Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 214.620 samt 4 % Zinsen seit dem 6. Juli 1994 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen sowie die mit S 37.180,60 (darin enthalten S 6.185,10 USt und S 70 Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen zu ersetzen.
Das Mehrbegehren auf Bezahlung weiterer S 91.762,60 wird abgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 11. 10. 1987 erlitt die am 19. 11. 1938 geborene Theresia M***** bei einem Verkehrsunfall unter anderem Halswirbelverletzungen, die zu einer Querschnittslähmung ab C 6 führten. Theresia M***** und ihren Unfallsgegner, dessen Fahrzeug bei der beklagten Partei haftpflichtversichert war, trifft an diesem Verkehrsunfall jeweils ein Verschulden von 50 %. Die beklagte Partei schloss am 11. 7. 1991 mit dem Rechtsvertreter der Theresia M*****, Rechtsanwalt Dr. G*****, einen Abfindungsvergleich, in dem Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung sowie Haushaltshilfe- und Pflegekosten berücksichtigt wurden, über S 1,075.000, wobei bei den Haushaltshilfe- und Pflegekosten zumindest der damals geleistete Hilflosenzuschuss von S 2.826 sowie das Quotenvorrecht Berücksichtigung fanden. Der Abfindungsvergleich lautete unter anderem wie folgt:
"Ich/wir erklären, dass ich/wir bezüglich des Schadens von 11. 10. 1987 gegen Bezahlung eines Betrages von S 1,075.000,- und Kosten von S 47.642,- mit allen Ansprüchen, die von mir/uns oder meinen/unseren Rechtsnachfolgern gegen Sie und gegen jede andere Person aus Anlass des erwähnten Schadens geltend gemacht werden können, für endgültig und vollständig abgefunden bin/sind, auch wenn in Zukunft noch andere als die jetzt vorhandenen und noch erkennbaren Folgen des Schadensfalles oder geänderte Verhältnisse überhaupt eintreten oder bekannt werden sollten".
Die beklagte Partei leistete in der Folge den im Abfindungsvergleich angeführten Betrag. Die klagende Partei erlangte spätestens am 13. 8. 1993 Kenntnis von diesem Abfindungsvergleich. Sie begehrt nunmehr von der beklagten Partei Zahlung von S 306.382,60 unter Berufung auf § 16 Bundespflegegeldgesetz (in der Folge BPGG) und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass sie vom 1. 7. 1993 bis 31. 12. 1996 Pflegegeld der Stufe 5 in Höhe von S 458.950,60 an Theresia M***** bezahlt, wovon die beklagte Partei lediglich S 152.568 refundiert habe.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Mit dem Abfindungsvergleich vom 11. 7. 1991 seien sämtliche Ansprüche, soweit sie über den Hilflosenzuschuss von monatlich ca S 3.000 hinausgingen, für immer verglichen worden. Die beklagte Partei habe daher für den Zeitraum nach dem 1. 7. 1993 nicht mehr zu leisten als ein Pflegegeld der Stufe 2. Theresia M***** sei am 11. 7. 1991 berechtigt gewesen, einen Abfindungsvergleich über den den Hilflosenzuschuss übersteigenden Pflegeaufwand abzuschließen, da damals das BPGG noch nicht gegolten habe. Auch die beklagte Partei habe damals noch nicht wissen können, dass ca zwei Jahre später eine völlig neue gesetzliche Regelung in Kraft trete. Eine rückwirkende Legalzession nach Inkrafttreten des § 16 BPGG könne nicht eingetreten sein. Bis Ende 1996 habe kein Rechtsanspruch auf den die Stufe 2 übersteigenden Teil des Pflegegeldes bestanden. Solche nicht durchsetzbaren Ansprüche seien Naturalobligationen, die zwar Gegenstand einer Zession sein könnten, doch gehe die Forderung wiederum nur als Naturalobligation über und könne nicht durchgesetzt werden.
