European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:E64039
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:
"1. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für den Ersatz aller zukünftigen gesetzlichen Leistungen haftet, die die klagende Partei aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 2. 2. 1994 ihrem am 17. 11. 1973 geborenen Versicherten Stefan Z* zu erbringen hat.
2. Die Haftung der beklagten Partei ist beschränkt auf jene Ansprüche, die der Versicherte ohne die Legalzession des § 332 ASVG selbst zu stellen berechtigt wäre sowie mit den zum Unfallszeitpunkt (2. 2. 1994) geltenden Haftungshöchstbeträgen nach §§ 15 und 16 EKHG.
3. Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, die beklagte Partei hafte der klagenden Partei für die zukünftigen gesetzlichen Leistungen im Sinn des Punktes 1 des Spruches ohne die Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge nach den §§ 15 und 16 EKHG bis zu der Versicherungssumme, mit der der auf das Kennzeichen P* zugelassene PKW haftpflichtversichert gewesen sei, wird abgewiesen.
4. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 48.940,71 (darin enthalten S 5.528,45 USt und S 15.906,66 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 6.625,-- an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 2. 2. 1994 ereignete sich gegen 7.10 Uhr auf einer Freilandstraße ein Verkehrsunfall, an welchem Stefan Z* als Lenker und Halter eines KKW VW Golf und Franziska W* als Lenkerin und Halterin eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs Datsun beteiligt waren. Stefan Z* ist bei der klagenden Partei sozialversichert.
Die klagende Partei begehrt die Feststellung, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für den Ersatz aller zukünftigen gesetzlichen Leistungen hafte, welche die klagende Partei aus Anlass des Versicherungsfalles (Verkehrsunfalles) vom 2. 2. 1994 ihrem am 17. 11. 1973 geborenen Versicherten Stefan Z* zu erbringen habe, die Haftung der beklagten Partei sei auf jene Ansprüche beschränkt, die der Versicherte ohne die Legalzession des § 332 ASVG selbst zu stellen berechtigt wäre, die Haftung der beklagten Partei sei weiters beschränkt auf die Versicherungssumme, mit welcher der auf das Kennzeichen P* zugelassene PKW am 2. 2. 1994 von ihr haftpflichtversichert gewesen sei. Franziska W* treffe das Alleinverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls, weil sie sich der späteren Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von rund 80 km/h genähert habe. Ihr PKW sei mit einem Reh kollidiert, weshalb sie, statt zu bremsen, den PKW auf die linke Fahrbahnseite verrissen habe und so mit dem entgegenkommenden KKW des Stefan Z* frontal zusammengestoßen sei, wobei dieser schwerst verletzt worden sei. Zur Unfallszeit sei es dunkel gewesen, am PKW der Franziska W* sei das Abblendlicht eingeschaltet gewesen. Mit Rücksicht darauf sei die von ihr eingehaltene Fahrgeschwindigkeit um rund 30 km/h zu hoch gewesen; sie sei nicht auf Sicht gefahren. Hätte sie sich der Unfallstelle nicht mit relativ überhöhter Fahrgeschwindigkeit genähert und ihr Fahrzeug nicht nach links verrissen, hätte sie zumindest die Sekundärkollision vermeiden können. Das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil die Verletzungen noch nicht folgenlos ausgeheilt seien.
Die beklagte Partei wendete dagegen ein, ihre Versicherungsnehmerin habe das Gebot des Fahrens auf Sicht nicht verletzt. Die gegebene Halterhaftung nach dem EKHG sei mit Schreiben vom 24. 3. 1994 anerkannt worden, weshalb kein rechtliches Interesse an einem Feststellungsbegehren vorliege.
Das Erstgericht stellte fest, dass die beklagte Partei mit den durch das EKHG bestimmten Beschränkungen, d.h. bis zu einem Kapitalsbetrag von S 2 Mio oder einem Rentenbetrag von jährlich S 90.000 für die Nachteile, die der klagenden Partei aus dem Verkehrsunfall vom 2. 2. 1994 entstünden, zu haften habe, wobei die Haftung der beklagten Partei auf jene Ansprüche beschränkt sei, die der Versicherte ohne die Legalzession des § 332 ASVG selbst zu stellen berechtigt wäre, sowie auf die Versicherungssumme, mit der das auf das Kennzeichen P* zugelassene Fahrzeug am 2. 2. 1994 von ihr haftpflichtversichert gewesen sei. Es ging von nachstehenden Feststellungen aus:
Die Unfallstelle liegt auf der B39 etwa auf Höhe des Straßenkilometers 6,4. Die Straße verläuft in Fahrtrichtung O* in ungefährer Süd-Nord‑Richtung, die Asphaltbreite beträgt 8,4 m; die Fahrbahnbreite 7,4 und wird durch weiße Randlinien begrenzt. In Fahrbahnmitte verläuft eine Leitlinie. Die Straße beschreibt in Richtung Norden gesehen eine langgezogene Rechtskurve, die durch kurveninnenseitig (östlich) ansteigenden Wald unübersichtlich ist. Zwischen dem Waldrand und dem östlichen Fahrbahnrand befindet sich eine ca 3 m breite abfallende Böschung, der Straßengraben liegt ca 1,5 m unter dem Fahrbahnniveau. Westlich der Straße führt eine ca 3 m breite und 3 m tiefe Wiesenböschung zu tiefer liegenden Feldern. In der Rechtskurve besteht Sicht auf rund 200 m. Zum Unfallszeitpunkt (ca 7.10 Uhr) herrschte Dämmerung. Die Helligkeit der Dämmerung war bereits so fortgeschritten, dass eine Orientierung ohne Verwendung von Fernlicht, teilweise auch ohne Abblendlicht, möglich war. Um die Erkennbarkeit optisch schwierig sichtbarer und kontrastarmer Objekte zu sichern, bedurfte es aber der Verwendung von Abblendlicht. Das Erkennen von Objekten am oder sogar abseits des Straßenrandes bedurfte der Verwendung von Abblend- oder Fernlicht. Abgeblendete Fahrscheinwerfer leuchten die Fahrbahn asymmetrisch so aus, dass entgegenkommende Fahrzeuglenker nicht geblendet werden, der rechte Fahrbahnrand aber gut ausgeleuchtet ist. Bei modernen Scheinwerfern liegt die Ausleuchtentfernung am rechten Fahrbahnrand bei Abblendlicht wesentlich über 57 m. Bei dem von der Versicherungsnehmerin der beklagten Partei verwendeten Fahrzeug betrug die Ausleuchtlichte um 57 m. Die Versicherungsnehmerin der beklagten Partei fuhr mit einer Geschwindigkeit von rund 80 km/h Richtung Norden und der Versicherte der klagenden Partei mit einer Geschwindigkeit von rund 90 km/h Richtung Süden. Als sich die Versicherungsnehmerin der beklagten Partei noch ca 72 m südlich der Unfallstelle befand, lief aus dem östlich gelegenen Waldgebiet ein Reh auf die Fahrbahn. An dieser Stelle reichen die Ausläufer des Waldes (Büsche) bis ca 4 m an den Fahrbahnrand. Das Reh war ab Verlassen des Buschwerkes sichtbar und bewegte sich mit etwa 20 km/h zur Fahrbahn hin. Es kollidierte 0,8 Sekunden nach Verlassen des Waldrandes mit dem rechten Vorderreifen des von der Versicherungsnehmerin der beklagten Partei gelenkten PKWs, der sich zu diesem Zeitpunkt ca 0,5 m vom rechten Fahrbahnrand befand. Eine Beeinflussung der Fahrtrichtung des PKWs durch die Kollision mit dem Reh ist auf Grund der Masseverhältnisse zu vernachlässigen. Nach der Kollision mit dem Reh verriss die Lenkerin ihren PKW nach links und leitete gleichzeitig eine Vollbremsung ein. Unmittelbar nachdem sie auf den linken Fahrstreifen geraten war, versuchte sie, durch jähes Gegenlenken wieder auf den östlichen Fahrstreifen zurückzukommen. Sie geriet dadurch ins Schleudern und bewegte sich anschließend im Linkszug wieder zur Fahrbahnmitte mit dem PKW zum linken Fahrbahnrand hin. Die Anhaltestrecke für ein mit 80 km/h fahrendes Fahrzeug beträgt bei einer Sekunde Vorbremszeit und Vollbremsung mit ca 7 m/sec2 57,5 m. Als sich die Versicherungsnehmerin der beklagten Partei zur Gänze auf dem linken Fahrstreifen befand, war der aus der Gegenrichtung kommende Versicherte der klagenden Partei noch rund 100 m entfernt. Er bremste und lenkte gleichzeitig nach links aus. In der Folge kollidierte die linke Frontseite des Versicherten der klagenden Partei gegen die rechte Frontseite des bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeuges. Sämtliche Beteiligten wurden schwer verletzt.
