OGH 3Ob119/86

OGH3Ob119/8615.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Familie Erwin A*** "Hotel Madlein" KG, 2) Erwin A***, 3) Günther A***,

4) Günther und Elisabeth A*** & Co KG, und 5) Elisabeth A***, alle 6561 Ischgl, Hotel "Elisabeth" bzw. Hotel "Madlein" und vertreten durch Dr. Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei M*** P*** für Hoch-, Industrie- und Sportbauten Gesellschaft mbH, 1050 Wien, Kliebergasse 13, vertreten durch Dr. Julius Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen eine Exekution zur Hereinbringung von 466.780 S, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8.Oktober 1985, GZ 3 a R 405/85-16, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 15. Mai 1985, GZ 7 C 26/85-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger haben sich mit einem gerichtlichen Vergleich vom 16. Mai 1979 verpflichtet, der beklagten Partei im Zusammenhang mit der Errichtung zweier Hotels für erbrachte Architektenleistungen den Betrag von 3,060.000 S zu zahlen und zwar in sechs jährlichen Raten zu 560.000 S (1. Rate) bzw. je 500.000 S (2.-6. Rate), jeweils zum 31. Dezember eines jeden Jahres, letzte Rate fällig zum 31. Dezember 1984.

In diesem Vergleich verpflichteten sich die Kläger weiters, dem für die beklagte Partei zuständigen Finanzamt hinsichtlich der "oben bezeichneten" (tatsächlich war von einer im Vergleichsbetrag enthaltenen oder nicht enthaltenen Umsatzsteuer im Vergleich nichts angeführt) Umsatzsteuer einen Umbuchungsauftrag dahin zu erteilen, daß die gutgeschriebene Vorsteuer auf das Steuerkonto der beklagten Partei "überrechnet" werde. Die solcherart auf das Steuerkonto der beklagten Partei überrechnete Umsatzsteuer werde im selben Ausmaß auf die letzte Ratenzahlung in Anrechnung gebracht. Über diesen Vergleichspunkt entstanden zwischen den Streitteilen Differenzen, die zu folgender nicht strittigen Korrespondenz führten:

Am 5. Juli 1979 stellte die beklagte Partei unter Bezugnahme auf den gerichtlichen Vergleich an den Drittkläger eine "Schlußgebührennote" über 3,060.000 S zuzüglich 550.800 S Mehrwertsteuer aus und ersuchte um Durchführung der laut Vergleich beschlossenen Umbuchung der Mehrwertsteuer.

Zu dem folgenden Schriftwechsel zwischen den Streitteilen ist vorweg festzuhalten, daß zwischen den einzelnen Firmen (Gesellschaften) und Einzelpersonen (Gesellschaftern) nicht unterschieden wurde; teils schien für die Klägerseite die eine, teils eine andere Partei als Absender oder Empfänger auf. Wenn im folgenden von den Klägern die Rede ist, ist damit nur eine zu den Klägern gehörende Partei verstanden.

Mit Schreiben vom 9. Juli 1979, beanstandeten die Kläger den Rechnungsbetrag der Schlußgebührennote als mit dem Vergleich nicht überstimmend und ersuchten um Ausstellung zweier getrennter Rechnungen für die beiden von den Klägern betriebenen Hotels. Sofort nach Erhalt dieser Rechnungen werde der Umbuchungsantrag gestellt werden können.

