OGH 3Ob104/15p

OGH3Ob104/15p17.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden, die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch sowie die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Deinhofer Petri Rechtsanwälte in Wien, gegen die G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. Februar 2015, GZ 38 R 23/15m‑12, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00104.15P.0617.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet die ‑ von den Vorinstanzen bejahte ‑ Berechtigung der Klägerin zur Ausübung eines ihr auf die Dauer von 50 Jahren eingeräumten Weitergaberechts hinsichtlich einer 1979 gemieteten unausgebauten Dachbodenfläche.

Die außerordentliche Revision der beklagten Vermieterin bestreitet die Richtigkeit der Auffassung des Berufungsgerichts einerseits deswegen, weil die von der Klägerin in das Mietobjekt im Zuge des Dachbodenausbaus getätigten Investitionen bereits „wirtschaftlich und technisch abgeschrieben“ seien; eine Ausübung des Weitergaberechts durch die Klägerin könne daher wegen Verstoßes gegen das in § 27 MRG geregelte Ablöseverbot nur rechtswidrig erfolgen. Andererseits sei nicht nachvollziehbar, warum sich der Vermieter bei Einräumung eines bloßen Präsentationsrechts auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen könne, nicht aber bei Einräumung eines Weitergaberechts, das sich „faktisch“ nicht von einem Präsentationsrecht unterscheide.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Rechtsfolge der Ausübung eines dem Mieter eingeräumten Weitergaberechts ist die Vertragsübernahme durch den neuen Mieter, die ohne weitere Erklärung des Vermieters erfolgt (RIS‑Justiz RS0105786; RS0032700; RS0032747).

2. Nicht nachvollziehbar ist, warum die von der Revision erkennbar behauptete nunmehrige Wertlosigkeit der von der Klägerin in das Mietobjekt getätigten Investitionen zwingend zu einer „rechtswidrigen“ Ausübung des Weitergaberechts führen muss: Eine Ablöse kann zwar im Vollanwendungsbereich des MRG zulässig nur vereinbart werden, wenn der Ablöse eine gleichwertige Gegenleistung des Vormieters gegenüber steht (§ 27 Abs 1 Z 1 MRG). Selbstverständlich kann aber der Vormieter sein Weitergaberecht auch ohne Ablösevereinbarung ausüben.

3. Im Unterschied zu einem (unbeschränkten oder beschränkten) Weitergaberecht handelt es sich bei einem Präsentationsrecht um einen Vorvertrag iSd § 936 ABGB zu Gunsten Dritter, der nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers unter der Umstandsklausel steht (8 Ob 504/92 EvBl 1992/113; RIS‑Justiz RS0032804).

4. Die von der Beklagten gewünschte Anwendung der Umstandsklausel auf das der Klägerin vertraglich eingeräumte Weitergaberecht scheitert schon daran, dass ein Rechtssatz, wonach jeder Vertrag unter der clausula rebus sic stantibus abgeschlossen gilt, nicht besteht (RIS‑Justiz RS0018849). Die aus einem Vorvertrag resultierende geringere Bindung (P. Bydlinski in KBB4 § 936 Rz 4) bewirkt, dass ein Vertragsteil unter bestimmten Umständen nicht verpflichtet ist, den Hauptvertrag zu schließen. Die Erwägungen in der Revision, dass der neue Mieter bei Ausübung des Weitergaberechts zu nach heutiger Rechtslage unüblich günstigen Konditionen miete, lassen außer Acht, dass das Weitergaberecht gerade keinen Neuabschluss eines Mietvertrags erfordert, sondern zu einem Eintritt in den bestehenden Vertrag führt.

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