OGH 3Ob147/16p

OGH3Ob147/16p23.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei E*****, vertreten durch Mag. Ute Svinger, Rechtsanwältin in Wien, wider die verpflichtete Partei G*****, vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 100.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 24. Mai 2016, GZ 22 R 56/16i‑18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Schwechat vom 22. März 2016, GZ 2 E 689/16x‑4, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. April 2016, GZ 2 E 689/16x‑10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00147.16P.1123.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Betreibende beantragte am 28. Jänner 2016 gegen die Verpflichtete unter Vorlage des anlässlich der Scheidung im Einvernehmen geschlossenen Vergleichs des Erstgerichts vom (richtig) 3. Oktober 2006, AZ 3 C 867/06k, die Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294a EO und der Fahrnisexekution. Er brachte dazu vor, die Verpflichtete sei laut Punkt IV. des Vergleichs verpflichtet, an den Betreibenden bei Ableben eines namentlich Genannten 100.000 EUR zu zahlen. Der Genannte sei am 20. Mai 2010 verstorben, was dem Betreibenden nicht mitgeteilt und erst jetzt bekannt geworden sei. Über das Vermögen der Verpflichteten sei ein Schuldenregulierungsverfahren zu AZ 2 S 30/08v des Erstgerichts eröffnet und ein Zahlungsplan bestätigt worden. Dazu führte der Betreibende aus wie folgt:

„Dies war der betreibenden Partei nicht bekannt bzw wurde ihr dies nicht bekannt gegeben. Gläubiger, deren Forderung nur aus Verschulden des Schuldners im Zahlungsplan unberücksichtigt geblieben sind, können nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderung im vollen Betrag vom Schuldner (verpflichtete Partei) verlangen (§ 156 Abs 4 IO, 3 Ob 189/14m).“

Nach Vorlage des Einantwortungsbeschlusses aus dem Verlassenschaftsverfahren des Verstorbenen bewilligte das Erstgericht die Exekution antragsgemäß mit Beschluss vom 22. März 2016, ON 4.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge und änderte die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung dahin ab, dass es den Exekutionsantrag abwies; den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dem auf Nichtunternehmer anzuwendenden Maßstab bei der Verschuldensprüfung nach § 156 Abs 4 IO fehle.

Der Betreibende sei zwar ein Nichtunternehmer, die betriebene Forderung weise jedoch eine beträchtliche Höhe auf und bestehe seit längerer Zeit (10 Jahre). Zur Eintreibung der Forderung sei der Betreibende ohnedies verhalten gewesen, den Eintritt der „Bedingung“ zu überwachen. Es sei daher keine Überspannung von Obliegenheiten zu erblicken, vom Betreibenden auch zu verlangen, sich einen groben Überblick von der wirtschaftlichen Werthaltigkeit der Forderung dadurch zu verschaffen, regelmäßig auch in die Insolvenzdatei Einsicht zu nehmen. Da bereits aufgrund der Aktenlage davon auszugehen sei, dass die Nichtteilnahme des Betreibenden am Schuldenregulierungsverfahren der Verpflichteten auf leichter Fahrlässigkeit beruhe, könne der Betreibende nicht gemäß § 156 Abs 4 IO den vollen Betrag verlangen. Da eine Provisorialentscheidung nach § 197 Abs 2 IO nicht vorliege, sei der Exekutionsantrag abzuweisen.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Betreibenden mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung. Er macht geltend, es sei vom Alleinverschulden der Verpflichteten an der Nichtberücksichtigung seiner Forderung im Schuldenregulierungsverfahren auszugehen. Mangels Fälligkeit und Vollstreckbarkeit habe sich der Betreibende nur um den allfälligen Bedingungseintritt kümmern müssen, nicht jedoch um die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Schuldnerin.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Betreibenden ist ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig , weil für die Entscheidung über den vorliegenden Exekutionsantrag die Beurteilung des auf Nichtunternehmer anzuwendenden Maßstabs bei der Verschuldensprüfung nach § 156 Abs 4 IO nicht präjudiziell ist (RIS‑Justiz RS0088931). Im Übrigen entspricht die Abweisung des Exekutionsantrags der Judikatur des erkennenden Senats.

1.1.  Grundlage der Entscheidung über den Exekutionsantrag ist im ordentlichen Bewilligungsverfahren der Inhalt des Exekutionstitels in Verbindung mit dem Vorbringen des betreibenden Gläubigers im Exekutionsantrag ( Jakusch in Angst/Oberhammer ³ § 3 EO Rz 19 und 15). Bei Bewilligung des Exekutionsantrags ist das Sachvorbringen der betreibenden Partei grundsätzlich für wahr zu halten (RIS‑Justiz RS0000029; 3 Ob 53/08b). Abgesehen von den in der EO normierten Ausnahmen (s dazu Jakusch § 3 EO Rz 14), die hier nicht gegeben sind, darf der Exekutionsbewilligung kein Ermittlungsverfahren vorausgehen ( Jakusch § 3 EO Rz 16). Das Rekursgericht hat den angefochtenen Beschluss aufgrund der Sach‑ und Rechtslage zu überprüfen, wie sie zur Zeit der Beschlussfassung bestanden hat (3 Ob 63/10a [P2.]; 3 Ob 189/10f [P2.2]; RIS‑Justiz RS0043329). Prinzipiell ist dabei von der Aktenlage zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses auszugehen ( Rassi in Burgstaller/Deixler‑Hübner § 65 EO Rz 38).