Die klagende Partei führte dazu aus, dass die Legalzession des § 16 BPGG auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zurückwirke, weshalb Theresia M***** auch im Jahre 1991 nicht rechtswirksam über den den Hilflosenzuschuss übersteigenden Pflegeaufwand durch Abfindungsvergleich verfügen habe können. Es sei während der Übergangszeit hinsichtlich des Pflegegeldes der Stufen 3 bis 7 insoweit zu einer Legalzession gekommen, als tatsächlich Pflegegeld in einer höheren Stufe als 2 geleistet worden sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleiches habe Theresia M***** zusätzlich zum Hilflosenzuschuss noch ein Pflegegeld nach den Bestimmungen des Vorarlberger Behindertengesetzes von monatlich zumindest S 4.520 bezogen, das im Rahmen der Pauschalabfertigung Berücksichtigung gefunden habe. Mit Schaffung des BPGG 1993 seien die auf Theresia M***** bezogenen landesrechtlichen Ansprüche aus Pflegegeld in Ansprüche aus bundesgesetzlichen Bestimmungen überführt worden und daher von der Legalzession nach § 16 BPGG erfasst. Die beklagte Partei habe die damals geltenden landesgesetzlichen Bestimmungen gekannt und die Möglichkeit einer Auszahlung von Pflegegeld nach diesen Bestimmungen an Theresia M***** einkalkuliert.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es offensichtlich auf Grund eines Diktatfehlers den Betrag von S 306.383,60 anstelle der begehrten S 306.382,60 zusprach.
Es traf neben den eingangs wiedergegebenen Feststellungen noch folgende weitere Feststellungen:
Die klagende Partei leistete ab 1. 4. 1989 der invalid gewordenen Theresia M***** einen Hilflosenzuschuss. Diese Leistungen erstattete die beklagte Partei der klagenden Partei auf Grund der Legalzession im Rahmen des Deckungsfonds. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 18. 1. 1989 wurde Theresia M***** ab 1. 12. 1988 ein Pflegegeld von S 4.280 und ab 1. 1. 1989 ein solches von S 4.380 jeweils monatlich nach dem Vorarlberger Behindertengesetz gewährt. Zum Zeitpunkt des Abfindungsvergleiches am 11. 7. 1991 erhielt Theresia M***** einen Hilflosenzuschuss von monatlich S 2.826 und ein Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz von monatlich S
4.380. Diese beiden Leistungen wurden bei der Festsetzung des Vergleichsbetrages von den Rechtsvertretern der Theresia M***** und der beklagten Partei berücksichtigt. Mit dem Abfindungsbetrag sollten neben dem Schmerzengeld und der Verunstaltungsentschädigung auch fiktive Haushaltshilfe- und Pflegekosten abgedeckt werden. Der Rechtsvertreter der Theresia M***** ging von einem fiktiven Pflegekostenaufwand von monatlich S 20.000 bis S 30.000 aus und hielt unter Berücksichtigung des Mitverschuldens der Geschädigten einen Betrag zwischen S 10.000 und S 15.000 an Haushaltshilfe- und Pflegekosten für gerechtfertigt. Davon wurde der Hilflosenzuschuss und das Pflegegeld abgezogen und der restlich verbleibende Betrag mit der statistischen Lebenserwartung der Theresia M***** multipliziert.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, dass die Legalzession gemäß § 332 ASVG am Unfallstag eingetreten sei. Von ihr seien die zeitlich und sachlich kongruenten Ansprüche, nämlich damals der Hilflosenzuschuss, erfasst gewesen. Hinsichtlich des den Hilflosenzuschuss übersteigenden Betrages und Pflegeaufwand sei die Dispositionsbefugnis bei der Geschädigten verblieben, die im Rahmen ihrer Verfügungsberechtigung das Pflegegeld nach dem Behindertengesetz berücksichtigt und im Rahmen des Abfindungsvergleiches nur jene Ansprüche an Pflegeaufwand verglichen habe, die bei einer fiktiven Berechnung der Kosten eines Pflegeheimes (S 10.000 bis S 15.000) nicht durch Sozialhilfeleistungen (damals Hilflosenzuschuss und Pflegegeld nach dem Behindertengesetz) abgedeckt gewesen seien. Seit dem Inkrafttreten des BPGG seien auf Grund