OGH 3Nc37/20a

OGH3Nc37/20a23.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Ordinationssache der Antragsteller 1. S*****, 2. B*****, beide *****, vertreten durch Goldsteiner Rechtsanwalt GmbH in Wiener Neustadt, gegen die Antragsgegnerin N*****, wegen Exekutionsführung nach § 355 EO, infolge Antrags gemäß § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030NC00037.20A.1223.000

 

Spruch:

Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 28 JN wird abgelehnt.

 

Begründung:

[1] Der Antragsgegnerin mit Wohnsitz in Ungarn wurde mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 16. November 2020 gegenüber den Antragstellern untersagt, an einer Liegenschaft einen Lichtschacht entgegen seiner ursprünglichen Position versetzt einzubauen.

[2] Die Antragsteller begehren im Rahmen ihres beim Bezirksgericht Wiener Neustadt gestellten Exekutionsantrags die Bestimmung eines österreichischen Exekutionsgerichts im Wege der Ordination. Die Antragsgegnerin habe gegen das Unterlassungsgebot verstoßen, weshalb sie einen Antrag auf Unterlassungsexekution gemäß § 355 EO einbringen müssten. Sei ein österreichisches Titelgericht vorhanden, fehle aber ein Wohnsitz der verpflichteten Partei im Inland, sei von Amts wegen der Akt dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, der nach § 28 JN ein Exekutionsgericht zu ordinieren habe.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN liegen nicht vor.

[4] 1. Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof nach § 28 JN (Ordination) setzt das Fehlen eines Gerichtsstands in Österreich voraus. Weiters muss eine der drei in § 28 Abs 1 JN (alternativ) normierten Voraussetzungen (Z 1, Z 2 oder Z 3) vorliegen. Hier kommt allenfalls § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht.

[5] 2. Nach § 28 Abs 1 Z 2 JN ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn die betreibende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen (3 Nc 29/19y und 3 Nc 26/20h mwN).

[6] 3. Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind nach § 28 Abs 4 zweiter Satz JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen, was auch für Exekutionssachen gilt (RIS‑Justiz RS0124087).

[7] 4. Nach der älteren Rechtsprechung ist die Unzumutbarkeit (Unmöglichkeit) einer Unterlassungsexekution in bestimmten Ländern aufgrund eines österreichischen Titels generell bescheinigt (zB 3 Nc 10/11t [Italien]; 3 Nc 5/18t [Luxemburg]; 3 Nc 13/18v [Niederlande]; 3 Nc 25/17g [Deutschland]). Abgesehen davon, dass der Senat hinsichtlich Deutschland von dieser Rechtsprechung ausdrücklich abgegangen ist (3 Nc 20/20a, vgl auch 3 Nc 26/20h), betraf diese Rechtsprechung nicht Ungarn.

[8] 5. Vielmehr setzt die Stattgebung des Ordinationsantrags auch in einem Fall wie dem hier vorliegenden voraus, dass die Antragsteller bescheinigen, dass ihnen im konkreten Fall eine Exekutionsführung in Ungarn tatsächlich unmöglich oder unzumutbar ist. Die Antragsteller haben dies weder behauptet noch bescheinigt. Ihrem Vorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass sie die Durchsetzung ihres titulierten Anspruchs in Ungarn schon erfolglos versucht hätten, oder dass die Erfolglosigkeit nach bisheriger Ungarischer Rechtsprechung zu erwarten wäre. Dabei ist gerade für den Anwendungsbereich der EuGVVO zu berücksichtigen, dass eine Ordination bei Verpflichteten, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, nur in Ausnahmefällen möglich ist (RS0053178 [T3 und T7]).

[9] 6. Der Aussage des von den Antragstellern zitierten Rechtssatzes RS0053178 liegt die Entscheidung 3 Ob 113/94 zugrunde, bei der noch die mit BGBl 1995/519 aufgehobene Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 1 EO anzuwenden war. Aus dieser Rechtsprechung ist für die Antragsteller daher nichts abzuleiten.

[10] 7. Die Voraussetzungen der Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN bei erforderlicher Vollstreckung in einem Mitgliedstaat sind daher schon deshalb nicht gegeben, weil es an der konkreten Behauptung eines bestehenden Bedürfnisses nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes fehlt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte