Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Teiles zu lauten hat:
"Das Klagebegehren auszusprechen, daß der Anspruch der Beklagten aus dem am 2.6.1980 vor dem Kreisgericht Ried im Innkreis zu 3 Cg 169/80 abgeschlossenen Vergleich auf Bezahlung eines Unterhaltsbetrages von 33.500 S sA, zu dessen Hereinbringung das Bezirksgericht Wildshut mit Beschluß vom 18.11.1983, E 1817/83, die Exekution bewilligt hat, erloschen sei, wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens erster Instanz selbst zu tragen."
Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 13.370,34 S (darin 1.978,41 S Umsatzsteuer und 1.500 S Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten sind die ehelichen Kinder des Klägers. Dieser verpflichtete sich in einem am 2.6.1980 geschlossenen Vergleich, dem am 31.8.1972 geborenen Erstbeklagten 1.800 S und dem am 17.7.1974 geborenen Zeitbeklagten 1.500 S an monatlichen Unterhalt zu bezahlen. Mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 18.11.1983 wurde den Beklagten gegen den Kläger zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands aus der Zeit von Jänner bis November 1983 in der Höhe von 17.500 S und der ab 1.12.1983 fällig werdenden Unterhaltsbeträge von zusammen 3.300 S im Monat die Exekution durch Pfändung und Überweisung einer in monatlichen Raten von 3.000 S zu zahlenden Kaufpreisforderung des Klägers bewilligt. Mit einem am 14.8.1990 bewilligten Antrag begehrten die Beklagten die Einschränkung der Exekution zur Hereinbringung des aus der Zeit von Jänner 1983 bis Juli 1990 noch rückständigen Unterhalts von 33.500 S. Sie brachten vor, daß sie ab August 1990 selbsterhaltungsfähig geworden seien. Bis dahin sei noch der ganze betriebene Unterhaltsrückstand von 17.500 S und vom
laufenden Unterhalt (Dez.83 - Juli 90 = 80 Monate) ein
monatlicher Betrag von 300 S (= Differenz zwischen 3.300 S
laufender Unterhalt und Höhe der gepfändeten Kaufpreisrate von 3.000 S), abzüglich einer einmaligen Zahlung von 8.000 S, und somit insgesamt der Betrag von 16.000 S offen.
Der Kläger erhob mit der am 2.10.1990 beim Erstgericht eingebrachten Klage die Einwendung, daß die Beklagten schon ab August 1989 selbsterhaltungsfähig gewesen seien, weil sie ab diesem Monat eine Lehrlingsentschädigung von 4.710,11 S (Erstbeklagter) und 5.349,76 S (Zweitbeklagter) im Monat bezogen hätten. Der vom Drittschuldner von August 1989 bis September 1990 somit zu Unrecht bezahlte Betrag von insgesamt 42.000 S (gemeint: 14 Monate x exekutiv hereingebrachter 3.000 S) übersteige den Unterhaltsrückstand von 29.900 S, weshalb der gesamte noch betriebene Anspruch "durch Zahlung" erloschen sei. Der Kläger begehrte einen Ausspruch in diesem Sinn.
Die Beklagten bestritten, daß sie ab August 1989 selbsterhaltungsfähig gewesen seien.
Das Erstgericht wies das von ihm angenommene Klagebegehren, die "Exekution aus dem Vergleich" für unzulässig zu erklären, ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
Der Kläger verdiente in der Zeit von August 1989 bis Juli 1990 127.276,26 S und somit monatlich 10.606,35 S. Der Erstbeklagte verdiente in diesem Zeitraum als Lehrling im dritten Lehrjahr 54.670,70 S. Er mußte für die Zeit vom 7.5. bis 29.6.1990 die Kosten der Berufsschule in der Höhe von 5.940 S bezahlen. Unter Berücksichtigung dieser Kosten bezog er ein monatliches Nettoeinkommen von 4.060,89 S. Der Zweitbeklagte verdiente in dem angeführten Zeitraum 44.293 S. Unter Berücksichtigung von Kosten in der Höhe von 2.000 S für den Kauf von Werkzeug verdiente er 3.524,41 S monatlich.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Beklagten nicht schon ab August 1989 selbsterhaltungsfähig gewesen seien, weil dies vorausgesetzt hätte, daß sie ein monatliches Einkommen von etwa 5.000 S bezogen hätten. Der Kläger könne überdies mit den Unterhaltsbeträgen, die für die Zeit ab August 1989 bezahlt worden seien, nicht aufrechnen, weil irrtümlich geleistete Unterhaltsbeträge nicht zurückgefordert werden könnten, wenn die Unterhaltsberechtigten sie bestimmungsgemäß verbraucht haben.