des Vorarlberger Behindertengesetzes keine dem Pflegebedarf der Geschädigten entsprechenden Leistungen mehr erbracht worden. Statt dessen sei der Geschädigten gemäß § 38 BPGG und § 28 des Vorarlberger LPGG ein Pflegegeld der Stufe 5 gewährt worden. Da sich Theresia M***** lediglich über den das Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz und den Hilflosenzuschuss hinausgehenden Betrag verglichen habe, bestehe der Schadenersatzanspruch in dem Umfang, in dem das Pflegegeld nach dem BPGG an die Stelle der früheren Sozialleistungen getreten sei, nach wie vor. Es bestehe diesbezüglich auch ein sachliches und zeitliches Kongruenzverhältnis. Für die Zeit ab 1. 7. 1993, als das BPGG den Hilflosenzuschuss und das Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz verdrängt und ersetzt habe, gelte die Legalzession nach § 16 Abs 1 BPGG. Seit diesem Tag könne die klagende Partei einen Betrag von der beklagten Partei begehren, der seiner Höhe nach dem fiktiven Hilflosenzuschuss und dem Pflegegeld nach dem Behindertengesetz entspreche. So wie der Hilflosenzuschuss und das Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz decke auch das Pflegegeld nach dem BPGG nicht den gesamten Bedarf an Pflegeaufwand ab, weshalb der Abfindungsbetrag laut Vergleich vom 11. 7. 1991 unangetastet bleibe. Durch die Auszahlung des Pflegegeldes an die Geschädigte sei nicht mehr geleistet worden als das, was vom Abfindungsvergleich als Abgeltung für den Pflegeaufwand ohnehin ausgenommen geblieben sei. Eine Anrechnung nach § 16 Abs 2 BPGG finde nicht statt, die von der klagenden Partei tatsächlich geleisteten Beträge seien zur Geltendmachung auf sie übergegangen. Bei Fehlen eines Sozialversicherungsverhältnisses der Geschädigten stehe dieser ein dem Hilflosenzuschuss und dem Pflegegeld entsprechender Schadenersatzanspruch zu.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Das Bundespflegegeldgesetz (BPGG BGBl 1993/110) sei nach dessen Schlussbestimmungen 1. Abschnitt Z 1 mit 1. 7. 1993 in Kraft getreten sei, wobei hinsichtlich dessen § 16 nichts Abweichendes geregelt worden sei, weshalb eine Rückwirkung auf die Zeit vor Inkrafttreten des BPGG ausscheide. Im Juli 1991 sei daher gemäß § 332 ASVG nur hinsichtlich des Hilflosenzuschusses eine Legalzession eingetreten gewesen, weshalb die Geschädigte nur in diesem Umfang über ihre Ansprüche auf Pflegekostenersatz nicht verfügen habe können, wobei der Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger bereits mit dem Zeitpunkt des Unfalls erfolgt sei. Wenn jedoch ein eine Legalzession regelndes Gesetz erst nach dem Unfall in Kraft trete, so sei für den Forderungsübergang an den Sozialversicherungsträger nicht mehr der Zeitpunkt des Unfalls maßgebend, sondern der Eintritt des Versicherungsfalls, der erst mit Inkrafttreten des die Legalzession regelnden Gesetzes, also hier mit Inkrafttreten des BPGG ab 1. 7. 1993, erfolgt sei. Ein Vergleich zwischen der Geschädigten und dem Schädiger bzw dessen Haftpflichtversicherer könne sich niemals auf eine durch Legalzession bereits auf den Sozialversicherungsträger übergegangene Forderung beziehen und auf diese Wirkung ausüben. Der Geschädigte könne sich aber vor Entstehen der Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers mit dem Schädiger mit Wirkung auch dem Sozialversicherungsträger gegenüber vergleichen. So wie der Schädiger dem Versicherungsträger die durch eine spätere Gesetzgebung erhöhten Sozialversicherungsrenten nicht zu erstatten brauche, wenn er durch einen Abfindungsvergleich die Ansprüche des Verletzten in gutem Glauben abgefunden und erfüllt habe, brauche er dem Versicherungsträger erst durch eine spätere Gesetzgebung entstandene sozialrechtliche Ansprüche auch dann nicht zu erstatten, wenn er bereits vorher die Ansprüche des Verletzten durch einen