicht vertrat es im wesentlichen die Ansicht, die Klage sei unschlüssig, weil nicht vorgebracht worden sei, welches Recht der klagenden Partei an dem Bargeldbetrag die Exekutionsführung darauf nach § 37 EO unzulässig mache. Aus der Behauptung der Klägerin, die Pfändung sei in ihren Geschäftsräumlichkeiten vorgenommen worden und es stunden ihr Rechte an dem Barbestand ihrer Kasse zu, die die Vornahme der Exekution unzulässig machten, könne noch nicht zwingend abgeleitet werden, daß die Klägerin auch einen Eigentumsanspruch an dem in Exekution gezogenen Bargeldbetrag geltend mache. Wenn die Klägerin von "ihrer" Kassa spreche, so sei damit noch nicht behauptet, daß sich das in der Kassa befindliche Bargeld im Eigentum der Klägerin befunden habe. Es sei nämlich durchaus denkbar, daß an diesem Bargeldbetrag Rechte Dritter bestunden, die der Klägerin die Legitimation zur Erhebung eines Exszindierungsanspruches nehmen würden, so etwa, wenn die Klägerin nur Verwahrerin eines in ihrer Kassa abgesondert verwahrten Bargeldbetrages gewesen wäre. Im übrigen habe die Klägerin ihre Widerspruchsklage nicht darauf stützen können, daß die Exekution in ihrer Gewahrsame entgegen der Bestimmung des § 262 EO vollzogen worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die beklagte Partei hat sich weder im Berufsverfahren noch im Revisonsverfahren gegen die vom Erstgericht vertretene und vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht gewandt, daß die klagende Partei nicht verpflichtete Partei des gegenständlichen Exekutionsverfahrens sei. Daraus ergibt sich aber, daß die klagende Partei zu jenem Personenkreis gehört, der nach § 37 EO zum Widerspruch gegen die gegenständliche Exekution an sich berechtigt ist.
Im vorliegenden Fall ist weiters davon auszugehen, daß auch die "unter dem Zwang" der unmittelbar bevorstehenden Durchführung der Exekution vorgenommene Ausfolgung ("freiwillige Zahlung") des hereinzubringenden oder zu sichernden Forderungsbetrages an den Vollstrecker der zwangsweisen Abnahme des Geldes gleichzustellen ist (SZ 7/233). Da sich der Geldbetrag noch in Verwahrung des Exekutionsgerichtes befindet, kann die klagende Partei Widerspruch gegen die Exekutionsführung bezüglich dieses Geldbetrages nach § 37 EO erheben.
Voraussetzung für einen Widerspruch nach § 37 EO bei der Exekution wegen Geldforderungen ist, daß der in Exekution gezogene Gegenstand zur Zeit bereits begrundet war, gleichviel, ob für den Exszindierungskläger der seinen Rechtsvorgänger; das Exszindierungsrecht muß überdies zur Zeit des Schlusses der Verhandlung erster Instanz dem Exszindierungskläger zustehen (Heller - Berger - Stix, 478 f.; 3 Ob &776). Das Vorliegen dieser Voraussetzung für den Widerspruch nach § 37 EO muß in der Klage schlüssig dargetan werden (§ 226 Abs. 1 ZPO).
Beim Vollzug einer Fahrnisexekution, der entgegen der Bestimmung des § 262 EO durch Abnahme von Bargeld aus der Gewahrsame eines Dritten vorgenommen worden ist, genügt im Hinblick auf die Bestimmung des § 371 ABGB für die Berechtigung des Exszindierungsrechtes, daß der Dritte die Abnahme von Bargeld aus seinem Kassenbestand behauptet und nachweist. Der Abnahme gleichzuhalten ist, wenn "unter dem zwang der unmittelbar bevorstehenden Druchführung der Exekution freiwillig bezahlt" wurde. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes und der beklagten Partei, ist in dem Klagsvorbringen: "diese Pfändung wurde in unseren Geschäftsräumlichkeiten in V, vorgenommen " und "weil uns an dem Barbestand unserer Kasse Rechte zustehen" ein schlüssiges Vorbringen in dieser Richtung noch zu erblicken. Die Richtigkeit dieses Sachvorbringens ist im übrigen erwiesen.
Die gegenständliche Exekution ist daher in Ansehung des beim Vollzug am 15. Juli 1976 vom Vollstrecker angenommen und vom Gericht seither verwahrten Geldbetrages von 37 553.71 S nach § 37 EO unzulässig.
Es war daher der Revision Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Urteilsspruch war jedoch durch genaue Angabe des unzulässigerweise in Exekution gezogenen Vermögensobjektes des Klägers zu verdeutlichen.
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