OGH 2Ob8/64 (2Ob9/64)

OGH2Ob8/64 (2Ob9/64)16.1.1964

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Köhler, Dr. Pichler, Dr. Höltzel und Dr. Bauer als Richter in den zu gemeinsamer Verhandlung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1) Alois F*****; 2) Johanna F*****, beide vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Markus P*****, vertreten durch Dr. Alfred Eichholzer, Rechtsanwalt in Graz, wegen restlicher 12. 470 S s. A. und Feststellung bzw 4.473 S 33 g s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 9. September 1963, GZ 2 R 66, 68/63-48, womit infolge Berufung der klagenden Parteien und der beklagten Partei die Urteile des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. April 1963, GZ 16 Cg 81/62-38 und 16 Cg 82/62-11 teils bestätigt, teils abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen, an zwar an den Erstkläger in der Höhe von 1.556 S 77 g und an die Zweitklägerin mit 97 S 80 g.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden klagenden Parteien (der Erstkläger und seine Gattin, die

Zweitklägerin) haben am 16. 7. 1961 als Insassen des vom Beklagten

gelenkten Personenkraftwagens in Kaindorf a. d. S. einen

Verkehrsunfall erlitten. Durch Urteil des Einzelrichters des

Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 8. 9. 1961, 8 E Vr

2097/61-24, ist der Beklagte - rechtskräftig - schuldig erkannt

worden, bei der obbezeichneten Gelegenheit durch unvorsichtiges und

vorschriftwidriges Führen des Personenkraftwagens ..., insbesondere

dadurch, daß er zufolge übermäßiger Geschwindigkeit auf der nassen

Fahrbahn ins Schleudern geriet, einen Randstein streifte und gegen

einen Lichtmast stieß, ... Handlungen und Unterlassungen begangen zu

haben, von welchen er schon nach ihrem natürlichen, für jedermann

leicht erkennbaren Folgen, vermöge besonders bekanntgemachter

Vorschriften und als geprüfter Kraftfahrer einzusehen vermochte, daß

sie eine Gefahr für das Leben ... von Menschen herbeizuführen

geeignet seien; dadurch sei der Erstkläger schwer und - unter anderen

- die Zweitklägerin leicht verletzt worden; der Beklagte habe sich

vor der Tat fahrlässig durch den Genuß eines berauschenden Mittels

(Alkohol) in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden

Rauschzustand versetzt, obgleich er vorhersehen habe können, daß ihm

durch das Führen des Personenkraftwagens eine Tätigkeit bevorstehe,

deren Vornahme in diesem Zustande die bezeichneten Gefahren

herbeizuführen geeignet sei (Schuldspruch wegen Vergehens gegen die

Sicherheit des Lebens nach §§ 335, 337b StG).

Nunmehr nehmen beide Kläger Markus P***** wegen der Folgen des Unfalls vom 16. 7. 1961 aus Verschulden in Anspruch; der Beklagte hat das Begehren bestritten und hilfsweise compensando eine Forderung von 2.010 S s. A. eingewendet (S 91 f der Prozeßakten). Das Erstgericht hat entschieden, daß die Forderung des Erstklägers mit 17.700 S zu Recht und die Gegenforderung des Beklagten - gegenüber dem Erstkläger - mit 1.005 S zu Recht bestehe; daher hat es den Beklagten zur Zahlung von 16.695 S s. A. an den Erstkläger verurteilt und dessen Mehrbegehren pcto 43.705 S s. A. abgewiesen. Zugleich hat das Erstgericht festgestellt, daß der Beklagte dem Erstkläger gegenüber für alle Folgen aus dem Verkehrsunfall vom 16. 7. 1961 zu 50 % in Zukunft hafte. Das Erstgericht hat ferner entschieden (ON 11 der Akten 16 Cg 82/62), daß die Forderung der Zweitklägerin mit 6.710 S zu Recht, die Gegenforderung des Beklagten - gegenüber der Zweitklägerin - aber nicht zu Recht bestehe; daher hat es den Beklagten zur Zahlung von 6.710 S s. A. an die Zweitklägerin verurteilt und deren Mehrbegehren pcto 13.560 S s. A. abgewiesen. Ein mit 50 % bewertetes Mitverschulden der Kläger hat das Erstgericht darin erblickt, daß die Kläger die Fahrt mit dem Beklagten fortgesetzt hätten, obwohl sie zufolge ihrer Wahrnehmungen über den Alkoholkonsum des Beklagten erkennen hätten müssen, daß dieser nicht mehr fahrtüchtig sei. Das Schmerzengeld des Erstklägers hat das Erstgericht - rechnungsmäßig - mit 35.000 S festgesetzt, jenes der Zweitklägerin aber mit 13.200 S.