Abfindungsvergleich in gutem Glauben befriedigt habe. Dabei obliege grundsätzlich dem Sozialversicherungsträger der Nachweis, dass der Ersatzpflichtige, der sich direkt mit dem Verletzten abgefunden habe, bei der Zahlung in gutem Glauben gewesen sei. Das BPGG sei erst im Jahre 1993 verlautbart worden. Irgend ein Wissen der beklagten Partei bei Abschluss des Abfindungsvergleiches im Juli 1991 über konkrete Regelungen eines allenfalls in Zukunft in Kraft tretenden Bundespflegegeldgesetzes, insbesondere hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, aber auch des Forderungsübergangs, könne daher nicht angenommen werden und sei auch nicht unter Beweis gestellt. Es sei daher grundsätzlich von der Gutgläubigkeit der beklagten Partei bei Abschluss des Abfindungsvergleiches auszugehen. Damit sei aber für die beklagte Partei nichts gewonnen. Bei Abschluss des Abfindungsvergleiches sei beiden Vergleichsparteien bekannt gewesen, dass die Geschädigte nicht nur den Hilflosenzuschuss, sondern auch Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz bezogen habe, und zwar jeweils 14-mal jährlich, welche Beträge im Zusammenhang mit den mitverglichenen Pflege- und Haushaltshilfekosten insoweit berücksichtigt worden seien, als diese vom zu ermittelnden Ersatzbetrag abgezogen worden seien. Dies sei beim Umfang der Bereinigungswirkung des Abfindungsvergleiches zu berücksichtigen, da dies dem Willen der Vergleichsparteien entsprochen habe. Durch diese Anrechnung des Pflegegeldes nach dem Vorarlberger Behindertengesetz sei der Schädiger bzw die beklagte Partei als dessen Haftpflichtversicherer entlastet worden, nachdem im Vorarlberger Behindertengesetz hinsichtlich der an den Pflegebedürftigen erbrachten Leistungen keine Legalzession geregelt gewesen und somit die beklagte Partei hinsichtlich dieser Leistungen nicht regresspflichtig geworden sei. Grundsätzlich wäre die Geschädigte nicht verpflichtet gewesen, sich diese, von dritter Seite erbrachten Leistungen auf ihren Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten anrechnen zu lassen. Nachdem die Leistungen nach dem Vorarlberger Behindertengesetz mit Ablauf des 30. 6. 1993 weggefallen seien, habe sich die Geschädigte diesbezüglich nichts mehr freiwillig anrechnen lassen können. Es könne nach Treu und Glauben nicht davon ausgegangen werden, dass durch den Abfindungsvergleich, bei dem nach dem Willen der Vergleichsparteien die von dritter Seite erbrachten Leistungen für die Pflege der Geschädigten angerechnet worden seien, der Pflegekostenersatz dennoch zur Gänze endgültig geregelt worden sei, auch wenn die Leistungen Dritter weggefallen seien. Eine solche Bereinigungswirkung des Vergleiches könne nach den konkreten Umständen nicht als mitumfasst angesehen werden. Durch den Wegfall des Pflegegeldes nach dem Vorarlberger Behindertengesetz sei ein neuer ergänzender Schadenersatzanspruch der Geschädigten gegenüber der beklagten Partei entstanden. Im Umfang des mit Mitte 1993 gewährten Pflegegeldes nach dem Vorarlberger Behindertengesetz seien daher die Ansprüche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BPGG ebenso nicht verglichen wie unstrittigerweise im Umfang des bis dahin gewährten Hilflosenzuschusses. Was die Frage der Legalzession nach § 16 BPGG hinsichtlich des die Pflegestufe 2 übersteigenden Pflegegeldes, welches der Geschädigten von der klagenden Partei gewährt worden sei, betreffe, so sei darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Regelung des § 4 Abs 4 BPGG, wonach ein Rechtsanspruch auf Pflegegeld der Stufen 3 bis 7 erst ab 1. 1. 1997 bestehe, bereits mit der Novelle BGBl 1997/131 dahingehend abgeändert worden sei, dass dieser Rechtsanspruch auf Pflegegeld der Stufen 3 bis 7 schon ab 1. 7. 