OGH 3Ob104/86

OGH3Ob104/8610.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag.Engelmeier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas V***, Privater, 2340 Mödling, Wiener Straße 18, vertreten durch Dr. Rudolf Gimborn, Dr. Fritz Wintersberger, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte Partei Firma T*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. & Co KG, 2331 Vösendorf, Triester Straße 11, vertreten durch Dr. Friedrich Eckert, Rechtsanwalt in Baden, wegen Einwendungen gegen eine Exekution zur Hereinbringung von 142.756,46 S s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 10.Juli 1986, GZ. R 222/86-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 17.Dezember 1985, GZ. C 53/84 -28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

In einem gemäß § 433 ZPO außerhalb eines Rechtsstreites am 23.4.1981 vor dem Bezirksgericht St.Pölten abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich GZ C 554/81 verpflichtete sich Renate S***, der jetzigen beklagten Partei einen Betrag von 260.727,52 S

s. A in bestimmten Raten zu zahlen (Punkt 1 des Vergleiches). Der jetzige Kläger übernahm diese Ratenverpflichtung "bis zu einem Teilbetrag von 142.756,46 S" samt Anhang zur ungeteilten Hand mit Renate S*** (Punkt 2 des Vergleiches).

Im Jänner 1983 vereinbarte Renate S*** mit der jetzigen beklagten Partei, daß sie gegen Zahlung eines Betrages von 200.000 S bis längstens 28.1.1983 aus der Haftung auf Grund des Vergleiches entlassen werde und leistete diese Zahlung fristgerecht. Die beklagte Partei vertrat in der Folge den Standpunkt, daß sich diese Vereinbarung nur auf Renate S*** selbst nicht aber auf die Solidarverpflichtung des Klägers ausgewirkt habe, und setzte eine schon anhängig gewesene Fahrnisexekution bezüglich eines Betrages von 142.756,46 S s.A fort (E 7976/81 des Bezirksgerichtes St.Pölten, neu E 1860/83 des Bezirksgerichtes Mödling). Gegen diese Exekution wendet sich die Oppositionsklage des Klägers, der die Ansicht vertritt, die Vereinbarung vom Jänner 1983 und die von Renate S*** geleisteten Zahlungen kämen auch ihm zugute und hätten zu einer Aufhebung seiner Verpflichtung aus dem Vergleich geführt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest, daß anläßlich des Abschlusses der Vereinbarung vom Jänner 1983 zwischen Renate S*** und der beklagten Partei nicht über eine Entlassung auch des Kägers aus der Haftung gemäß dem Vergleich gesprochen worden sei. In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Auffassung, daß gemäß § 894 ABGB daher der der Renate S*** gewährte teilweise Schuldnachlaß dem Kläger nicht zustatten komme. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne einer Klagsstattgebung ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es war der Auffassung, daß sich schon aus der Auslegung des Vergleiches vom 23.4.1981 ergebe, daß der Kläger nur "bis" zum Teilbetrag von 142.156,46 S eine Mithaftung übernommen habe, sodaß er durch die Teilerfüllung durch die Mitschuldnerin, welche diesen Teilbetrag überschreite, befreit würde. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Partei wegen der Revisionsgründe nach § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern oder es aufzuheben. Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben. Da die Auslegung des ursprünglichen Vergleiches und des späteren Schulderlaßvertrages über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist und vor allem, soweit ersichtlich, zur Tragweite nach § 894 ABGB für Fälle der vorliegenden Art keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorhanden ist, liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt Berechtigung zu.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Die bisher getroffenen Feststellungen reichen aber nicht aus, um die Sache rechtlich beurteilen zu können:

Da Renate S*** durch den Schulderlaß von ihrer Verbindlichkeit gänzlich befreit werden sollte, sollte ihr auch kein allfälliger Regreßanspruch des Klägers mehr drohen. Der Schulderlaß bezog sich daher, da nichts Gegenteiliges vereinbart wurde, - falls dem Kläger überhaupt ein Rückgriffsanspruch zustand - gerade in erster Linie auf jenen Teilbetrag für den auch eine Mithaftung des Klägers bestand (nur hinsichtlich dieses Teilbetrages mußte sie ja eine Regreßforderung des Klägers gewärtigen), und kam daher wegen des konkreten Zweckes des Schulderlasses auf gänzliche Befreiung der Renate S*** auch dem mithaftenden Kläger zugute (Mayrhofer-Ehrenzweig Schuldrecht I 103, Selb Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern 71,72, vgl auch E wie GlU 7990, 10.908, SZ 18/184, SZ 31/69, mit Glosse von Gschnitzer in JBl 1958,559 und auch JBl 1976,369). Die Regel des § 894 ABGB wäre bei richtiger Auslegung des strittigen Schulderlaßvertrages dann keine solche Nachsicht oder Befreiung die die Mitschuldnerin Renate S*** im Sinne dieser Gesetzesstelle "für ihre Person" (gemeint: nur für ihre Person) erhielt.

Ob dem Kläger ein Rückgriffsanspruch gegen Renate S*** zusteht, hängt aber vom bisher nicht erörterten Innenverhältnis zwischen diesen beiden Mitschuldnern (dem "besonderen Verhältnis" im Sinne des § 896 ABGB) ab.