Das Berufungsgericht hat die Prozesse zur gemeinsamen Berufungsverhandlung und Entscheidung verbunden (S 215 der Prozeßakten); den Berufungen des Beklagten hat es keine Folge gegeben; den Berufungen der beiden Kläger aber hat es teilweise Foge gegeben: in Abänderung der Urteile der ersten Instanz hat das Berufungsgericht ausgesprochen, daß die Forderung des Erstklägers mit 23.600 S und jene der Zweitklägerin mit 8.946 S 66 g zu Recht bestehe; die Gegenforderung des Beklagten bestehe gegenüber dem Erstkläger mit 670 S zu Recht und gegenüber der Zweitklägerin nicht zu Recht; der Beklagte sei daher schuldig, dem Erstkläger den Betrag von 22.930 S s. A. und der Zweitklägerin jenen von 8.946 S 66 g s. A. zu bezahlen; das Mehrbegehren des Erstklägers in der Höhe von 37.470 S s. A. und jenes der Zweitklägerin pcto 11.263 S 34 g s. A. bleibe abgewiesen; zugleich hat die Berufungsinstanz festgestellt, daß der Beklagte dem Erstkläger gegenüber für alle Folgen aus dem Verkehrsunfall vom 16. 7. 1961 zu 50 % in Zukunft hafte. Das Berufungsgericht erachtete dabei das Verschulden der Kläger geringer als das Erstgericht bewerten zu sollen; die Schadensaufteilung im Verhältnisse von 1 zu 2 zu Lasten des Beklagten sei gerechtfertigt (das Feststellungserkenntnis der ersten Instanz werde dadurch nicht berührt, weil der Erstkläger in dieser Hinsicht das Ersturteil nicht angefochten habe).

Gegen das Berufungsurteil hat nur die beklagte Partei Revision erhoben. Sie ficht dieses Urteil insoweit an, als der Schade in einem für die beklagte Partei ungünstigeren Verhältnisse als 1 zu 2 zu ihren Gunsten aufgeteilt worden sei (somit wird die Haftung für 1/3 des Schadens der beiden Kläger in dritter Instanz zugestanden). Der Beklagte macht den Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO geltend und beantragt die Abänderung des Berufungsurteils dahin, daß über das Leistungs- und Feststellungsbegehren im bezogenen Verhältnisse entschieden werde.

Die klagenden Parteien haben die Revision bekämpft und beantragt, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach der dargestellten Aktenlage bezüglich beider Kläger zulässig (vgl JB Nr 56 neu); sie ist aber nicht begründet. Nach den Revisionsausführungen steht auf der Basis der vorinstanzlichen Feststellungen - es ist lediglich Rechtsrüge (§ 503 Z 4 ZPO) erhoben worden - die einzige Frage zur Erörterung, ob das Eigenverschulden der beim Verkehrsunfalle vom 16. 7. 1961 verletzten beiden Kläger höher zu werten sei als mit einem Drittel (wie die Berufungsinstanz zum Leistungsbegehren erkannt hat; hinsichtlich der Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten wegen der zukünftigen Schäden des Erstklägers aber ist in dritter Instanz strittig, ob die Ersatzpflicht des Beklagten wegen des Selbstverschuldens des Erstklägers geringer als mit 50 % anzunehmen sei, da der Erstkläger das Ersturteil in dieser Beziehung nicht wirksam angefochten hatte). Die Auffassung des Revisionswerbers, daß seine Haftung nur zu einem Drittel des Schadens seiner Prozeßgegner begründet sei, lehnt das Revisionsgericht bei den Umständen dieses Falles in Übereinstimmung mit der Beurteilung der Berufungsinstanz ab (die Frage, ob der Beklagte den Klägern überhaupt ersatzpflichtig sei und ob die Geschädigten irgendeinen Abzug im Sinne des § 1304 ABGB hinnehmen müßten, ist nach den obigen Ausführungen über die jeweilige Anfechtung der Urteile der Untergerichte in dritter Instanz nicht mehr zu prüfen).