Die beklagte Partei vertrat in ihrem Schreiben vom 17. Juli 1979 den Standpunkt, die Mehrwertsteuer sei im Vergleichsbetrag nicht enthalten und eine getrennte Rechnungstellung sei nicht möglich. Mit Schreiben vom 26. Juli 1979 antworteten die Kläger, daß die Trennung der Rechnungen für die beiden Hotels von ihnen selbst vorgenommen werde. Der Vergleichsbetrag sei aber ein Bruttobetrag, der auch die Umsatzsteuer enthalte. Daß die Rechnungssumme mit der Vergleichssumme leider nicht identisch sei, sei für sie aber unwichtig, da sie trotzdem nur die Vergleichssumme bezahlen müßten. Die in dieser enthaltene Mehrwertsteuer würden sie in der letzten Rate in Anrechnung bringen. Die Rechnungslegung sei insofern für sie nicht mehr ausschlaggebend, als ja eine endgültige Vergleichssumme festliege, nur die Mehrwertsteuerdifferenz müsse dann wieder rückverrechnet werden. Einfacher wäre es gewesen, wenn, wie vereinbart, die Rechnungssumme mit der Vergleichssumme übereingestimmt hätte. Eine Abschrift der Vergleichsschrift erhalte das Finanzamt und der Wirtschaftsprüfer. Der Antrag auf Umbuchung der Mehrwertsteuer werde Anfang kommender Woche veranlaßt werden. Mit Schreiben vom 7. Mai 1984 teilten die Kläger der beklagten Partei mit, daß im Dezember 1984 die letzte Vergleichsrate fällig werde. Um die Angelegenheit erledigen zu können und den Gesamtbetrag auch gegenüber dem Finanzamt und in der Buchhaltung ordentlich abzuschließen, werde eine Rechnung über die Vergleichssumme einschließlich Mehrwertsteuer benötigt. Es werde um ehestmögliche Erledigung ersucht.

Mit Schreiben vom 22. Juni 1984 teilte der Klagsvertreter dem früheren Rechtsfreund der beklagten Partei mit, ein Schreiben der Kläger (offenbar dasjenige vom 7. Mai 1984) sei von der beklagten Partei nicht angenommen worden, und ersuchte um Weiterleitung dieses Schreibens. Es möge die beklagte Partei auch darauf hingewiesen werden, daß für den Fall der Nichterstellung einer Rechnung der aufgelaufene Mehrwertsteuerbetrag zurückbehalten werden müßte. Mit Telex vom 8.Jänner 1985 teilten die Kläger der beklagten Partei neuerlich mit, daß eine ordentliche Rechnung benötigt werde. Weil die beklagte Partei frühere Schreiben nicht angenommen habe, müßten die Kläger selbst eine Rechnung anlegen und genau nach Vergleich abrechnen. Sie würden also auf die letzte Vergleichsrate den Umsatzsteuerbetrag (von 466.780 S) abziehen und nur die Differenz von 33.220 S überweisen. Dieser Betrag werde mit gleichem Tage überwiesen. Es wäre aber doch abschließend der klügste Weg, den Klägern eine gesamte Rechnung zuzusenden und die Angelegenheit korrekt abzuschließen. Die Kläger hätten sich strikt und genau nach der Vergleichsschrift gehalten.

Am 14.Jänner 1985 brachte die beklagte Partei jedoch gegen die Kläger zur Hereinbringung von restlich 466.780 S einen Fahrnisexekutionsantrag ein, welcher Antrag zu E 510/85 des Bezirksgerichtes Innsbruck bewilligt wurde.

Gegen diese Exekution wendet sich die vorliegende Oppositionsklage mit der Einwendung der Kläger, daß die im Vergleich vorgesehene Umbuchung der Vorsteuergutschrift vom Steuerkonto der Kläger auf das Steuerkonto der beklagten Partei bisher nicht durchgeführt werden konnte, weil die beklagte Partei trotz mehrfacher Aufforderung keine umsatzsteuergerechte Rechnung erstellt habe. Weil es aus dem Verschulden der beklagten Partei noch nicht zur Gutschrift der Vorsteuer gekommen sei, könne auch noch keine Umbuchung erfolgen, so daß der betriebene Anspruch "erloschen" sei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, sie wendete ein, daß mangels erfolgter Umbuchung der betriebene Anspruch offen sei. Von einer bestimmten Rechnungslegung sei die Zahlung der einzelnen Raten nicht abhängig gemacht worden. Die beklagte Partei habe aber ohnedies eine solche Rechnung im Jahr 1979 erstellt, welche zur Erlangung einer entsprechenden Steuergutschrift ausgereicht habe, was mit dem Schreiben der Kläger vom 26.Juli 1979 auch anerkannt worden sei.