Das Verreißen des PKWs nach links infolge der Kollision mit dem Reh durch die Versicherungsnehmerin der beklagten Partei stellt eine reflektorische Gefahrenabwehrreaktion dar, die bereits vor der Kollision mit dem Reh eingeleitet wurde, um eine Kollision zu vermeiden. Ohne spezielles mentales oder fahrpraktisches Training ist es einem durchschnittlichen Kraftfahrer nicht möglich, eine solche reflexartige Abwehrreaktion ganz zu unterdrücken. Es handelt sich nicht nur um eine natürliche Abwehrbewegung weg von einer plötzlich auftauchenden Gefahr, sondern zusätzlich um eine starke Instinkthandlung zum Schutz des Lebens. Nur sehr erfahrene oder speziell trainierte Kraftfahrer sind in der Lage, eine einmal eingeleitete Abwehrhandlung bei Erkennen der Sinnlosigkeit oder einer noch größeren Gefahr für sich bzw für andere abzubrechen.
Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, die Versicherungsnehmerin der beklagten Partei treffe am Zustandekommen des Verkehrsunfalles kein Verschulden. Sie habe ihr Fahrzeug infolge einer Reaktion auf den Anstoß mit dem auf die Fahrbahn gelaufenen Reh nach links verrissen, sei ins Schleudern geraten und habe versucht, das Fahrzeug wieder nach rechts zurückzulenken. Dieses Verhalten sei eine nicht unterdrückbare, reflexartige Ausweichbewegung gewesen. Das Verreißen des Fahrzeuges auf Grund des auf die Fahrbahn gelaufenen Rehs und das anschließende Schleudern stellten jedoch eine außergewöhnliche Betriebsgefahr im Sinn des § 11 EKHG dar. Auf Seiten des Versicherten der klagenden Partei habe sich lediglich die gewöhnliche Betriebsgefahr des von ihm gelenkten Fahrzeuges verwirklicht, weshalb ein Schadensausgleich im Sinn des § 11 EKHG nicht vorzunehmen sei. Da von der beklagten Partei der Anspruch der klagenden Partei lediglich grundsätzlich bezüglich der Haftung nach dem EKHG außer Streit gestellt worden sei, nicht jedoch das Ausmaß der Haftung, liege ein rechtliches Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung vor.
Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht gab der allein wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für den Ersatz aller zukünftigen Leistungen, die die klagende Partei aus Anlass des Versicherungsfalles vom 2. 2. 1994 ihrem Versicherten zu erbringen habe, gestützten Berufung der klagenden Partei nicht, wohl aber der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das gesamte Feststellungsbegehren ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Es erachtete weitere Feststellungen über die zulässige Fahrgeschwindigkeit der Versicherungsnehmerin der beklagten Partei für entbehrlich, weil diese jedenfalls in Bezug auf das Reh das Gebot des Fahrens auf Sicht nicht verletzt habe. Ob sie aus anderen Gründen, etwa weil sie auch mit optisch schwer wahrnehmbaren Hindernissen hätte rechnen müssen, eine relativ überhöhte Geschwindigkeit eingehalten habe, könne als nicht verfahrensentscheidend dahingestellt bleiben. Schutzzweck der Bestimmung des § 20 Abs 1 StVO sei es, Kollisionen mit Hindernissen auf der Fahrbahn zu vermeiden, weil diese bei Einhaltung einer angemessenen Geschwindigkeit rechtzeitig erkannt werden könnten. Mit einer allfälligen Verletzung dieses Gebotes stehe der vorliegende Unfall in keinem Zusammenhang. Zur Sekundärkollision sei es deshalb gekommen, weil das Fahrzeug der Versicherungsnehmerin der beklagten Partei nach der Kollision mit dem Reh und dem dadurch bedingten Verreißen infolge Einhaltung einer Geschwindigkeit von 80 km/h anstatt einer solchen von weniger als 70 km/h unlenkbar geworden sei. Letzteres zu vermeiden liege aber nicht im Schutzbereich des Gebotes des Fahrens auf Sicht. Der Versicherungsnehmerin der beklagten Partei könnte selbst im Falle der Einhaltung einer relativ überhöhten Geschwindigkeit mangels eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges am Zustandekommen der Sekundärkollision kein Vorwurf gemacht werden, weshalb die nicht bestrittene Halterhaftung der Versicherungsnehmerin und der beklagten Partei zum Tragen komme.
Diesem-unbestrittenen-Feststellungsbegehren mangle es am rechtlichen Interesse, weil die beklagte Partei bereits mit Schreiben vom 24. 3. 1995 ihre Haftung im Rahmen der Bestimmungen des "Eisenbahn-und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsgesetzes" anerkannt und die Erklärung abgegeben habe, gegenüber den Regressansprüchen der klagenden Partei auf den Einwand der Verjährung mit Wirksamkeit eines in dieser Sache erzielbaren feststellenden Urteils zu verzichten. Dabei habe es sich um ein konstitutives Anerkenntnis gehandelt, das ein in diesem Sinn erreichbares Feststellungsbegehren überflüssig gemacht habe. Dieses Anerkenntnis habe auch durch ein relativierendes Schreiben vom 13. 4. 1995 nicht seiner Wirksamkeit beraubt werden können.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage, ob sich der Schutzzweck des § 20 Abs 1 StVO (Fahren auf Sicht) auf Fälle wie den vorliegenden erstrecke, einer Klärung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.
Die klagende Partei begehrt mit ihrer Revision die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahingehend, dass die Haftung der beklagten Partei für den Ersatz aller zukünftigen gesetzlichen Leistungen, die die klagende Partei aus Anlass des Versicherungsfalles zu erbringen habe, beschränkt auf jene Ansprüche, die der Versicherte selbst zu stellen berechtigt gewesen wäre sowie mit der Haftpflichtversicherung festzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wie noch darzulegen sein wird, nicht berücksichtigt hat, und auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 20 Abs 1 erster Satz StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umstände, insbesondere den Straßen-, Verkehrs-und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Der aus dieser Schutznorm abgeleitete Grundsatz des Fahrens auf Sicht bedeutet, dass ein Fahrzeuglenker seine Fahrgeschwindigkeit so zu wählen hat, dass er sein Fahrzeug beim Auftauchen eines Hindernisses rechtzeitig zum Stehen bringen oder zumindest das Hindernis umfahren kann (2 Ob 55/95; ZVR 1972/6). Jeder Kraftfahrer muss daher seine Fahrweise so gestalten, dass der Weg des abzubremsenden Fahrzeuges in der Zeit vom Erkennen eines Hindernisses auf der Fahrbahn bis zum völligen Stillstand des Fahrzeuges nie länger als die durch ihn eingesehene Strecke ist (ZVR 1987/24). Wird daher mit Abblendlicht gefahren, dann muss die gewählte Geschwindigkeit ein Anhalten innerhalb der ausgeleuchteten Strecke ermöglichen (RIS‑Justiz RS0074769). Entspricht daher die eingehaltene Geschwindigkeit der durch das Abblendlicht ausgeleuchteten Sichtweite, mit anderen Worten: entspricht der Anhalteweg der eingehaltenen Geschwindigkeit der ausgeleuchteten Strecke, dann liegt ein Verstoß gegen § 20 StVO nicht vor (vgl auch 2 Ob 162/01i).
