OGH 3Ob142/16b

OGH3Ob142/16b23.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Kollmann und andere, Rechtsanwälte in Graz, gegen die Beklagte P***** GesmbH, *****, vertreten durch Riesemann Rechtsanwalts GmbH in Graz, wegen 7.409,12 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 2. Mai 2016, GZ 6 R 7/16t‑17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldbach vom 25. November 2015, GZ 16 C 196/15p‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00142.16B.1123.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 138,92 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

In dritter Instanz ist nur mehr der von der klagenden GmbH (als Letztverkäuferin von Dachplatten an einen Verbraucher) gegenüber der Beklagten (als ihre Lieferantin der Dachplatten) mit Klage vom 2. Juni 2015 verfolgte Regressanspruch nach § 933b ABGB strittig. Das Berufungsgericht erachtete das Klagebegehren sowohl als nach § 933b Abs 2 Satz 2 ABGB verjährt als auch als unberechtigt, weil die Klägerin bereits verjährte Gewährleistungsansprüche erfüllt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist – ungeachtet der nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Zulassung durch das Berufungsgericht als nicht zulässig zurückzuweisen, weil die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

1.  Nach ständiger Rechtsprechung – die nach den Materialien zum Gewährleistungsrechtsänderungsgesetz BGBl I 2001/48 unverändert aufrecht bleiben sollte (EB zur RV 422 BlgNR 21. GP  20) – ist bei verborgenen Sachmängeln die Erkennbarkeit des Mangels keine Voraussetzung für den Beginn des auf den Zeitpunkt der Übergabe abstellenden Fristenlaufs nach § 933 Abs 1 ABGB (RIS‑Justiz RS0018937, RS0018982), außer es wurden besondere Sacheigenschaften zugesichert (RIS‑Justiz RS0018982 [T10, T11], RS0018909). Das wird unter Ablehnung gegenteiliger Lehrmeinungen auch für sich typischerweise erst nach mehreren Jahren zeigenden Materialfehlern judiziert (6 Ob 94/09f mwN).

Den Feststellungen sind Zusicherungen besonderer Sacheigenschaften durch die Klägerin weder im Kaufvertrag noch auf Grund mündlicher Zusagen zu entnehmen; für die von der Klägerin ins Treffen geführten (nur) gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften gilt die dargestellte Ausnahme aber nicht. Für ein Abgehen von dieser Judikatur bieten der nicht näher begründete Standpunkt der Klägerin keinen Anlass.

Damit begann die zweijährige Gewährleistungsfrist des § 933 Abs 1 ABGB für die von der Klägerin verkauften Dachplatten bereits im Zeitpunkt der Übergabe am 23. März 2005 und war im Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Dichtheitsmängel der Dachplatten im Herbst 2014 längst abgelaufen.

2.  Ob die Klägerin durch die dennoch im August 2015 vorgenommene Neueindeckung des Dachs iSd § 933b Abs 1 ABGB „Gewähr geleistet“ hat, braucht aus folgenden Gründen nicht geprüft zu werden.

2.1.  Nach der an Deutlichkeit kaum zu überbietenden Bestimmung des § 933b Abs 2 Satz 2 ABGB verjährt die Haftung eines Rückgriffspflichtigen (hier der Beklagten) jedenfalls in fünf Jahren nach Erbringung seiner Leistung. Damit ist klargestellt, dass – um die Regresshaftung in zeitlicher Hinsicht nicht unüberschaubar zu machen (EB zur RV 422 BlgNR 21. GP  22) – nach Ablauf dieser absoluten Frist, die mit der Übergabe der mangelhaften Sache an den Regressberechtigten (hier die Klägerin) beginnt (hier am 23. März 2005), die Haftung des Rückgriffspflichtigen endet ( P. Bydlinski in KBB 4 § 933b ABGB Rz 2; Zöchling‑Jud in Kletečka/Schauer ABGB‑ON 1.02 § 933b ABGB Rz 27; Ofner in Schwimann/Kodek 4 § 933b ABGB Rz 17).

