Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Berichtigung der Urteile der Vorinstanzen, dass nun "Friederike L***** als Trägerin des separierten Vermögens der Verlassenschaft nach Oskar H*****" als beklagte Partei angeführt wird, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Gegenstand des Verfahrens ist eine Pflichtteilsklage.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde vorerst am 13. 4. 2000 nicht dem nunmehrigen Beklagtenvertreter, sondern Dr. Rudolf Gimborn, Rechtsanwalt in Mödling, zugestellt.
Die durch Rechtsanwalt Dr. Alexander Hofmann vertretene Beklagte, die sich als "übergangene Partei" bezeichnet, beantragte mit dem am 14. 9. 2000 beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz ON 71, die Urteile des Erstgerichtes und des Berufungsgerichtes dahin zu berichtigen, dass ihr die Zahlungen "bei sonstiger Exekution in das Vermögen der separierten Verlassenschaft nach Oskar H*****" aufgetragen werden; in eventu die dahingehende Einschränkung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit dieser Urteile und die Zustellung dieser Urteile. Das Erstgericht gab mit Beschluss vom 5. 10. 2000 (ON 74) dem Antrag auf Einschränkung der Vollstreckbarkeitsbestätigung statt und wies den Antrag auf Urteilsberichtigung ab. In der Begründung kündigte das Erstgericht ausdrücklich an, dass die Urteile den nunmehrigen Vertreter der Erbin zugestellt werden. Entsprechend der Zustellverfügung wurden Rechtsanwalt Dr. Alexander Hofmann am 11. 10. 2000 mit einer Ausfertigung dieses Beschlusses eine Originalausfertigung des Urteiles des Erstgerichtes und eine Fotokopie der Ausfertigung des Urteiles des Berufungsgerichtes zugestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die am 29. 5. 2001 zur Post gegebene außerordentliche Revision der Beklagten ist verspätet, weil entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin jedenfalls mit dieser Zustellung die Frist zur Einbringung einer Revision in Lauf gesetzt wurde.
Gemäß § 416 Abs 1 ZPO wird das Urteil den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung wirksam. Diese "Wirksamkeit" der Entscheidung gegenüber den Parteien liegt darin, dass die Rechtsmittelfrist (§ 464 Abs 2, § 521 Abs 2 ZPO) und die Leistungsfrist (§ 409 Abs 3 ZPO) zu laufen beginnen; sie tritt grundsätzlich erst mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung an die Parteien ein. Damit eine schriftliche Ausfertigung vorliegt, müssen (neben den Inhaltserfordernissen des § 417 Abs 1 ZPO) auch die Formerfordernisse einer öffentlichen Urkunde gegeben sein (Rechberger in Rechberger, ZPO2 § 416 Rz 3).
Die Herstellung schriftlicher Ausfertigungen ist in den §§ 144 ff Geo geregelt. Urteilsausfertigungen werden gemäß § 149 Abs 1 lit b Geo unter dem Abdruck der Unterfertigungsstampiglie des Richters (Senatsvorsitzenden) vom Leiter der Geschäftsabteilung unterschrieben. Der Leiter der Geschäftsabteilung hat seine Unterschrift in diesem Fall handschriftlich unter die Unterfertigungsstampiglie zu setzen (§ 149 Abs 2 Satz 1 Geo). Urteilsausfertigungen (mit Ausnahme der Versäumungsurteile in gekürzter Form) sind gemäß § 151 Abs 1 Geo mit dem allgemeinen Gerichtssiegel zu versehen.
Die Zustellung einer Urteilsausfertigung, die diesen Erfordernissen nicht entspricht, löst keine Rechtsmittelfrist aus, weil es sich dabei noch um keine autorisierte Entscheidung handelt (7 Ob 65/99f = JBl 2001, 62; RZ 1957/3 ua in RIS-Justiz RS0041627; Rechberger in Rechberger, ZPO2 § 416 Rz 5).