Nicht gefolgt werden kann der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, der Schutzzweck des § 20 Abs 1 StVO beschränke sich darauf, Kollisionen mit Hindernissen auf der Fahrbahn zu vermeiden, weil diese bei Einhaltung einer angemessenen Geschwindigkeit rechtzeitig erkannt werden könnten.
Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Bestimmung des § 20 Abs 1 StVO eine Schutznorm dar, die allen Gefahren des Straßenverkehrs vorbeugen soll, die eine überhöhte Geschwindigkeit mit sich bringt (RIS-Justiz RS0027748). Der erkennende Senat hat festgehalten, dass dazu auch die Gefahr unkontrollierter Schleuderbewegungen bei verkehrsbedingten Lenkmanövern gehört (2 Ob 162/01i). Wäre daher die Versicherungsnehmerin der beklagten Partei zur Einhaltung einer geringeren Geschwindigkeit als 80 km/h auf Grund der gegebenen Sichtverhältnisse verpflichtet gewesen und wäre es bei dieser zulässigen Geschwindigkeit nicht zu einer unkontrollierten Schleuderbewegung des Fahrzeuges gekommen, weil dieses beherrschbar geblieben wäre, dann wäre die überhöhte Geschwindigkeit der Versicherungsnehmerin als Verschulden anzulasten.
Im konkreten Fall ist aber der Versicherungsnehmerin der beklagten Partei die Einhaltung einer Geschwindigkeit von 80km/h nicht vorzuwerfen.
Nach den diesbezüglich unbekämpften Feststellungen beträgt die Ausleuchtentfernung mit modernen Scheinwerfern am rechten Fahrbahnrand bei Abblendlicht wesentlich über 57 m. Bei dem von der Versicherungsnehmerin der beklagten Partei verwendeten Fahrzeug kann diese Grenze um die 57 m liegen. Der Anhalteweg für das Fahrzeug beträgt aus 80 km/h bei einer Sekunde Vorbremszeit und Vollbremsung mit ca 7 m/sec2 57,5 m. Um die Erkennbarkeit optisch schwierig sichtbarer und kontrastarmer Objekte zu sichern, bedurfte es aber der Verwendung von Abblendlicht. Das Erkennen von Objekten am oder sogar abseits des Straßenrandes bedurfte der Verwendung von Abblend-oder Fernlicht.
Da die Versicherungsnehmerin der beklagten Partei unbestritten Abblendlicht verwendete, das "um die 57 m" ausleuchtete und zu ihren Gunsten davon auszugehen ist, dass die Ausleuchtweite auch 57,5 m beträgt, weil dies in dem vom Erstgericht festgestellten Bereich liegt und alle Unklarheiten zu Lasten desjenigen gehen, der ein Verschulden des Gegners behauptet (vgl 2 Ob 216/97x), dann muss von einer zulässigen, gegen § 20 StVO nicht verstoßenden Fahrgeschwindigkeit ausgegangen werden. Die von der klagenden Partei zitierte Rechtsprechung über die zulässige Fahrgeschwindigkeit bei Verwendung von Abblendlicht ist durch die technische Entwicklung überholt (vgl auch 2 Ob 216/97x).