Das Berufungsgericht sprach infolge Berufung des Klägers unter Abweisung des Mehrbegehrens aus, daß der betriebene Anspruch im Umfang von 27.600 S erloschen und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Erstgericht sei von einer unrichtigen Bemessungsgrundlage für den Unterhalt ausgegangen. Beim Kläger müßten die auf Grund einer Exekution einbehaltenen Beträge hinzugerechnet werden, was eine Bemessungsgrundlage von 13.584 S monatlich ergebe. Überdies sei beim Zweitbeklagten unzutreffenderweise ein Vorschuß von 10.500 S nicht berücksichtigt worden, weshalb sein Einkommen im strittigen Zeitraum richtig 52.793 S und im Monat daher etwa 4.400 S betragen habe. Ferner habe das Erstgericht zwar richtig bei beiden Beklagten von den Einkünften die Kosten der Internatsunterbringung abgezogen, es habe aber die damit verbundene Kostenersparnis (etwa für Nahrungsmittel) nicht berücksichtigt. Selbst wenn man dafür nur einen Betrag von 100 S monatlich veranschlage, sei dem Erstbeklagten im strittigen Zeitraum ein monatliches Einkommen von etwa 4.160 S und dem Zweitbeklagten ein solches von etwa 4.500 S zur Verfügung gestanden. Die Selbsterhaltungsfähigkeit sei für den strittigen Zeitraum bei einem monatlichen Einkommen des Unterhaltsberechtigten von 4.800 S anzunehmen, weshalb der Erstbeklagte in diesem Zeitraum Anspruch auf einen Unterhaltsbetrag von 700 S und der Zweitbeklagten auf einen solchen von 300 S im Monat gehabt habe. Von dem vom Drittschuldner bezahlten Betrag von 3.000 S im Monat sei daher nur ein Betrag von 1.000 S auf den laufenden Unterhalt der Beklagten anzurechnen. Durch den Mehrbetrag von 2.000 S monatlich sei der betriebene Unterhaltsanspruch bis auf 5.900 S (d.s. 33.500 S Rückstand abzüglich 12 x 2.300 S zu hoch bemessener Unterhalt = 27.600 S) getilgt worden und im übrigen erloschen. Die Revision sei nicht zulässig, obwohl eine im § 49 Abs 2 Z 2 JN angeführte Streitigkeit vorliege, weil die Entscheidung mit einer gesicherten (allerdings nicht zitierten) Rechtsprechung übereinstimme.
Nach der Zustellung dieses Urteil des Berufungsgerichtes stellten die Beklagten den vom Erstgericht am 12.4.1991 bewilligten Antrag, die von ihnen geführte Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO einzustellen. Sie brachten dazu vor, daß in der Zwischenzeit auf Grund der Exekution sämtliche noch aushaftenden Beträge bezahlt worden seien.
Die von den Beklagten gegen den stattgebenden Teil des Urteils des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht erkannte zwar richtig, daß § 502 Abs 2 ZPO nicht gilt, weil eine familienrechtliche Streitigkeit im Sinn des nachfolgenden Abs 3 und des § 49 Abs 2 Z 2 JN auch dann vorliegt, wenn in dem über eine Oppositionsklage eingeleiteten Verfahren der aus dem Gesetz gebührende Unterhalt strittig ist. In einem solchen Fall ist es daher für die Zulässigkeit der Revision ohne Bedeutung, ob der Entscheidungsgegenstand 50.000 S übersteigt oder, wie hier, unter diesem Betrag liegt. Gemäß dem demnach maßgebenden § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten aber zulässig, weil das Berufungsgericht von der im folgenden zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abwich; dies wird in der Revision zutreffend geltend gemacht.
Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, daß die Exekution, mit der der bekämpfte Anspruch betrieben wurde, infolge Bezahlung durch den Drittschuldner beendet und überdies - im übrigen entgegen der Rechtsprechung (EvBl 1968/79; EvBl 1976/158; JBl 1981, 330 ua) - eingestellt wurde. Das Rechtsschutzbedürfnis der Revisionswerber, das eine Voraussetzung
für die Zulässigkeit ihrer Revision bildet (EvBl 1984/84 uva),
ist trotz der Tilgung des bekämpften Anspruchs nicht weggefallen, weil ein Erfolg der Oppositionsklage die Verpflichtung zur Rückzahlung des für erloschen erklärten Teiles des Anspruchs begründen könnte.
In der Sache ist vorauszuschicken, daß hier die Beendigung und Einstellung der Exekution allein noch nicht zur Abweisung des Klagebegehrens führt (vgl RZ 1974/19; SZ 48/99; RPflgSlgE 1984/6), weil diese Tatsachen erst nach dem für die Beurteilung des Klagebegehrens maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetreten sind. Da sie auch nach dem Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung liegen, muß nicht geprüft werden, ob der Kläger ihnen gemäß § 484 Abs 1 ZPO durch Einschränkung des Klagebegehrens auf Ersatz der Verfahrenskosten hätte Rechnung tragen können und müssen.
Der Oberste Gerichtshof hat zum Ende der Selbsterhaltungsfähigkeit schon mehrfach ausgesprochen, daß bei einfachen Verhältnissen der gemäß § 293 Abs 1 lit a/bb und lit b ASVG für die Gewährung der Ausgleichszulage festgesetzte Richtsatz eine Richtschnur bildet (3 Ob 547/90 = JUS 1990/505; 3 Ob 577/90; 3 Ob 579/90; 8 Ob 504/91; 1 Ob 521/91; vgl auch EvBl 1990/134). Solange das Einkommen des Kindes diesen Richtsatz nicht erreicht, kann daher die Selbsterhaltungsfähigkeit auch bei einem verhältnismäßig geringen, den Richtsatz jedoch deutlich übersteigenden Einkommen des Unterhaltsschuldners nicht angenommen werden.
Der Richtsatz betrug in der Zeit von August bis Dezember 1989 5.134 S (BGBl 1988/749) und in der Zeit von Jänner bis Juni 1990 5.434 S (BGBl 1989/642) und für Juli 1990 5.574 S (BGBl 1990/294) im Monat. Dies ergibt unter Berücksichtigung der gemäß § 105 Abs 1 ASVG gebührenden Sonderzahlungen einen Betrag von 5.990 S, 6.340 S und 6.503 S monatlich.
Das Einkommen der Beklagten erreichte selbst dann, wenn man von den vom Berufungsgericht höher als vom Erstgericht angenommenen Beträgen ausgeht, die angeführten Beträge bei weitem nicht, weshalb sie im strittigen Zeitraum noch nicht selbsterhaltungsfähig waren und der Kläger daher weiterhin zur Leistung des Unterhalts verpflichtet war. Da die angeführten Richtsatzbeträge auch dann nicht oder zumindest nicht wesentlich überschritten werden, wenn man zu dem Einkommen der Beklagten die betriebenen Unterhaltsbeträge hinzuzählt, besteht kein Grund, den vom Kläger zu leistenden Unterhalt für den von seiner Klage betroffenen Zeitraum herabzusetzen. Dies trifft auch dann zu, wenn man von dem vom Berufungsgericht angenommenen Einkommen der Beklagten ausgeht; es muß daher nicht darauf eingegangen werden, ob das Berufungsgericht zu Recht von einem höheren Einkommen als das Erstgericht ausgegangen ist.
Das Erstgericht hat daher das Klagebegehren zu Recht abgewiesen. Da es jedoch von einem unrichtigen Klagebegehren ausgegangen ist, war sein Urteil entsprechend zu berichtigen. Überdies war es durch die nur in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende, jedoch in den Urteilsspruch aufzunehmende (vgl § 55 ZPO) Kostenentscheidung zu verdeutlichen.
Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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