1995 gewährt worden sei, sodass ab diesem Zeitpunkt jedenfalls die Legalzession nach § 16 BPGG hinsichtlich des gesamten Pflegegeldes der Stufe 5 eingetreten sei. Aber auch im Zeitraum vom 1. 7. 1993 bis 30. 6. 1995 seien die Entscheidungsträger verhalten gewesen, bei Zutreffen der Voraussetzungen ein Pflegegeld der Stufen 3 bis 7 zu gewähren, auch wenn kein Rechtsanspruch bestanden habe, weil es im § 4 Abs 4 BPGG geheißen habe: "ist bei Vorliegen der Voraussetzungen" zu gewähren. § 16 Abs 1 BPGG laute, dass der Anspruch insoweit auf den Bund oder den Träger der Sozialversicherung übergehe, als dieser aus dem Anlass Pflegegeld zu leisten habe. Das Berufungsgericht folge der Lehre, dass auch für Pflegegelder der Stufen 3 bis 7 ein Anspruchsübergang stattgefunden habe (Gruber/Pallinger, BPGG-Kommentar Rz 3 zu § 16, Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, 202/210, Wachter DRdA 1995, 182). Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sowohl der Hilflosenzuschuss als auch das Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz 14-mal jährlich ausbezahlt worden seien, das Pflegegeld nach dem BPGG jedoch nur 12-mal jährlich ausbezahlt werde. Dazu komme, dass auch das Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz inflationsbedingt erhöht worden sei, sodass es bereits im Jahr 1992 S 4.940 monatlich (14-mal jährlich) betragen habe. Es müsse daher auch der 1991 insgesamt aus "sozialen Töpfen" geleistete Beitrag valorisiert werden, um beurteilen zu können, ob durch die Leistung von Pflegegeld der Stufe 5 ab dem 1. 7. 1993 mehr an die Geschädigte geleistet worden sei, als zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleiches. Die diesbezügliche Erhöhung um knapp S 2.500 monatlich könne noch als inflationsbedingte Erhöhung angesehen werden (§ 273 ZPO), zumal auch der Kostenaufwand für qualifizierte Pflegeleistungen nicht unerheblich gestiegen sei. Auch das an die Stelle des Hilflosenzuschusses getretene Pflegegeld der Stufe 2 sei höher gewesen als der seinerzeitige Hilflosenzuschuss. Vom Abfindungsvergleich seien nur jene unfallkausale Pflegekosten umfasst gewesen, die das Pflegegeld der Stufe 5 überstiegen hätten.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zur Frage, ob auch hinsichtlich jener tatsächlichen Pflegeleistungen nach dem BPGG, die die Stufe 2 überstiegen und bereits ab 1. 7. 1993 bis 30. 6. 1995 gewährt worden seien, ein Forderungsübergang nach § 16 BPGG eingetreten sei, keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und teilweise berechtigt.
In der Revision macht die Revisionswerberin geltend, dass die Geschädigte, vertreten durch ihren Rechtsanwalt, am 11. Juli 1991 eine Abfindungserklärung abgegeben habe, wonach sie sich endgültig und vollständig abgefunden habe, auch wenn in Zukunft noch andere als die jetzt vorhandenen und noch nicht erkennbaren Folgen des Schadensfalles oder geänderte Verhältnisse eintreten oder bekannt werden sollten. Diese Willenserklärung gehe zweifellos dahin, dass, was immer sein sollte, keinerlei weiteren Ansprüche gegen die Revisionswerberin gestellt würden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleiches habe sich die Geschädigte allein über den Hilflosenzuschuss nach § 105a ASVG nicht vergleichen können. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes sei mit dem Wegfall des Vorarlberger Behindertengesetzes kein neuer ergänzender Schadenersatzanspruch entstanden. Der Anspruch der Revisionsgegnerin auf Ersatz eines den Betrag des Hilflosenzuschusses übersteigenden Pflegegeldes scheitere auch vor allem daran, dass bis 30. Juni 1995 gemäß § 4 Abs 4 BPGG kein Rechtsanspruch auf den die Stufe 2 übersteigenden Teil des Pflegegeldes bestanden habe. Die Geschädigte bekomme erheblich mehr, als sie bei Abschluss der Vereinbarung erwarten habe dürfen. Das Gericht hätte daher eine Anrechnung gemäß § 16 Abs 2 zweiter Satz BPGG durchzuführen gehabt.
Diesen Argumenten der Revisionswerberin ist zum Teil zu folgen.
Der Geschädigten wurde zum Zeitpunkt des Abfindungsvergleiches (11. Juli 1991) ein Hilflosenzuschuss gemäß § 105a ASVG sowie ein Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz (LGBl 1964/25) gewährt. Nach letzterem Gesetz bestand zugunsten des das Pflegegeld gewährenden Landes keine Legalzession im Sinn des § 332 ASVG. Die Geschädigte konnte daher, soweit es nicht den Hilflosenzuschuss gemäß § 105 ASVG betraf, grundsätzlich über ihren Schadenersatzanspruch disponieren und auch Vergleiche abschließen. Nur soweit der Geschädigten der Hilflosenzuschuss gewährt wurde, wurde ihr die Möglichkeit genommen, über den kongruenten Schadenersatzanspruch rechtswirksam zu disponieren (so auch das zu diesem Sachverhalt erstattete und in DRdA 1995, 178 Der aktuelle Fall Bundespflegegeld-Abfindungsvergleich-Legalzession veröffentlichte Privatgutachten Wachter, das aber den Umstand nicht berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz gewährt und im Vergleich auch berücksichtigt wurde).
Das Bundespflegegeldgestez (BPGG BGBl 1993/110) ist am 1. 7. 1993, also nach dem Unfall und dem zwischen der Geschädigten und der beklagten Partei geschlossenen Abfindungsvergleich in Kraft getreten und hat sowohl den Hilflosenzuschuss nach § 105a ASVG und die Landesleistung nach dem Vorarlberger Behindertengesetz abgelöst. Gleichzeitig wurde in § 16 BPGG eine neue Legalzessionsnorm geschaffen. Es entspricht der Rechtsprechung, dass sich der Geschädigte vor Entstehen der Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers mit dem Schädiger auch mit Wirkung gegenüber dem Sozialversicherungsträger vergleichen kann. So wurde bereits ausgesprochen, dass bei gesetzlicher Erweiterung der Leistungspflicht eines Sozialversicherungsträgers ein diesem zwischen dem Schädiger und dem Verletzten vorher geschlossener Abfindungsvergleich mit Erfolg entgegengehalten werden kann, wenn auf Grund der Gesetzesänderungen dem Verletzten ganz neue Ansprüche gegen den Versicherungsträger gewährt werden, nicht aber, wenn die Leistungspflicht bereits vor dem schädigenden Ereignis gegeben war und durch das spätere Gesetz bloß ausgedehnt wurde (SZ 36/15). Auch in der Bundesrepublik Deutschland hat der BGH zum inhaltlich vergleichbaren Pflegeversicherungsgesetz ausgesprochen, dass der grundsätzlich zum Unfallszeitpunkt eingetretene Forderungsübergang nicht zukünftige Leistungsberechtigungen, die auf einer "Systemänderung" beruhten, umfasse. Insoweit finde ein Forderungsübergang erst mit dem Inkrafttreten der Neuregelung statt (VersR 1997, 723). Diese Rechtsansicht wird auch im Schrifttum vertreten (vgl Jahnke, Pflegeleistungen nach SGB V und SGB XI:
Forderungsübergang und Abfindung VersR 1996, 924; Wiesner, Die Pflegeversicherung VersR 1995, 134).
Eine derartige "Systemänderung" in den Pflegegeldleistungen nahm auch das BPGG vor. Die Legalzession ist daher erst mit Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt.
Die Legalzession des § 16 BPGG kommt aber nur insoweit zum Tragen, als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch Schadenersatzansprüche der Geschädigten, die mit der neuen Sozialleistung kongruent sind, noch nicht endgültig verglichen waren.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass bei Abschluss des Abfindungsvergleiches vom 11. 7. 1991 beiden Vergleichsparteien bekannt gewesen sei, dass die Geschädigte nicht nur den Hilflosenzuschuss, sondern auch Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz bezogen habe. Nach Treu und Glauben könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass durch den Abfindungsvergleich, bei dem nach dem Willen der Vergleichsparteien die von dritter Seite erbrachten Leistungen für die Pflege der Geschädigten angerechnet worden seien, der Pflegekostenersatz zur Gänze endgültig geregelt worden sei. Durch den Wegfall des Pflegegeldes nach dem Vorarlberger Behindertengesetz sei daher ein neuer ergänzender Schadenersatzanspruch der Geschädigten gegenüber der beklagten Partei entstanden, der auf die klagende Partei übergegangen ist.