2.2.  Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der von der Klägerin erhobene Regressanspruch sei wegen Ablaufs der Fünfjahresfrist des § 933b Abs 2 Satz 2 ABGB bei Klageeinbringung am 2. Juni 2015 bereits längst verjährt gewesen, ist somit nicht zu beanstanden.

3.  Die Klägerin regt die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens an, weil der gemäß Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 5. 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (kurz: Verbrauchsgüterkauf‑RL) normierte effektive Schutz des Letztverkäufers in Form eines Rückgriffsrechts gegenüber seinem Vormann nur dann gewährleistet sei, wenn dieser Rückgriff so lange bestehe, als er vom Verbraucher in Anspruch genommen werden könne; die Klägerin könne daher so lange bei der Beklagten Regress nehmen, solange der Verbraucher Gewährleistungsrechte erfolgreich durchsetzen könne. Zur Vermeidung einer Aushöhlung der Rechte des Letztverkäufers durch Annahme einer absoluten fünfjährigen Frist sei § 933b Abs 2 Satz 2 ABGB richtlinienkonform so auszulegen, dass „bei versteckten Sachmängeln ein Rückgriffsrecht des Unternehmers gegen seinen Vormann auch nach Ablauf der normierten Frist möglich“ sei.

3.1.  Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass – wie schon zu Punkt 1. dargelegt – die Klägerin jedenfalls seit Ende März 2007 vom Verbraucher wegen der Mängel an den Dachplatten nicht mehr (durchsetzbar) in Anspruch genommen werden konnte. Dennoch endete die Regresshaftung der Beklagten erst Ende März 2010. Eine – nach Ansicht der Klägerin unionsrechtswidrige – Konstellation, in der die Klägerin vom Verbraucher noch aus der Gewährleistung in Anspruch genommen werden konnte, die Regresshaftung der Beklagten jedoch wegen Ablaufs der Fünfjahresfrist bereits geendet habe, liegt hier daher gerade nicht vor.

3.2.  Abgesehen davon trifft es zu, dass § 933b ABGB in Umsetzung der Verbrauchsgüterkauf‑RL normiert wurde. Die Frage, ob diese vom nationalen Gesetzgeber nur unzureichend umgesetzt wurde und die Einführung einer fünfjährigen absoluten Frist zur zeitlichen Beschränkung der Regresshaftung des Vormanns unionsrechtswidrig ist, ist hier aber nicht zu prüfen.

Eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien zwischen Privaten kommt nämlich nicht in Betracht (Art 288 AEUV; RIS‑Justiz RS0111214). Die innerstaatlichen Behörden haben die inhaltlich von der Richtlinie berührten Normen zwar soweit wie möglich im Einklang mit der Richtlinie („richtlinienkonform“) auszulegen (RIS‑Justiz RS0111214; RS0075866), eine richtlinienkonforme Auslegung einer Bestimmung kann aber nur soweit erfolgen, als das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt. Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (RIS‑Justiz RS0114158; jüngst 9 Ob 31/15x [P 5.4.] mwN). Das wäre hier jedoch der Fall, würde man – wie es der Klägerin erkennbar vorschwebt – bei versteckten Mängeln die Frist des § 933b Abs 2 Satz 2 ABGB bis zum Entdecken des Mangels (also unbestimmt) verlängern oder einen Beginn des Laufs der Fünfjahresfrist erst mit diesem (ebenso unbestimmten) Zeitpunkt annehmen. Denn dieses Verständnis der Norm ist weder mit ihrem eindeutigen Wortlaut noch mit den Intentionen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen (idS auch Ofner in Schwimann/Kodek 4 § 933b ABGB Rz 18).

3.3.  Der Anregung der Klägerin, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zur Auslegung der Verbrauchsgüterkauf‑RL einzuleiten, war daher nicht beizutreten.

4.  Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und deshalb Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten der Revisionsbeantwortung.

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