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen (S 157 ff und 222 ff der Prozeßakten) hat der Beklagte mit den beiden Klägern und den von diesen mitgenommenen beiden Kindern eine Fahrt mit seinem Personenkraftwagen von Wies in die Oststeiermark über zwei Tage unternommen, weil die Kläger dort selbst eine Erbschaftsangelegenheit erledigen wollten. Auf der Rückreise nach Wies ereignete sich am zweiten Reisetag (16. 7. 1961) abends Kaindorf der Unfall, dessentwegen der Beklagte strafgerichtlich nach den §§ 335, 337b StG schuldig gesprochen wurde, wie eingangs dargestellt. Unterwegs wurde vom Beklagten und auch vom Erstkläger Alkohol konsumiert; es war nicht genau feststellbar, wieviel der Beklagte an alkoholischen Getränken vor dem Unfall zu sich genommen hatte; es war aber bei ihm für den Unfallszeitpunkt ein Blutalkoholwert von 1.56 bis 1.77 o/oo festzustellen, welche Alkoholisierung bereits die Grenze eines Gesellschafts-Schwipses erreicht oder überschreitet, so daß der alkoholisierte Zustand des Beklagten für die beiden Kläger erkennbar war, zumal sie auf dieser Reise zum größten Teil beisammen waren. Bei diesen Umständen hat die Berufungsinstanz das Mitverschulden der im Kraftwagen des Beklagten von diesem beförderten Kläger darin erblickt - dagegen haben die beiden Kläger nichts mehr vorgebracht -, daß die Kläger den Alkoholkonsum des Beklagten wahrgenommen, seine Wirkung erkannt und die dadurch beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit des Lenkers des Kraftwagens in Kauf genommen hätten. Während nun das Erstgericht bei diesem Sachverhalte eine Schadensteilung von 1 zu 1 vorgenommen hatte, war die Berufungsinstanz der Ansicht - hinsichtlich des Leistungsanspruchs der Kläger -, den Schaden im Verhältnisse von 1 zu 2 zu Lasten des Beklagten aufteilen zu sollen; in erster Linie habe doch der Lenker für die Erhaltung seiner Fahrtüchtigkeit und für die Sicherheit seiner Fahrgäste zu sorgen und die Verkehrsvorschriften zu beachten; es sei auch zu berücksichtigen, daß sich die Kläger im Stadium der Rückfahrt in einer gewissen Zwangslage befunden hätten und ein Verzicht auf die Rückfahrt im Wagen des Beklagten für sie zumindest mit Zeitverlust und Scherereien verbunden gewesen wäre. Wenn die Berufungsinstanz bei diesen Umständen das überwiegende Verschulden des Beklagten im bezeichneten Verhältnisse angenommen hat, dann ist darin der von der Revision des Beklagten gerügte Rechtsirrtum nicht zu erkennen. Ist es doch die in § 85 Abs 2 Kraftfahrgesetz 1955 statuierte Pflicht des Lenkers, ein Kraftfahrzeug nur in einer hiefür geeigneten körperlichen und geistigen Verfassung zu lenken, und auch das Verbot des § 5 Abs 1 StVO 1960 richtet sich gegen den Lenker des Fahrzeugs. Es kommt dazu, daß die Wirkungen des Alkoholkonsums individuell verschieden sind, so daß sich ein Fahrgast eines erwachsenen Kraftwagenlenkers - der Beklagte war zur Unfallszeit über 40 Jahre alt - im allgemeinen darauf verlassen darf, daß der Lenker selbst wissen und beachten werde, wieviel Alkohol für ihn zur Wahrung der Sicherheit noch erträglich sei. In derartigen Fällen hat auch das Revisionsgericht bisher das Überwiegen des Verschuldens des Lenkers gegenüber dessen Fahrgast angenommen (vgl zB 2 Ob 443/58 vom 4. 2. 1959, SZ XXXII 15; 2 Ob 202/62 vom 5. 7. 1962). Daß der Erstkläger den Beklagten zum Alkoholkonsum "animiert" hätte, ist eine Behauptung des Revisionswerbers, die durch die vorinstanzlichen Feststellungen nicht gedeckt ist. Mit diesem Vorbringen könnte auch eine Erhöhung des die Zweitklägerin treffenden Mitverschuldensanteils nicht mit Erfolg begründet werden, zumal festgestellt ist (S 163), daß sich diese auf der Heimfahrt über das Trinken der sie begleitenden Männer unwillig geäußert hatte.

Aus diesen Erwägungen ist der Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO zu verneinen, so daß der Revision ein Erfolg versagt bleiben muß. Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO (beide Revisionsgegner sind durch einen Rechtsanwalt vertreten, so daß sich die Anteile der Kläger an den Kosten der Revisionsbeantwortung nach dem Verhältnisse der Anfechtung des Berufungsurteils seitens des Beklagten, d. i. 12.470 S und Feststellung Streitwert 59.600 S gegenüber 4.473 S 33 g, richten).

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