Dieser Rechtsansicht über die Reichweite des Abfindungsvergleiches ist zu folgen. Die Parteien haben beim Vergleichsabschluss bei der Errechnung der Abfindungssumme auch die Leistungen nach dem Vorarlberger Behindertengesetz berücksichtigt. Diese Leistungen waren damals mangels Legalzession nicht regressierbar. Die Geschädigte konnte daher auch über diese Leistungen disponieren und sich rechtswirksam vergleichen. Nach dem Wortlaut des Abfindungsvergleiches hat sich die Geschädigte gegen Bezahlung eines Betrages von S 1,075.000 sowie von Kosten mit allen Ansprüchen, die gegen die beklagte Partei geltend gemacht werden können, für endgültig und vollständig abgefunden erklärt, auch wenn in Zukunft noch andere als die jetzt vorhandenen und noch erkennbaren Folgen des Schadensfalles oder geänderte Verhältnisse überhaupt eintreten oder bekannt werden sollten.
Bei Auslegung von Willenserklärungen ist nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der Wille der Parteien zu erforschen, worunter die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen ist. Nur wenn sich auf diese Weise kein eindeutiger Sinn ermitteln lässt, ist die Willensäußerung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.
Bei Vergleichsabschluss hat die Geschädigte die beklagte Partei aus ihrer Schadenersatzverpflichtung insoweit entlassen, soweit sie Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz bekommen hatte. Dieses wurde ebenso wie der Hilflosenzuschuss bei Ermittlung des Vergleichsbetrages berücksichtigt. Was allerdings geschehen sollte, wenn das Pflegegeld in Zukunft wegfallen sollte, wurde nicht erörtert. Insbesondere haben die Beteiligten nicht vereinbart, dass der entsprechende Betrag (für Pflegeleistungen) vom Schädiger (dessen Haftpflichtversicherer) auch dann nicht ersetzt werden soll, wenn das Pflegegeld in der Zukunft wegfallen sollte. Bei Vergleichsabschluss war für die Parteien aber nicht vorhersehbar, dass durch die Einführung des BPGG sowohl der gewährte Hilflosenzuschuss als auch das Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz wegfallen würde. Dass durch diesen Vergleich der Pflegekostenersatz endgültig und auch für den Fall des Wegfalles von Leistungen dritter Seite geregelt werden sollte, kann daher nicht ernsthaft angenommen werden. Auch hier kann die Berufung auf einen Abfindungsvergleich den guten Sitten widersprechen (vgl SZ 70/139). Diese durch die Einführung des BPGG bewirkte "Systemänderung" führt daher zur ergänzenden Vertragsauslegung (vgl NZV 1997, 271; Jahnke, Entscheidungsbesprechung r + s 1998, 156, Anm 3). Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kommt man zu dem Ergebnis, dass redliche Parteien eine entsprechende zusätzliche Ersatzpflicht der beklagten Partei vereinbart hätten, wenn sie den Wegfall der berücksichtigten Leistungen Dritter bedacht hätten. Dies ist aber mit dem Inkrafttreten des BPGG eingetreten. Soweit daher die Ansprüche der Geschädigten mangels Vorhersehbarkeit des Wegfalles von Leistungen dritter Seite noch nicht endgültig verglichen waren, konnte die Legalzession des § 16 BPGG für kongruente Sozialleistungen (Pflegekosten) Platz greifen. Damit sind solche Schadenersatzansprüche auf die klagende Partei übergegangen.