European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133390
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Voraussetzungen für die Ersitzung sind neben dem Zeitablauf echter und redlicher Besitz eines Rechts, das seinem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprochen hat, sowie Besitzwille (RS0034138 [T2]). Rechtmäßigkeit des Besitzes ist bei der uneigentlichen Ersitzung nicht Voraussetzung (vgl RS0034138 [T3]).
[2] 2. Ein Rechtsbesitzer ist redlich, wenn er glauben kann, dass ihm die Ausübung des Rechts zusteht (RS0010137). Redlichkeit erfordert bei Dienstbarkeiten den Glauben an ein bestimmtes Nutzungsrecht an einer fremden Sache (1 Ob 232/20d). Der gute Glaube, das heißt die Redlichkeit des Besitzers, die während der gesamten Ersitzungszeit vorliegen muss,fehlt bereits dann, wenn dieser auch nur Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes hegen musste (vgl 1 Ob 76/20p; RS0010137 [T1]).
[3] 3. Da die Redlichkeit des Besitzers gemäß § 328 ABGB vermutet wird, trifft die Beweislast für die Unredlichkeit seinen Prozessgegner, hier also die beklagte Grundeigentümerin (vgl RS0010187). Ob in einem bestimmten Fall die konkret zu berücksichtigenden Umstände die Qualifikation des Verhaltens des Besitzers als redlich oder unredlich fordern, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RS0010184 [T13]).
[4] 4. Nach den Feststellungen ging der Geschäftsführer der Klägerin, die sich auf die Ersitzung der Dienstbarkeit der Errichtung, Präparierung und Erhaltung eines Skiweges über das Grundstück der Beklagten zur Benutzung durch Gäste des Hotels der Klägerin beruft, in den letzten rund 40 Jahren nie davon aus, dass eine vertragliche Vereinbarungüber die Nutzung des Skiweges bestehe und die Parteien haben darüber auch nie gesprochen. Der Geschäftsführer der Klägerin war sich stets des Umstands bewusst, dass das genutzte Grundstück nicht im Eigentum der Klägerin steht und ein Weg über diese Liegenschaft somit über Fremdgrund führt. Er war lediglich der Ansicht, dass ein Wegerecht deshalb besteht, weil die Nutzung – aus seiner Sicht – bereits jahrzehntelange Übung war (genauer: in den rund zwölf Jahren zwischen der Errichtung des Lifts im Jahr 1969 und dem Antritt seiner Geschäftsführerposition etwa 1981). Der Geschäftsführer der Klägerin ging demnach gerade nicht vom Bestehen (irgend‑)einer die Nutzung des Grundstücks der Beklagten rechtfertigenden Vereinbarung aus. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen die Redlichkeit der Klägerin verneinte, dann hält sich diese Einschätzung im Rahmen der referierten Judikaturgrundsätze.
[5] 5. Die Klägerin hält dem im Wesentlichen entgegen, dass sich das Berufungsgericht rechtsirrig auf die zu einem anders gelagerten Sachverhalt ergangene Entscheidung 2 Ob 37/20k gestützt habe. Dem ist zu erwidern, dass der Oberste Gerichtshof die dort wiedergegebenen und auch hier zu Punkt 2. angeführten Grundsätze jüngst auch für die Ersitzung einer Servitut als maßgeblich erachtet hat (1 Ob 232/20d). Es mag zutreffen, dass in den von der Klägerin ins Treffen geführten Entscheidungen 7 Ob 549/77 und 5 Ob 47/71 darauf Bezug genommen wird, dass die Rechtmäßigkeit der Besitzausübung angenommen werden könne, wenn niemand die Benützung hindere oder dafür während der Ersitzungszeit ein Entgelt verlange. Eine Anwendung dieser Überlegung auf den vorliegenden Einzelfall ist allerdings deshalb nicht geboten, weil sich die Beklagte zeitlich nur sehr eingeschränkt auf der betreffenden Liegenschaft aufgehalten und deren Nutzung zwischen den Parteien nie Gesprächsthema war. Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt daher nicht vor.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)