In den Tagsatzungen vom 16. April 1985 und 6. Mai 1985 ergänzten die Kläger ihr Vorbringen dahin, daß die im Jahr 1979 ausgestellte Rechnung deshalb nicht ausreichend gewesen sei, weil sie nicht an die zum Vorsteuerabzug berechtigten Firmen adressiert gewesen sei und nicht dem Vergleichsbetrag entsprochen habe, weshalb im Jahr 1984 eine neue geeignete Rechnung eingemahnt worden sei. Die betriebene Forderung stehe der beklagten Partei auch deshalb nicht mehr zu, weil sie am 27. Juli 1982 einer Bank abgetreten worden sei. Die beklagte Partei sprach sich unter Berufung auf die Eventualmaxime gegen die Zulassung des neuen Vorbringens aus. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes.

Die Vorinstanzen gingen über den schon dargestellten Sachverhalt hinaus noch von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Bei Vergleichserrichtung wurde über das Problem der Rechnungslegung nicht gesprochen. Den erwähnten Aufforderungen des Jahres 1984 auf Ausstellung einer neuen Rechnung kam die beklagte Partei nicht nach. Die Kläger bezahlten daher auf die letzte Rate nur 33.220 S. Der im Vergleich erwähnte Umbuchungsauftrag wurde bisher nicht erteilt.

Beide Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, daß zwar die beklagte Partei, auch wenn dies im Vergleichstext nicht ausdrücklich festgehalten sei, zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet war, welche zur Geltendmachung des Vorsteuerabzuges geeignet sei. Gleichgültig, ob die Rechnung vom 5. Juli 1979 diesem Erfordernis entsprochen habe oder nicht, sei aber die beklagte Partei deshalb nicht zu einer neuerlichen Ausstellung der Rechnung verpflichtet gewesen, weil sich die Kläger durch ihre Schreiben des Jahres 1979 und die dann folgende Untätigkeit durch fünf Jahre mit der ersten Rechnung abgefunden hätten und nach den Regeln eines ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs unter Kaufleuten nicht mehr auf einer weiteren Rechnung bestehen könnten. Allenfalls hätten die Kläger kurz nach der Weigerung der beklagten Partei im Jahr 1979 auf Ausstellung einer geeigneten Rechnung klagen müssen.

Die von den Klägern erhobene Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend ist der Standpunkt der Kläger, daß der strittige Vergleich so auszulegen ist, daß sie nicht zusätzlich zur Vergleichssumme von 3,060.000 S noch die hieraus zu entrichtende Umsatzsteuer schulden. Im Vergleich wird nur schlicht ein geschuldeter Gesamtbetrag genannt, die einzelnen Raten ergeben genau diesen Gesamtbetrag, und für die letzte Rate ist vorgesehen, daß die gutgeschriebene Vorsteuer von der letzten Ratenzahlung in Anrechnung gebracht, also abgezogen werden kann.

Nach diesem Vergleichstext schuldeten die Kläger die letzte Rate nicht einfach in der Weise, daß sie einen von vorneherein feststehenden Betrag zu zahlen hatten, sondern sie sollten im Zeitpunkt der Fälligkeit der letzten Vergleichsrate die Möglichkeit haben, den im Vergleichsbetrag enthaltenen Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuerabzug beim Finanzamt geltend zu machen, um so die entsprechende Steuergutschrift durch Umbuchung auf das Konto der beklagten Partei verwerten zu können. Bei einem so engen Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Betrages und der Möglichkeit der Verwertung eines Vorsteuerabzuges muß die Pflicht der beklagten Partei, eine hiefür geeignete Rechnung auszustellen, auch wenn dies im Vergleich nicht ausdrückich niedergelegt wurde, als eine vertragliche Nebenpflicht angesehen werden, deren Mißachtung die klagenden Parteien zur Zurückbehaltung des auf den Umsatzsteuerbetrag entfallenden Teiles des Entgelts berechtigen würde (vgl. dazu

Dorazil-Frühwald-Hock-Mayer-Pankowitsch, Komm. zu UStG 1972, 143 f und zur Rechtslage im allg. SZ 48/140).