1.2.  Tatsachen, die über den Inhalt des Exekutionsantrags und des Exekutionstitels hinausgehen, haben daher bei der Entscheidung über die Erteilung der Exekutionsbewilligung außer Betracht zu bleiben. Das betrifft jene weiteren Umstände, die vom Rekursgericht (und vom Betreibenden im Revisionsrekurs) dem Konkursakt entnommen wurden.

2.  Aus der im Exekutionsantrag genannten Aktenzahl des Schuldenregulierungsverfahrens (AZ 2 S 30/08v) ergibt sich, dass es vor dem 1. Juli 2010 eröffnet wurde, sodass gemäß § 273 Abs 1 IO noch die bis dahin geltende Rechtslage anzuwenden ist, ua also §§ 156 Abs 6 und 197 KO.

3.  Der Betreibende verweist im der rechtlichen Qualifikation zuzuordnenden Teil seines Vorbringens im Exekutionsantrag sowohl auf die Bestimmung des § 156 Abs 4 IO (früher inhaltsgleich § 156 Abs 6 KO) als auch die Entscheidung 3 Ob 189/14m.

3.1.  § 156 Abs 6 KO lautet: Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Gemeinschuldners im Ausgleiche unberücksichtigt geblieben sind, können nach Aufhebung des Konkurses die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrage vom Gemeinschuldner verlangen.

3.2.  Der erkennende Senat hat zu 3 Ob 189/14m klargestellt, dass jene betreibende Partei, die sich auf den Tatbestand des § 156 Abs 4 IO beruft, zwar keinen Beschluss nach § 197 Abs 2 IO (früher KO) vorlegen, aber im Exekutionsantrag Vorbringen dazu erstatten muss, sie könne die Bezahlung der Forderung in vollem Ausmaß begehren, weil ihre Forderung nur aus Verschulden des Schuldners unberücksichtigt geblieben sei (RIS‑Justiz RS0130060).

Das erfordert Tatsachenbehauptungen, die die rechtliche Schlussfolgerung zulassen, den Schuldner treffe das Alleinverschulden an der unterbliebenen Berücksichtigung der Forderung des Betreibenden.

3.3.  Aus der im Exekutionsantrag enthaltenen Formulierung geht zwar hervor, dass der Betreibende Kenntnis weder vom Schuldenregulierungsverfahren an sich noch von einem Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans der Verpflichteten hatte (dies sei ihm nicht bekannt gewesen „bzw“ nicht bekannt gegeben worden); die Ursache dafür, die im Revisionsrekurs – unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot und daher unbeachtlich – nunmehr darin erblickt wird, die unterbliebene Verständigung des Betreibenden durch das Konkursgericht sei nur darauf zurückzuführen, dass die Verpflichtete den Betreibenden nicht „in den Passivstand seitens der verpflichteten Partei“ aufgenommen habe, ist dem – eingangs wiedergegebenen –knappen Vorbringen im Exekutionsantrag jedoch nicht zu entnehmen.

Da die Ursache dieser Unkenntnis aber nicht zwingend in einer Unvollständigkeit der Angaben der Schuldnerin über ihre Verbindlichkeiten liegen muss (vgl § 185 KO [nunmehr IO]), sondern ebenso in einem Gerichtsfehler liegen kann, lässt das Tatsachenvorbringen im Exekutionsantrag nicht einmal den rechtlichen Schluss zu, der Verpflichteten falle an der Nichtberücksichtigung der Forderung des Betreibenden überhaupt ein Verschulden zur Last, geschweige denn das Alleinverschulden daran. Es leidet daher an Unschlüssigkeit.

4.  Inhaltliche Mängel eines Exekutionsantrags sind einer Verbesserung nur zugänglich, wenn ein erforderliches Vorbringen fehlt, nicht aber, wenn der Exekutionsantrag zwar einer sachlichen Erledigung zugänglich ist, aber das vorhandene Vorbringen (bloß) inhaltlich nicht geeignet ist, das Begehren im Exekutionsantrag zu decken, es also nicht schlüssig ist ( Jakusch § 54 EO Rz 56; RIS‑Justiz RS0106413 [T4]). Das gilt sowohl wenn die Unschlüssigkeit ihre Ursache darin hat, dass ein vollständiges Vorbringen die daraus gezogene rechtliche Schlussfolgerung nicht trägt, als auch wenn die dafür notwendigen Behauptungen nicht konkret genug erstattet wurden (vgl RIS‑Justiz RS0106413 [T8]).

Daher kommt eine Verbesserung des Exekutionsantrags hier nicht in Betracht.

5. Die Abweisung des Exekutionsantrags durch das Rekursgericht erweist sich daher als zutreffend, weshalb der unzulässige Revisionsrekurs zurückzuweisen war.

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