Falls zwischen diesen Mitschuldnern irgendwelche vertraglichen Regelungen galten, kämen diese zum Tragen. Wenn solche der beklagten Partei auch nicht bekannt gewesen sein mögen, müßte sich die beklagte Partei doch entgegenhalten lassen, daß sie beim Neuerungsvertrag vom Jänner 1983 nicht darauf bestanden hat, daß der teilweise Schulderlaß nur Renate S*** zugutekommen solle, auch wenn diese vielleicht zusätzlich mit Rückgriffsforderungen des Klägers belastet wäre.

Falls keine solchen vertraglichen Regelungen bestehen sollten, müßten die Ursachen für die Übernahme der Verpflichtung durch Renate S*** und den Kläger und die Art der Verwendung der dieser zugrundeliegenden Geldbeträge untersucht werden. Dem Vorbringen der Streitteile ist zu entnehmen, daß dem Vergleich möglicherweise Unterschlagungen der Renate S*** zum Nachteil der beklagten Partei in Höhe des Vergleichsbetrages zugrundelagen, und daß der Kläger im Verdacht stand, einen Teil des veruntreuten Betrages zu seinen Nutzen verwendet zu haben. Träfe letzteres zu, käme es im Umfange der vom Kläger zu seinem Vorteil vereinnahmten Beträge zu keinem Rückgriff, weil der vom Kläger im Außenverhältnis zur beklagten Partei übernommenen "Mit"-Haftung im Innenverhältnis zu Renate S*** dann eine "Allein"-Haftung entsprechen würde.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die grundsätzliche Auslegung des Vergleiches durch das Berufungsgericht durchaus zutreffend ist.

Der Kläger hat sich nicht wie bei einer Teilbürgschaft zwar nur mit einem bestimmten Teilbetrag, dies aber bis zur endgültigen Abstattung der Gesamtverbindlichkeit als Mitschuldner verpflichtet, sondern er hatte von vorneherein nur "bis" zu einem bestimmten Teilbetrag einzustehen. Alles, was der Kläger selbst an die beklagte Partei bezahlt haben sollte, wäre von vorneherein nur auf den Teilbetrag von 142.756,46 S anzurechnen. Und auch die gemeinsamen Zahlungen beider Mitschuldner im Sinne der übernommenen Ratenverpflichtung wären zunächst zugunsten dieses Teilbetrages anzurechnen. Der Vergleich wäre also so zu lesen, daß sich 1) der Kläger und Renate S*** gemeinsam zur Zahlung von 142.756,46 S s.A. verpflichteten, daß 2) Renate S*** sich zusätzlich allein zur Zahlung weiterer 117.971,06 S s.A. verpflichtete, und daß 3) vereinbart war, daß die ersten Raten bis zur vollständigen Abzahlung auf die zu 1) genannte Teilverbindlichkeit und erst die folgenden Raten auf die zu 2) genannte, nur mehr Renate S*** treffende Teilverbindlichkeit anzurechnen wären.

Sobald allerdings der Terminsverlust eingetreten war, war eine solche vorrangige Anrechnung von Zahlungen der Renate S*** auf die Teilpost von 142.756,46 S nicht mehr möglich, sondern die gesamte Restforderung der beklagten Partei spaltete sich sozusagen wieder in zwei Teile auf, einerseits in den zum Teilbetrag von 142.756,46 S noch offenen Restbetrag, für den der Kläger und Renate S*** gemeinsam hafteten, und andererseits in den noch zur Gänze offenen Teilbetrag von 117.971,06 S, für den nur Renate S*** haftete. Nur für alle nach eingetretenem Terminsverlust erfolgten Zahlungen müßte untersucht werden, ob sie auf die eine oder die andere Schuldpost anzurechnen sind.

Würde, anschließend an das oben Gesagte, Renate S*** im Innenverhältnis für den Teilbetrag von 142.756,46 S nicht einstehen müssen, weil dieser endgültig den Kläger belasten sollte, dann müßte ein nur ihr gewährter Schulderlaß, wenn im Sinne der bisher getroffenen Feststellungen dazu zwischen der beklagten Partei und Renate S*** nichts anderes vereinbart wurde, zunächst auf die nur Renate S*** treffende Teilpost angerechnet werden. In diesem Fall würde ja der Renate S*** kein Regreß drohen. Sollte die Zahlung von 200.000 S im Sinne des Schulderlaßvertrages vom Jänner 1983 allerdings die noch offene Teilschuld von 117.971,06 S samt Anhang (besonders Zinsen!) übersteigen, käme selbstverständlich ein solcher Betrag auch dem Kläger zugute, der allerdings dann im Innenverhältnis einen solchen eigentlich ihn treffenden Teil der Gesamtschuld der Renate S*** ersetzen müßte.

Würde hingegen der Kläger im Innenverhältnis Anspruch auf vollen Regreß haben, würde sich der Schulderlaß (siehe oben) auch auf ihn erstrecken.

Da es zu allen aufgezeigten Punkten bisher an entsprechenden Prozeßbehauptungen und Tatsachenfeststellungen mangelt, ist die Sache noch nicht spruchreif, weshalb die Urteile der beiden Vorinstanzen aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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