OGH 3Ob140/09y

OGH3Ob140/09y26.8.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Manfred M*****, vertreten durch den Verfahrenssachwalter Heinz P*****, dieser vertreten durch Fritsch Kollmann & Partner, Rechtsanwälte in Graz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Verfahrenssachwalters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 20. Mai 2009, GZ 1 R 122/09g-18, womit der Rekurs des Verfahrenssachwalters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Stainz vom 6. Februar 2009, GZ 8 P 27/08i-14, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine inhaltliche Behandlung des Rekurses unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Der Antrag des Verfahrenssachwalters auf Zuspruch der Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bestellte in dem über Anregung des Psychosozialen Zentrums V***** GmbH geführten Verfahren, in dem die Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung für den Betroffenen geprüft wurde, Heinz P***** rechtskräftig zum Verfahrenssachwalter. In der am 11. Dezember 2008 abgehaltenen Verhandlung, die der Erörterung des vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachtens diente, erschien ein Rechtsanwalt der Kanzlei der im Revisionsrekursverfahren einschreitenden Rechtsanwälte als Vertreter des Verfahrenssachwalters.

Mit Beschluss vom 6. Februar 2009 bestellte das Erstgericht Dr. Herbert G***** zum Sachwalter für den Betroffenen für rechtliche und finanzielle Angelegenheiten und für die Vermögensverwaltung. Das Erstgericht verfügte die Zustellung dieses Beschlusses einerseits an den Betroffenen persönlich und andererseits an den Verfahrenssachwalter und ordnete überdies eine Zustellung des Beschlusses an den Sachwalter nach Rechtskraft des Beschlusses an. Ausgewiesen ist eine Zustellung dieses Beschlusses an den Betroffenen durch Hinterlegung am 16. Februar 2009 und an den bestellten Sachwalter am 13. Februar 2009.

Am 19. Februar 2009 wiesen die nun im Revisionsrekursverfahren einschreitenden Rechtsanwälte darauf hin, dass dem Erstgericht in der Verhandlung am 11. Februar 2008 das Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben worden sei und daher eine Zustellung des Verhandlungsprotokolls sowie des Sachwalterbestellungsbeschlusses vom 6. Februar 2009 an die Rechtsvertreter zu erfolgen habe. Das Erstgericht verfügte (S 8 in ON 14) die Zustellung des Bestellungsbeschlusses an die einschreitenden Rechtsvertreter am 20. Februar 2009, wobei der entsprechende Abfertigungsvermerk vom 23. Februar 2009 datiert. Ferner verfügte das Erstgericht am 26. Februar 2009 (Abfertigungsvermerk vom selben Tag - S 1 in ON 15) die Zustellung der Protokollsabschrift. Diese Zustellung erfolgte am 3. März 2009. Eine Zustellung des Sachwalterbestellungsbeschlusses an die einschreitenden Rechtsvertreter ist nicht ausgewiesen. Am 11. März 2009 erhoben die Rechtsvertreter des Verfahrenssachwalters Rekurs gegen den Bestellungsbeschluss, in welchem sie sich zwar als Vertreter des Betroffenen bezeichneten, aber erneut auf das Vollmachtsverhältnis zum Verfahrenssachwalter, das in der Verhandlung vom 11. Dezember 2008 bekannt gegeben worden war, hinwiesen.

Diesen Rekurs wies das Rekursgericht als verspätet zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht ging davon aus, dass der Sachwalterbestellungsbeschluss dem Betroffenen am 16. Februar 2009 durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Der am 11. März 2009 vom Betroffenen - nunmehr vertreten durch bevollmächtigte Rechtsanwälte - erhobene Rekurs sei verspätet, weil die vierzehntägige Rechtsmittelfrist am 2. März 2009 geendet habe. Der Rechtsanwalt sei laut dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls vom 11. Dezember 2008 als Vertreter des Verfahrenssachwalters eingeschritten. Im Übrigen sei den Vertretern des Verfahrenssachwalters nur das Protokoll über die Verhandlung, nicht jedoch der angefochtene Beschluss zugestellt worden. Die Rekursfrist sei ausschließlich durch die Zustellung des Beschlusses an den Betroffenen und nicht durch eine allfällige spätere Zustellung an die Rechtsvertreter des Betroffenen ausgelöst worden. Im Sachwalterbestellungsverfahren sei ein verspäteter Rekurs zufolge § 127 letzter Satz AußStrG nicht zu berücksichtigen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen durch die Vertreter des Verfahrenssachwalters erhobene „Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs; siehe 8 Ob 131/08k ua; Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 62 Rz 2) ist zulässig und berechtigt. Vorauszuschicken ist, dass sowohl die Erhebung des Rekurses gegen den erstinstanzlichen Beschluss als auch die Erhebung des Revisionsrekurses zwar namens des Betroffenen erfolgte, dass sich aber aus dem Vorbringen des in der Verhandlung am 11. Dezember 2008 erschienenen Vertreters ebenso wie aus den Rechtsmittelschriftsätzen ergibt, dass die Rechtsvertreter vom Verfahrenssachwalter Vollmacht erhielten, der seinerseits (§ 119 AußStrG) mangels Bestellung eines selbst gewählten Vertreters für den Betroffenen als Rechtsbeistand für den Betroffenen im Sachwalterbestellungsverfahren einzuschreiten hat. Dass der Betroffene selbst unmittelbar den nun einschreitenden Rechtsvertretern Vollmacht erteilt hätte, wurde nicht behauptet. Aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 127 AußStrG steht im Bestellungsverfahren der betroffenen Person, ihrem Vertreter, dem Verfahrenssachwalter und der Person, die zum Sachwalter bestellt werden soll, der Rekurs zu.

Gerade weil dem Verfahrenssachwalter eine zwar im Interesse der betroffenen Person auszuübende, aber von deren Verfahrensstellung unabhängige selbständige Verfahrensstellung zukommt (Zankl/Mondel in Rechberger, Kommentar zum Außerstreitgesetz [2006] § 119 Rz 3), konnte erst die Zustellung der Beschlussausfertigung an den Vertreter des Verfahrenssachwalters die Rekursfrist für den Verfahrenssachwalter auslösen. Da der Revisionsrekurs erkennbar durch den Verfahrenssachwalter als Rechtsbeistand des Betroffenen erhoben wurde, ist dieser Revisionsrekurs ausgehend vom Abfertigungsvermerk in Ansehung des Bestellungsbeschlusses (23. Februar 2009) iVm dem Vorbringen im Revisionsrekurs im Zweifel als rechtzeitig zu behandeln (RIS-Justiz RS0006965).

Der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts war daher aufzuheben. Das Rekursgericht wird über den Rekurs des Verfahrenssachwalters eine inhaltliche Entscheidung zu treffen haben.

Ein Kostenzuspruch kommt im Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters grundsätzlich nicht in Betracht, weil dieses Verfahren nicht für die Durchsetzung oder Abwehr widerstreitender Parteiinteressen konzipiert ist. Damit fehlt es aber an der in § 78 AußStrG vorgesehenen kontradiktorischen Verfahrenssituation für eine Kostenersatzpflicht in diesem Verfahren (RIS-Justiz RS0120750; 10 Ob 48/06s).

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