Das Berufungsgericht ist daher im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Versicherungsnehmerin der beklagten Partei ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls nicht angelastet werden kann. Danach hat die beklagte Partei für die Gefährdungshaftung nach dem EKHG mit den darin normierten Haftungshöchstbeträgen einzustehen. Bei Vorliegen einer reinen Gefährdungshaftung stellen die Haftungshöchstbeträge des EKHG auch für den Haftpflichtversicherer die Begrenzung der Haftung der Höhe nach dar (ZVR 1991/134; ZVR 1992/70; 2 Ob 2274/96 mwN). Diese Beschränkung der Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung im Spruch des Feststellungsurteils auszudrücken (RIS-Justiz RS0039011).
Berechtigung kommt der Revision insoweit zu, als das Berufungsgericht zu Unrecht das rechtliche Interesse der klagenden Partei am Feststellungsbegehren verneint hat.
Die beklagte Partei hat zwar mit Schreiben vom 24. 3. 1995 (Beilage B) die Haftung ihrer Versicherungsnehmerin im Rahmen der Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsge- setzes anerkannt und die Erklärung abgegeben, gegenüber den Regressansprüchen der klagenden Partei auf den Einwand der Verjährung mit Wirksamkeit eines in dieser Sache erzielbaren feststellenden Urteiles zu verzichten, aber in einem weiteren Schreiben vom 13. 4. 1995 (Beilage A) die Frage einer Mithaftung nach § 11 Abs 1 EKHG des Versicherten der klagenden Partei als "klärungsbedürftig" angesehen, weil die Stelle des Zusammenstoßes genau in Straßenmitte gelegen sei und der Versicherte der klagenden Partei zuvor nach links verrissen habe. Damit bestand aber für die klagende Partei die ein Feststellungsbegehren rechtfertigende Unsicherheit, ob in Zukunft die beklagte Partei die Frage einer Mithaftung im Sinne des § 11 EKHG relevieren werde, was sie zur Einbringung der Feststellungsklage berechtigte. Es war daher dem Feststellungsbegehren mit der Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge des EKHG stattzugeben und ein weitergehendes Mehrbegehren abzuweisen.
Bei der Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen, dass die beklagte Partei in der mündlichen Streitverhandlung vom 10. 3. 1998 ihre Haftung dem Grunde nach im Sinne der Haftungsbeschränkungen nach dem EKHG neuerlich ausdrücklich anerkannte. Strittig war bis zu dem Zeitpunkt, ob die Haftung der beklagten Partei auf Grund eines Verschuldens ihrer Versicherungsnehmerin mit der Versicherungssumme für das versicherte Fahrzeug oder mit den Haftungshöchstgrenzen nach dem EKHG zu begrenzen war. Mangels ausdrücklicher Bewertung ist daher davon auszugehen, dass die klagende Partei mit der Hälfte ihres Begehrens (Haftung der beklagten Partei mit den Haftungshöchstgrenzen nach dem EKHG bzw Abweisung des Mehrbegehrens) durchgedrungen ist. Die Verfahrenskosten waren daher bis zu diesem Zeitpunkt gegenseitig aufzuheben. Ein Zuspruch der halben Pauschalgebühr im Sinn des § 43 Abs 1 ZPO letzter Satz konnte mangels Verzeichnung nicht erfolgen. Ab dem 10. 3. 1998 war die klagende Partei mit ihrem Mehrbegehren als voll unterliegend anzusehen, weshalb sie der beklagten Partei die gesamten Verfahrenskosten zu ersetzen hat.
Im Berufungsverfahren, in welchem die klagende Partei die Stattgebung des Klagebegehrens (ohne Einschränkung auf die Haftungshöchstbeträge des EKHG) und die beklagte Partei die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens anstrebt, ist ebenfalls von einem gleichteiligen Obsiegen und Unterliegen auszugehen, das zur gegenseitigen Kostenaufhebung führt.
Im Revisionsverfahren ist die klagende Partei nach den oben dargestellten Grundsätzen ebenfalls mit der Hälfte ihres Begehrens durchgedrungen und hat daher Anspruch auf Ersatz der halben Pauschalgebühren.
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