Die Kläger haben entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen auf die Ausstellung einer solchen zum Vorsteuerabzug geeigneten Rechnung nicht verzichtet. Das Schreiben vom 26.Juli 1979 konnte nur dahin verstanden werden, daß die Kläger zunächst nicht auf einer neuen Rechnung bestehen, sondern den Versuch unternehmen wollten, selbst eine Aufteilung der zu zahlenden Beträge auf die beiden Unternehmen vorzunehmen und die Vorsteuergutschrift auch mittels der ein zu hohes Entgelt und damit auch einen zu hohen Umsatzsteuerbetrag ausweisenden Schlußgebührennote zu erreichen. Dem dann folgenden mehrjährigen Schweigen kann kein großes Gewicht beigemessen werden, weil die Vorsteuergutschrift erst bei der letzten Rate eine Rolle spielen sollte. Es liegen daher insgesamt nicht Umstände vor, die mit der erforderlichen Eindeutigkeit auf einen konkludenten Verzicht schließen ließen (vgl. E wie HS 10576, 10579, 10581 f, 10598). Die Kläger waren auch nicht (früher) verpflichtet, ihren Anspruch auf Ausstellung einer vorsteuerabzugsfähigen Rechnung einzuklagen. Sie sind vielmehr berechtigt, jetzt mittels Klage nach § 35 EO geltend zu machen, daß sie von dem im Vergleich enthaltenen Recht Gebrauch machen, einen Teil der letzten Rate einvernehmlich durch Verrechnung mit der Vorsteuergutschrift zu tilgen. Solange die beklagte Partei ihre oben erwähnte Nebenleistungspflicht nicht erfüllt, ist zwar der betriebene Anspruch noch nicht erloschen, wohl aber gehemmt, worauf die beklagte Partei zutreffend verweist. Gegenüber dem Erlöschen des Anspruches stellt eine solche Hemmung kein Aliud, sondern ein Minus dar (SZ 27/194). Wenn also die beklagte Partei ihre Pflicht zur Ausstellung und Übermittlung einer für den Vorsteuerabzug geeigneten Rechnung bisher nicht erfüllt haben sollte, wäre die Klage teilweise berechtigt.

Ob dies der Fall ist, kann nach den bisher getroffenen Feststellungen noch nicht beurteilt werden. Mit Recht hat die beklagte Partei im Verfahren darauf hingewiesen, daß es im vorliegenden Rechtsstreit unter Umständen nicht um die erstmalige Ausstellung einer Rechnung iSd § 11 UStG 1972 geht, sondern vielleicht nur um die Ausstellung eines Beleges iSd § 16 UStG 1972 wegen nachträglicher Änderung der Bemessungsgrundlage. Ob die beklagte Partei nach Erbringung der strittigen Leistungen an die beiden Unternehmen jeweils getrennte Rechnungen ausgestellt hat, die in allem den Erfordernissen des § 11 UStG 1972 entsprechen, wurde bisher nicht geprüft. Es wurde aber auch nicht untersucht, ob der Vergleich selbst in Verbindung mit der Schlußgebührennote vom 5.Juli 1979 für sich allein schon die Erfordernisse nach § 11 UStG 1972 erfüllte, zumindest aber vielleicht doch die Erfordernisse eines Beleges nach § 16 UStG 1972. Weil das Gesetz nicht alle möglichen Streitpunkte so regelt, daß es keine Auslegungsdifferenzen geben kann (vgl. etwa zu den Erfordernissen eines Belegaustausches bei einer nachträglichen Entgeltminderung Dorazil ua, aaO 178/5), wird allenfalls auch die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich sein, der die steuerrechtliche Spruchpraxis kennt.

Sollten der Vergleich und die Schlußgebührennote für sich allein ausreichen - obwohl diesen Urkunden nicht ohne weiteres entnommen werden kann, daß beiden Unternehmen ein jeweils gleicher Prozentsatz von den ursprünglichen Rechnungssummen oder Klagsbeträgen vergleichsweise nachgelassen wurde - oder sollten diese beiden Urkunden zumindest iSd § 16 UStG 1972 in Verbindung mit ursprünglich ausgestellten Rechnungen ausreichen, dann könnte es allerdings nicht mehr der beklagten Partei angelastet werden, wenn sie nicht nachträglich noch eine weitere Rechnung ausstellte. Die Kläger hätten es sich dann auch selbst zuzuschreiben, wenn sie nicht schon längst den möglichen Vorsteuerabzug zu ihren Gunsten erwirkt haben sollten. Wäre aber im Sinne der obigen Ausführungen die beklagte Partei immer noch mit der Ausstellung einer brauchbaren Rechnung säumig, dann wäre der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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