Die Beklagte leitet daraus, dass es sich bei dem vom Erstgericht ihrem Vertreter zugestellten Schriftstück nur um eine Kopie einer (diesen Erfordernissen entsprechenden) Urteilsausfertigung gehandelt hat, ab, es handle sich nicht um die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 416 Abs 1 ZPO.
Dieser Rechtsansicht, die auch nicht von der in der außerordentlichen Revision zitierten Entscheidung 7 Ob 65/99f = JBl 2001, 62 gedeckt wird, kann nicht gefolgt werden.
Hier konnte nämlich für die Partei - anders als bei versehentlicher Zustellung eines Urteilsentwurfes (Rechberger in Rechberger, ZPO2 § 416 Rz 3 mwN) - überhaupt kein Zweifel bestehen, dass ihr eine autorisierte Urteilsausfertigung zugestellt wird. Der Umstand, dass die Ausfertigung nicht die Originalunterschrift des Leiters der Geschäftsabteilung, sondern nur deren Kopie trägt, ändert daran überhaupt nichts. Im Übrigen hat schon § 149 Abs 2 Satz 2 Geo vorgesehen, dass bei Herstellung der Ausfertigungen auf chemischem Weg die Unterschrift vor der Vervielfältigung in chemischer Tinte beigesetzt werden kann. Auch in einem derartigen, heute nicht mehr gebräuchlichen Fall trug somit die der Partei zugestellte Ausfertigung keine Originalunterschrift.
Aus der Regelung des § 145 Abs 1 Geo zur Herstellung von Ausfertigungen der Rechtsmittelgerichte durch Gerichte erster Instanz lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass die Zustellung einer Kopie der Ausfertigung des Berufungsurteiles durch das Erstgericht nicht § 416 Abs 1 ZPO entsprechen würde. Der dort vorgesehene Bestätigungsvermerk des Leiters der Geschäftsabteilung des Erstgerichtes auf der vom Erstgericht hergestellten Ausfertigung der Entscheidung des Gerichtes höherer Instanz war nämlich deshalb notwendig, weil die Ausfertigungen früher durch Abschreiben - wie in § 145 Abs 1 Geo ausdrücklich und ausschließlich vorgesehen - hergestellt wurden. Bei der heute üblichen Art der Herstellung einer weiteren Ausfertigung durch Fotokopieren besteht für die Partei, der eine derartige Ausfertigung vom Gericht zugestellt wird, kein Zweifel an der Übereinstimmung mit der Originalausfertigung. Die Zustellung einer vom Erstgericht angefertigten Fotokopie der den Bestimmungen der Geo (§ 144 ff) entsprechenden Ausfertigung des Berufungsurteils an den Beklagtenvertreter hat somit die Revisionsfrist ausgelöst.
Die erst nach Ablauf der vierwöchigen Revisionsfrist (§ 505 Abs 2 ZPO) am 29. 5. 2001 zur Post gegebene außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen (§ 471 Z 2, § 473 Abs 1, § 513 ZPO). Eine Klärung, ob die Beklagte (auch) Rechtsanwalt Dr. Gimborn Vollmacht erteilt hatte, ist nicht erforderlich.
Für die von der beklagten Partei beantragte Berichtigung der Urteile der Vorinstanzen besteht keine Grundlage, weil keine offenbare Unrichtigkeit iSd § 419 ZPO, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre, vorliegt; es besteht nämlich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Bezeichnung der beklagten Partei im Urteilskopf nicht dem Willen der Gerichte entsprach.
Eine Richtigstellung der Parteienbezeichnung (§ 235 Abs 5 ZPO) kommt deshalb nicht in Betracht, weil die Vorinstanzen bereits rechtskräftig über die von der klagenden Partei vorgenommene Klageänderung (Inanspruchnahme der Erbin ohne Haftungsbeschränkung) entschieden haben (vgl 4 Ob 142/85).
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