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Geschädigte nach dem BPGG Pflegegeld (im relevanten Zeitraum zwischen S 11.000 und S 11.591 mtl) in höherem Ausmaß erhält, als sie bei Vergleichsabschluss an Hilflosenzuschuss (S 2.826 mtl) 14-mal im Jahr und Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz (nach den erstgerichtlichen Feststellungen S 4.380 mtl; 14-mal im Jahr) bezog. In dem Ausmaß, in dem die Verletzte nunmehr ein höheres Bundespflegegeld bezieht als die Summe des vorher an sie geleisteten (zuletzt S 7.206 monatlich 14-mal im Jahr), kommt der eingangs erwähnte Grundsatz zum Tragen, dass sich der das Pflegegeld zahlende Rechtsträger infolge der durch Einführung des BPGG geschaffenen "Systemänderung" den vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossenen Abfindungsvergleich entgegenhalten lassen muss. Auf die klagende Partei konnten Ansprüche der Geschädigten nur insoweit übergehen, als sie bei dieser im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Legalzession noch vorhanden waren bzw im Wege der oben dargestellten ergänzenden Vertragsauslegung (wieder) bestanden. Dabei sind die bei Vergleichsabschluss geleisteten Pflegegeldbeträge von (nach den erstgerichtlichen Feststellungen) S 4.380,-- monatlich zu berücksichtigen, über welche die Geschädigte bei Wegfall des Pflegegeldes nach dem Vorarlberger Behindertengesetz und Inkrafttreten des BPGG wieder verfügen konnte, und zwar 14-mal jährlich. Für den relevanten Zeitraum von 42 Monaten ergibt dies kapitalisiert S 214.620, welcher Betrag zuzusprechen war. Das Mehrbegehren war abzuweisen. Das widerspricht auch nicht der in der Lehre vertretenen Auffassung (Gruber/Pallinger, BPGG Rz 3 zu § 16; Pfeil, Neuregelung der Pflegegeldvorsorge in Österreich 202, 210; Wachter, Bundespflegegeld-Abfindungsvergleich-Legalzession, DRdA 1995, 182), wonach der Anspruchsübergang auch für Pflegegelder der Stufen 3 bis 7 stattfindet, bevor darauf ein Rechtsanspruch eingeräumt wurde, weil die Legalzession in diesem Umfang zufolge der Bereinigungswirkung des Vergleiches nicht stattfinden konnte. Soweit daher der Geschädigte ein höheres Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz bezieht, welches die Summe von Hilflosenzuschuss und Vorarlberger Pflegegeld übersteigt, ist daher mangels einer Legalzession für die klagende Partei nichts zu gewinnen.
Soweit das Berufungsgericht die Frage releviert, inwieweit ein Forderungsübergang nach § 16 BPGG für jene Pflegeleistungen nach dem BPGG besteht, die die Stufe 2 überstiegen und bereits ab dem 1. 7. 1993 bis 30. 6. 1997 gewährt wurden, ist zunächst hinzuweisen, dass der Geschädigten im relevanten Zeitraum Pflegegeld der Stufe 5 tatsächlich gewährt wurde. Auch wenn die (verfassungsrechltich unbedenkliche, vgl VfSlg 14.273) Übergangsbestimmung des § 4 Abs 4 BPGG idF BGBl 1993/110 in der Zeit vom 1. 7. 1993 bis 30. 6. 1995 keinen direkten Klageanspruch eines Behinderten auf ein Stufe 2 übersteigendes Pflegegeld gewährt, entspricht es doch der herrschenden Meinung, dass die Legalzession des § 16 BPGG dann stattfindet, wenn Pflegegeld in höherem Ausmaß tatsächlich gewährt wurde (Wachter Der praktische Fall DRdA 1995, 178 [182]; Pfeil, Probleme des Bundespflegegeldgesetzes, DRdA 1993, 181 ff [195]). Auch der erkennende Senat schließt sich dieser Meinung an.
Die Frage, ob die klagende Partei im Sinn des § 16 Abs 2 BPGG eine "Anrechnung" vorzunehmen hätte, muss nicht beantwortet werden, weil dies nicht das Verhältnis der Streitteile betrifft.
Die Revision hatte insgesamt nur teilweise Erfolg.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43, 50 ZPO. Die klagende Partei ist insgesamt mit etwa 70 % ihres Begehrens durchgedrungen und hat daher Anspruch auf 40 % ihrer Kosten und 70 % der verzeichneten Barauslagen.
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